Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band."me lange Verhandlung zwischen Kaiser und Senat, in welcher der erstere Das hier Mitgetheilte ist nur ungefähr der vierte Theil deö Auszugs aus «me lange Verhandlung zwischen Kaiser und Senat, in welcher der erstere Das hier Mitgetheilte ist nur ungefähr der vierte Theil deö Auszugs aus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104795"/> <p xml:id="ID_127" prev="#ID_126"> «me lange Verhandlung zwischen Kaiser und Senat, in welcher der erstere<lb/> die angebotene Ehre ablehnt und vom Senat mit immer neuen Zurufungcn<lb/> bestürmt wird. Nachdem die ehrwürdige Körperschaft sich endlich überzeugt<lb/> hat, daß es dem Kaiser mit seiner Ablehnung Ernst ist, verlangt sie, er solle<lb/> den Namen des Großen annehmen, beiläufig gesagt, war er damals siebzehn<lb/> Jahre alt, und hatte während seiner kurzen Negierung etwas Erhebliches zu<lb/> leisten auch nicht einmal die Zeit gehabt. Nichtsdestoweniger wurde ihm jetzt<lb/> zugerufen: „Großer Alexander, mögen dich die Götter schützen! da du den<lb/> Namen Antonius zurückgewiesen hast, nimm den Namen des Großen an! Großer<lb/> Alexander mögen dich die Götter schützen!" Nachdem diese Rufe sich mehr¬<lb/> mals wiederholt halten, gab der Kaiser, der überhaupt bei dieser Scene durch¬<lb/> aus zu seinem Vortheil erscheint, folgende ganz vernünftige Antwort: „Eher,<lb/> versammelte Väter, hätte ich noch den Namen der Antonine annehmen können;<lb/> denn dafür ließe sich doch die Verwandtschaft oder die Gemeinsamkeit der kaiser¬<lb/> lichen Würde anführen, aus welchem Grunde aber sollte ich den Namen deS<lb/> Großen annehmen? Was habe ich denn schon Großes gethan? Alexander hat<lb/> ihn erst nach großen Thaten, Pompejus erst nach großen Triumphen ange¬<lb/> nommen. Lasset also ab, ehrwürdige Väter, und selbst großmächtig wie ihr<lb/> seid, betrachtet mich lieber als einen der Eurigen, als daß ihr den Namen deö<lb/> Großen auf mich überträgt. Hierauf ertönten die Zurufungen: „Aurelius<lb/> Alexander Augustus mögen die Götter dich schützen! u. s. w., wie eS Sitte war."</p><lb/> <p xml:id="ID_128" next="#ID_129"> Das hier Mitgetheilte ist nur ungefähr der vierte Theil deö Auszugs aus<lb/> der Staatszeitung, der in der Biographie des Kaisers Alexander steht. Schon<lb/> die ausdrückliche Angabe der Quelle bürgt dafür, daß der Schriftsteller nicht<lb/> etwa nach Art der ältern Historiker die Scene aus seiner Phantasie construirt,<lb/> und den verhandelnden Parteien erfundene Reden in den Mund gelegt hat.<lb/> Vielmehr haben wir hier einen urkundlichen Bericht vor uns, in dem jedes<lb/> Titelchen, wie es die Wichtigkeit des Gegenstandes erforderte, gewissenhaft pro-<lb/> tokvllirt ist. Je mehr der einst mächtige Senat zu einem unschuldigen Rede¬<lb/> übungsvereine herabgesunken war, desto mehr Werth wurde in seinen Verhand¬<lb/> lungen auf Aeußerlichkeiten, Formen und Regeln der Etikette gelegt. Auch<lb/> der letzte Schatten von Opposition war längst verschwunden; die Kaiser mochten<lb/> thun, was sie wollten, immer wurde es mit Enthusiasmus aufgenommen. Die<lb/> Senatsprotokvlle enthielten kaum noch etwas Anderes als Acclamationen, wie<lb/> vie mitgetheilten. Durch lange Uebung gelangte die ehrwürdige Körperschaft<lb/> zu einer großen Virtuosität, dieselben im Chor unisono vorzutragen; vermuth¬<lb/> lich übernahmen die Väter, deren Lungen und Loyalität die erprobtesten waren,<lb/> die Führung, und die übrigen schlössen sich an. Bei besonders heftigen An¬<lb/> fällen von patriotischer Begeisterung wurden dieselben Ausrufungen mehrmals<lb/> da Capo gemacht, und hierin in der That das Unglaubliche geleistet. Am</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
«me lange Verhandlung zwischen Kaiser und Senat, in welcher der erstere
die angebotene Ehre ablehnt und vom Senat mit immer neuen Zurufungcn
bestürmt wird. Nachdem die ehrwürdige Körperschaft sich endlich überzeugt
hat, daß es dem Kaiser mit seiner Ablehnung Ernst ist, verlangt sie, er solle
den Namen des Großen annehmen, beiläufig gesagt, war er damals siebzehn
Jahre alt, und hatte während seiner kurzen Negierung etwas Erhebliches zu
leisten auch nicht einmal die Zeit gehabt. Nichtsdestoweniger wurde ihm jetzt
zugerufen: „Großer Alexander, mögen dich die Götter schützen! da du den
Namen Antonius zurückgewiesen hast, nimm den Namen des Großen an! Großer
Alexander mögen dich die Götter schützen!" Nachdem diese Rufe sich mehr¬
mals wiederholt halten, gab der Kaiser, der überhaupt bei dieser Scene durch¬
aus zu seinem Vortheil erscheint, folgende ganz vernünftige Antwort: „Eher,
versammelte Väter, hätte ich noch den Namen der Antonine annehmen können;
denn dafür ließe sich doch die Verwandtschaft oder die Gemeinsamkeit der kaiser¬
lichen Würde anführen, aus welchem Grunde aber sollte ich den Namen deS
Großen annehmen? Was habe ich denn schon Großes gethan? Alexander hat
ihn erst nach großen Thaten, Pompejus erst nach großen Triumphen ange¬
nommen. Lasset also ab, ehrwürdige Väter, und selbst großmächtig wie ihr
seid, betrachtet mich lieber als einen der Eurigen, als daß ihr den Namen deö
Großen auf mich überträgt. Hierauf ertönten die Zurufungen: „Aurelius
Alexander Augustus mögen die Götter dich schützen! u. s. w., wie eS Sitte war."
Das hier Mitgetheilte ist nur ungefähr der vierte Theil deö Auszugs aus
der Staatszeitung, der in der Biographie des Kaisers Alexander steht. Schon
die ausdrückliche Angabe der Quelle bürgt dafür, daß der Schriftsteller nicht
etwa nach Art der ältern Historiker die Scene aus seiner Phantasie construirt,
und den verhandelnden Parteien erfundene Reden in den Mund gelegt hat.
Vielmehr haben wir hier einen urkundlichen Bericht vor uns, in dem jedes
Titelchen, wie es die Wichtigkeit des Gegenstandes erforderte, gewissenhaft pro-
tokvllirt ist. Je mehr der einst mächtige Senat zu einem unschuldigen Rede¬
übungsvereine herabgesunken war, desto mehr Werth wurde in seinen Verhand¬
lungen auf Aeußerlichkeiten, Formen und Regeln der Etikette gelegt. Auch
der letzte Schatten von Opposition war längst verschwunden; die Kaiser mochten
thun, was sie wollten, immer wurde es mit Enthusiasmus aufgenommen. Die
Senatsprotokvlle enthielten kaum noch etwas Anderes als Acclamationen, wie
vie mitgetheilten. Durch lange Uebung gelangte die ehrwürdige Körperschaft
zu einer großen Virtuosität, dieselben im Chor unisono vorzutragen; vermuth¬
lich übernahmen die Väter, deren Lungen und Loyalität die erprobtesten waren,
die Führung, und die übrigen schlössen sich an. Bei besonders heftigen An¬
fällen von patriotischer Begeisterung wurden dieselben Ausrufungen mehrmals
da Capo gemacht, und hierin in der That das Unglaubliche geleistet. Am
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