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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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23. März 268 v. Chr. erhielt der Senat die in der That sehr erfreuliche
Nachricht von der Kaiserwahl des Claudius. Eine Versammlung konnte wegen
eines auf diesen Tag fallenden großen Festes nicht gehalten werden. Man
verfügte sich also insgesammt in der SlaatStrncht in den Tempel deS Apollo,
dort wurde die Depesche des ncuerwäl'leer, von Rom abwesenden Kaisers an
den Senat verlesen, und nun erschallten folgende Ausrufungen: "Claudius
Augustus, die Götter mögen dich uns gönnen!" Dieses wurde sechzig, sage
sechszigmal wiederholt; "Claudius Augustus, dich oder einen Fürsten wie
du bist, haben wir immer gewünscht! (vierzigmal wiederholt); Claudius Au¬
gustus, nach dir verlangte das Reich! (vierzigmal). Claudius Augustus, du
bist uns ein Bruder, du ein Vater, du ein Freund, du ein guter Sena¬
tor, du ein wahrer Fürst! (achtzigmal) Claudius Augustus, du rette uns
vor Aurcolus! Claudius Augustus, rette uns vor den Palmyrenern! (fünf¬
mal); Claudius Augustus, befveie uns von Zenobia!" (siebenmal). Darf
man aus der Häufigkeit der da Cayos auf die Wichtigkeit der einzelnen Tutti
schließen, so fand der Senat eS ungefähr zehnmal dringender den Kaiser seiner
Unterthünigkeit zu versichern, als ihm die dringendsten Angelegenheiten des
Reichs ans Herz zu legen. Beiläufig gesagt, ist die Sitte, daß ganze Ver¬
sammlungen ihre einmüthige Gesinnung in solchen beliebig oft wiederholten
Litaneien kundgeben, wie so viele andere Gebräuche der spät römische" Zeit,
in die christliche Kirche übergegangen, und in ihren Acten sind die Wieder¬
holungen der einzelnen Formeln ebenso genau notirt worden, als in den
Senatsprotokollen. Als z. B. der h. Augustin seinen Nachfolger der Geist¬
lichkeit und Laienschaft vorstellte, rief die Gemeinde: "Gott sei Dank, Christus
sei Lob!" dreiundzwanzigmal, "Höre uns Christus, gib Augustinus daS
Leben!" scchzehnmal u. f. w.

Daß in den officiellen Urkunden der Kaiserzeit sowol der innere Zustand
als die äußern Verhältnisse der Monarchie in einem sehr rosige" Lichte dar¬
gestellt wurden, bedarf wol keines Beweises; auch die militärischen Bulletins
waren nicht grade vom Geist der strengsten Wahrheitsliebe dictirt. Als Alexan¬
der aus dem persischen Feldzuge zurückkehrte, zu dem ihn der Senat, wie oben
erwähnt, aufgefordert halte, war ihm das Gerücht vorausgeeilt, daß er nichts
weniger als Lorbeeren eingeerntet habe. Man erzählte sich, die Armee sei
durch Krankheit, Kälte und Hunger aufgerieben worden, der Kaiser sei genö¬
thigt gewesen, sich durch die Flucht zu retten. Die Senatsberichte jedoch
straften alle diese Nachrichten Lügen. Sie enthielten eine Rede des Kaisers,
worin er die Erfolge des Feldzugs als höchst glänzend schilderte, und die ge¬
wöhnlichen Acclamationen des Senats. Hierauf sei der Kaiser auf daS Capi-
tol gestiegen, habe dort geopfert, persische Gewänder im Tempel niedergelegt,
auch dem Volke seinen Sieg verkündet, und Geschenke und Schauspiele ver-


23. März 268 v. Chr. erhielt der Senat die in der That sehr erfreuliche
Nachricht von der Kaiserwahl des Claudius. Eine Versammlung konnte wegen
eines auf diesen Tag fallenden großen Festes nicht gehalten werden. Man
verfügte sich also insgesammt in der SlaatStrncht in den Tempel deS Apollo,
dort wurde die Depesche des ncuerwäl'leer, von Rom abwesenden Kaisers an
den Senat verlesen, und nun erschallten folgende Ausrufungen: „Claudius
Augustus, die Götter mögen dich uns gönnen!" Dieses wurde sechzig, sage
sechszigmal wiederholt; „Claudius Augustus, dich oder einen Fürsten wie
du bist, haben wir immer gewünscht! (vierzigmal wiederholt); Claudius Au¬
gustus, nach dir verlangte das Reich! (vierzigmal). Claudius Augustus, du
bist uns ein Bruder, du ein Vater, du ein Freund, du ein guter Sena¬
tor, du ein wahrer Fürst! (achtzigmal) Claudius Augustus, du rette uns
vor Aurcolus! Claudius Augustus, rette uns vor den Palmyrenern! (fünf¬
mal); Claudius Augustus, befveie uns von Zenobia!" (siebenmal). Darf
man aus der Häufigkeit der da Cayos auf die Wichtigkeit der einzelnen Tutti
schließen, so fand der Senat eS ungefähr zehnmal dringender den Kaiser seiner
Unterthünigkeit zu versichern, als ihm die dringendsten Angelegenheiten des
Reichs ans Herz zu legen. Beiläufig gesagt, ist die Sitte, daß ganze Ver¬
sammlungen ihre einmüthige Gesinnung in solchen beliebig oft wiederholten
Litaneien kundgeben, wie so viele andere Gebräuche der spät römische» Zeit,
in die christliche Kirche übergegangen, und in ihren Acten sind die Wieder¬
holungen der einzelnen Formeln ebenso genau notirt worden, als in den
Senatsprotokollen. Als z. B. der h. Augustin seinen Nachfolger der Geist¬
lichkeit und Laienschaft vorstellte, rief die Gemeinde: „Gott sei Dank, Christus
sei Lob!" dreiundzwanzigmal, „Höre uns Christus, gib Augustinus daS
Leben!" scchzehnmal u. f. w.

Daß in den officiellen Urkunden der Kaiserzeit sowol der innere Zustand
als die äußern Verhältnisse der Monarchie in einem sehr rosige» Lichte dar¬
gestellt wurden, bedarf wol keines Beweises; auch die militärischen Bulletins
waren nicht grade vom Geist der strengsten Wahrheitsliebe dictirt. Als Alexan¬
der aus dem persischen Feldzuge zurückkehrte, zu dem ihn der Senat, wie oben
erwähnt, aufgefordert halte, war ihm das Gerücht vorausgeeilt, daß er nichts
weniger als Lorbeeren eingeerntet habe. Man erzählte sich, die Armee sei
durch Krankheit, Kälte und Hunger aufgerieben worden, der Kaiser sei genö¬
thigt gewesen, sich durch die Flucht zu retten. Die Senatsberichte jedoch
straften alle diese Nachrichten Lügen. Sie enthielten eine Rede des Kaisers,
worin er die Erfolge des Feldzugs als höchst glänzend schilderte, und die ge¬
wöhnlichen Acclamationen des Senats. Hierauf sei der Kaiser auf daS Capi-
tol gestiegen, habe dort geopfert, persische Gewänder im Tempel niedergelegt,
auch dem Volke seinen Sieg verkündet, und Geschenke und Schauspiele ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/61>, abgerufen am 23.07.2024.