Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.svrochen. -- Vermuthlich enthielt der Staatsanzeiger auch alle kaiserlichen Er¬ Einen nicht geringen Raum nahmen in diesen officiellen Urkunden die svrochen. — Vermuthlich enthielt der Staatsanzeiger auch alle kaiserlichen Er¬ Einen nicht geringen Raum nahmen in diesen officiellen Urkunden die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104797"/> <p xml:id="ID_131" prev="#ID_130"> svrochen. — Vermuthlich enthielt der Staatsanzeiger auch alle kaiserlichen Er¬<lb/> lasse und Verordnungen. Wenn von Caligula erzählt wird, daß er einmal alles<lb/> that, um ein von ihm gegebenes Edict zu verheimlichen, so war dies eben<lb/> nichts weiter als einer von seinen verrückten Streichen. Er ließ es mit sehr<lb/> kleiner Schrift auf eine Bronzetafcl graviren, und diese in einem unzugäng¬<lb/> lichen Winkel anbringen, damit möglichst viele Contraventionen aus Unkennt-<lb/> niß des Gesetzes begangen würden, für welche dann Geldstrafen erhoben werden<lb/> sollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_132" next="#ID_133"> Einen nicht geringen Raum nahmen in diesen officiellen Urkunden die<lb/> Hofberichte ein. Trotz aller Ostentation mit bürgerlicher Einfachheit bildete<lb/> sich ein Hof schon unter August; man fing schon damals an, alles was die<lb/> kaiserlichen Personen betraf, wie öffentliche Angelegenheiten zu behandeln,<lb/> und August selbst wies seine Tochter und Enkelin an, nichts zu re¬<lb/> den oder zu thun, waS nicht in den Staatsanzeiger aufgenommen werden<lb/> könne. Es ist bekannt, wie sehr sich beide Fürstinnen für den ihnen aufgeleg¬<lb/> ten Zwang schadlos hielten. Augusts Gemahlin, Livia, die auf den großen<lb/> Staatsmann durch ihre Schönheit und Klugheit unbedingten Einfluß übte,<lb/> (man behauptet, ihr Verstand habe ihm so sehr imponirt, daß er zu jedem wich¬<lb/> tigen Gespräch mit ihr sich schriftlich vorbereitete), ließ jedes Mal die Namen<lb/> der Senatoren und übrigen Personen im Staatsanzeiger veröffentlichen, die<lb/> sie der Ehre ihres Empfangs gewürdigt hatte. Dasselbe that Neros Mutter<lb/> Agrippina als Gemahlin des schwachköpfigen Claudius. In den schlimmsten<lb/> Zeiten des Cäsarenthumö wurden die Gesetze des Anstandes so sehr mit Füßen<lb/> getreten, daß selbst die gemeinsten und schimpflichsten Handlungen des Kai¬<lb/> sers von der officiellen Publicität nicht ausgeschlossen wurden. Commodus<lb/> trieb den Cynismus so weit, daß er grade was ihm am meisten zur Schmach<lb/> gereichte, durch den Staatsanzeiger verbreiten ließ; welcher z. V. jedes Mal<lb/> wenn der „unbesiegte, herkulische" Monarch sich in die Gladiatorenschule zu<lb/> verfügen geruht hatte, dies der Welt mittheilte. Uebrigens verband man schon<lb/> däMals mit der officiellen Bekanntmachung von Nachrichten die Absicht, die<lb/> öffentliche Meinung zu sondiren oder vorzubereiten. Die Anzeige z, B., die<lb/> auf Befehl Julius Cäsars am 13. Februar 44 v. Chr. erschien: ihm sei vom<lb/> Volk durch deu Consul Marc Anton die Königswürde angetragen worden, er<lb/> habe sie jedoch nicht angenommen — war offenbar (um eS mit dem jetzigen<lb/> technischen Ausdruck zu benennen) nichts weiter als ein „Fühler". Tiberius<lb/> ließ Aeußerungen vou Unzufriedenheit von Personen, die ihm mißliebig waren,<lb/> veröffentlichen, sie mochten für "ihn auch noch so beleidigend sein; und hatten<lb/> seine geheimen Agenten nicht das erforderliche Material von Majestätsbeleidi¬<lb/> gtingen zu hinterbringen vermocht, so wurden solche erfunden und den betreffen¬<lb/> de« Personen in den Mund gelegt. Dergleichen Mittheilungen sollten daS</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
svrochen. — Vermuthlich enthielt der Staatsanzeiger auch alle kaiserlichen Er¬
lasse und Verordnungen. Wenn von Caligula erzählt wird, daß er einmal alles
that, um ein von ihm gegebenes Edict zu verheimlichen, so war dies eben
nichts weiter als einer von seinen verrückten Streichen. Er ließ es mit sehr
kleiner Schrift auf eine Bronzetafcl graviren, und diese in einem unzugäng¬
lichen Winkel anbringen, damit möglichst viele Contraventionen aus Unkennt-
niß des Gesetzes begangen würden, für welche dann Geldstrafen erhoben werden
sollten.
Einen nicht geringen Raum nahmen in diesen officiellen Urkunden die
Hofberichte ein. Trotz aller Ostentation mit bürgerlicher Einfachheit bildete
sich ein Hof schon unter August; man fing schon damals an, alles was die
kaiserlichen Personen betraf, wie öffentliche Angelegenheiten zu behandeln,
und August selbst wies seine Tochter und Enkelin an, nichts zu re¬
den oder zu thun, waS nicht in den Staatsanzeiger aufgenommen werden
könne. Es ist bekannt, wie sehr sich beide Fürstinnen für den ihnen aufgeleg¬
ten Zwang schadlos hielten. Augusts Gemahlin, Livia, die auf den großen
Staatsmann durch ihre Schönheit und Klugheit unbedingten Einfluß übte,
(man behauptet, ihr Verstand habe ihm so sehr imponirt, daß er zu jedem wich¬
tigen Gespräch mit ihr sich schriftlich vorbereitete), ließ jedes Mal die Namen
der Senatoren und übrigen Personen im Staatsanzeiger veröffentlichen, die
sie der Ehre ihres Empfangs gewürdigt hatte. Dasselbe that Neros Mutter
Agrippina als Gemahlin des schwachköpfigen Claudius. In den schlimmsten
Zeiten des Cäsarenthumö wurden die Gesetze des Anstandes so sehr mit Füßen
getreten, daß selbst die gemeinsten und schimpflichsten Handlungen des Kai¬
sers von der officiellen Publicität nicht ausgeschlossen wurden. Commodus
trieb den Cynismus so weit, daß er grade was ihm am meisten zur Schmach
gereichte, durch den Staatsanzeiger verbreiten ließ; welcher z. V. jedes Mal
wenn der „unbesiegte, herkulische" Monarch sich in die Gladiatorenschule zu
verfügen geruht hatte, dies der Welt mittheilte. Uebrigens verband man schon
däMals mit der officiellen Bekanntmachung von Nachrichten die Absicht, die
öffentliche Meinung zu sondiren oder vorzubereiten. Die Anzeige z, B., die
auf Befehl Julius Cäsars am 13. Februar 44 v. Chr. erschien: ihm sei vom
Volk durch deu Consul Marc Anton die Königswürde angetragen worden, er
habe sie jedoch nicht angenommen — war offenbar (um eS mit dem jetzigen
technischen Ausdruck zu benennen) nichts weiter als ein „Fühler". Tiberius
ließ Aeußerungen vou Unzufriedenheit von Personen, die ihm mißliebig waren,
veröffentlichen, sie mochten für "ihn auch noch so beleidigend sein; und hatten
seine geheimen Agenten nicht das erforderliche Material von Majestätsbeleidi¬
gtingen zu hinterbringen vermocht, so wurden solche erfunden und den betreffen¬
de« Personen in den Mund gelegt. Dergleichen Mittheilungen sollten daS
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