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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Blattes "Emancipation", auf die Wohnung des Justizministers und auf die
OrdcnShäuser der Kapuziner und Jesuiten erstreckten und die Negierung zur
Verstärkung der Garnison von Brüssel veranlaßten. Aehnliche und schlimmere
Auftritte fanden in verschiedenen Orten des Landes statt. "4, das I"8 voü-
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war zum allgemeinen Geschrei geworden, und an einigen Punkten blieb eS
nicht bei bloßem Einwerfen der Fenster- in den geistlichen Häusern. Zu einem
wirklichen Aufstande mit der Flinte in der Hand kam eS zwar nirgend,
dennoch konnte die Aufregung zu schlimmen Verwickelungen, namentlich mit
Frankreich führen, und so hatte die Regierung Bedacht aus ihre Beschwichti¬
gung zu nehmen. Als den ersten Schritt hierzu muß man den jedenfalls im
Einverständniß mit dem Ministerium am 29. von de Brouckere gestellten An¬
trag betrachten, den Artikel 70 des WohlthätigkeitsgesetzeS, soweit er mjt dem
Primärschulgesetz zusammentraf, einer neuen Prüfung der Centralabtheilung
zu unterwerfen. Der Justizminister hatte einige Tage zuvor zwar die Versicherung
gegeben, dieser Artikel sei so zu fassen, daß die zu stiftenden Armenschulen der
Aufsicht der Gemeinden unterzogen sein sollten, und daß die Ernennung der Lehrer
dem Gemeinderath zustehen würde; auf die sofortige Bemerkung des Grafen
de Theur jedoch, daß diese Ernennung nur dann von dem Gemeinderath aus¬
gehen dürfe, wenn der Stifter nicht anders verfügt habe, hatte der Minister
in diesem Sinne eingelenkt und so den günstigen Eindruck verlöscht, den seine
vorhergehende Erklärung auf die Liberalen gemacht. Dies war die Streit¬
frage, welche am 29. wieder auftauchte, und de Brvukereö Antrag wurde
unter der Wirkung der Vorgänge außerhalb der Kammer ohne Verzug ange¬
nommen, womit die Berathung des Gesetzes auf unbestimmte Zeit vertagt war.

Die Einen deuteten diese Einstellung der Discussion als ein Einlenken
der Rechten und als die Vorbereitung zu einer versöhnlicheren Fassung deS
Gesetzes. Andere urtheilten richtiger und sahen öarin nur das Bestreben, den
Gang der Bewegung noch eine Weile beobachten zu können, uno dann einen
bestimmten Entschluß zu fassen. Das Ministerium machte noch einige Versuche
zu vermitteln. Es fanden Conferenzen der Minister mit den Häuptern der
Rechten und der Linken im Cabinet des Kammerpräsidenten Delahaye statt.
Die Verschiebung der DiScusstvn wurde als nothwendig bezeichnet. Mitglieder
beider Parteien waren der Ansicht, die Negierung dürfe den'Straßenschreiern
nicht nachgeben, die Achtung vor den parlamentarischen Grundsätzen fordere
es, daß vie Entscheidung der Majorität nicht von außen beeinflußt werde.
Aber alle waren der Meinung, daß die Verhandlung über das Wohlthätig-
keitSgesctz unter den obwaltenden Verhältnissen vertagt werden müsse. Das
Cabinet war unentschlossen. Die Linke schlug als Auskunftsmittel die Annahme
eines von Tesch gestellten Antrages vor, welcher die Hauptpunkte des faiderschen


Blattes „Emancipation", auf die Wohnung des Justizministers und auf die
OrdcnShäuser der Kapuziner und Jesuiten erstreckten und die Negierung zur
Verstärkung der Garnison von Brüssel veranlaßten. Aehnliche und schlimmere
Auftritte fanden in verschiedenen Orten des Landes statt. „4, das I«8 voü-
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war zum allgemeinen Geschrei geworden, und an einigen Punkten blieb eS
nicht bei bloßem Einwerfen der Fenster- in den geistlichen Häusern. Zu einem
wirklichen Aufstande mit der Flinte in der Hand kam eS zwar nirgend,
dennoch konnte die Aufregung zu schlimmen Verwickelungen, namentlich mit
Frankreich führen, und so hatte die Regierung Bedacht aus ihre Beschwichti¬
gung zu nehmen. Als den ersten Schritt hierzu muß man den jedenfalls im
Einverständniß mit dem Ministerium am 29. von de Brouckere gestellten An¬
trag betrachten, den Artikel 70 des WohlthätigkeitsgesetzeS, soweit er mjt dem
Primärschulgesetz zusammentraf, einer neuen Prüfung der Centralabtheilung
zu unterwerfen. Der Justizminister hatte einige Tage zuvor zwar die Versicherung
gegeben, dieser Artikel sei so zu fassen, daß die zu stiftenden Armenschulen der
Aufsicht der Gemeinden unterzogen sein sollten, und daß die Ernennung der Lehrer
dem Gemeinderath zustehen würde; auf die sofortige Bemerkung des Grafen
de Theur jedoch, daß diese Ernennung nur dann von dem Gemeinderath aus¬
gehen dürfe, wenn der Stifter nicht anders verfügt habe, hatte der Minister
in diesem Sinne eingelenkt und so den günstigen Eindruck verlöscht, den seine
vorhergehende Erklärung auf die Liberalen gemacht. Dies war die Streit¬
frage, welche am 29. wieder auftauchte, und de Brvukereö Antrag wurde
unter der Wirkung der Vorgänge außerhalb der Kammer ohne Verzug ange¬
nommen, womit die Berathung des Gesetzes auf unbestimmte Zeit vertagt war.

Die Einen deuteten diese Einstellung der Discussion als ein Einlenken
der Rechten und als die Vorbereitung zu einer versöhnlicheren Fassung deS
Gesetzes. Andere urtheilten richtiger und sahen öarin nur das Bestreben, den
Gang der Bewegung noch eine Weile beobachten zu können, uno dann einen
bestimmten Entschluß zu fassen. Das Ministerium machte noch einige Versuche
zu vermitteln. Es fanden Conferenzen der Minister mit den Häuptern der
Rechten und der Linken im Cabinet des Kammerpräsidenten Delahaye statt.
Die Verschiebung der DiScusstvn wurde als nothwendig bezeichnet. Mitglieder
beider Parteien waren der Ansicht, die Negierung dürfe den'Straßenschreiern
nicht nachgeben, die Achtung vor den parlamentarischen Grundsätzen fordere
es, daß vie Entscheidung der Majorität nicht von außen beeinflußt werde.
Aber alle waren der Meinung, daß die Verhandlung über das Wohlthätig-
keitSgesctz unter den obwaltenden Verhältnissen vertagt werden müsse. Das
Cabinet war unentschlossen. Die Linke schlug als Auskunftsmittel die Annahme
eines von Tesch gestellten Antrages vor, welcher die Hauptpunkte des faiderschen


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[0503] Blattes „Emancipation", auf die Wohnung des Justizministers und auf die OrdcnShäuser der Kapuziner und Jesuiten erstreckten und die Negierung zur Verstärkung der Garnison von Brüssel veranlaßten. Aehnliche und schlimmere Auftritte fanden in verschiedenen Orten des Landes statt. „4, das I«8 voü- vsntsl ^ das 1<Z5 .tesmts!" — 6e vetkrusrsl Wo^ as leiZAloupors I" war zum allgemeinen Geschrei geworden, und an einigen Punkten blieb eS nicht bei bloßem Einwerfen der Fenster- in den geistlichen Häusern. Zu einem wirklichen Aufstande mit der Flinte in der Hand kam eS zwar nirgend, dennoch konnte die Aufregung zu schlimmen Verwickelungen, namentlich mit Frankreich führen, und so hatte die Regierung Bedacht aus ihre Beschwichti¬ gung zu nehmen. Als den ersten Schritt hierzu muß man den jedenfalls im Einverständniß mit dem Ministerium am 29. von de Brouckere gestellten An¬ trag betrachten, den Artikel 70 des WohlthätigkeitsgesetzeS, soweit er mjt dem Primärschulgesetz zusammentraf, einer neuen Prüfung der Centralabtheilung zu unterwerfen. Der Justizminister hatte einige Tage zuvor zwar die Versicherung gegeben, dieser Artikel sei so zu fassen, daß die zu stiftenden Armenschulen der Aufsicht der Gemeinden unterzogen sein sollten, und daß die Ernennung der Lehrer dem Gemeinderath zustehen würde; auf die sofortige Bemerkung des Grafen de Theur jedoch, daß diese Ernennung nur dann von dem Gemeinderath aus¬ gehen dürfe, wenn der Stifter nicht anders verfügt habe, hatte der Minister in diesem Sinne eingelenkt und so den günstigen Eindruck verlöscht, den seine vorhergehende Erklärung auf die Liberalen gemacht. Dies war die Streit¬ frage, welche am 29. wieder auftauchte, und de Brvukereö Antrag wurde unter der Wirkung der Vorgänge außerhalb der Kammer ohne Verzug ange¬ nommen, womit die Berathung des Gesetzes auf unbestimmte Zeit vertagt war. Die Einen deuteten diese Einstellung der Discussion als ein Einlenken der Rechten und als die Vorbereitung zu einer versöhnlicheren Fassung deS Gesetzes. Andere urtheilten richtiger und sahen öarin nur das Bestreben, den Gang der Bewegung noch eine Weile beobachten zu können, uno dann einen bestimmten Entschluß zu fassen. Das Ministerium machte noch einige Versuche zu vermitteln. Es fanden Conferenzen der Minister mit den Häuptern der Rechten und der Linken im Cabinet des Kammerpräsidenten Delahaye statt. Die Verschiebung der DiScusstvn wurde als nothwendig bezeichnet. Mitglieder beider Parteien waren der Ansicht, die Negierung dürfe den'Straßenschreiern nicht nachgeben, die Achtung vor den parlamentarischen Grundsätzen fordere es, daß vie Entscheidung der Majorität nicht von außen beeinflußt werde. Aber alle waren der Meinung, daß die Verhandlung über das Wohlthätig- keitSgesctz unter den obwaltenden Verhältnissen vertagt werden müsse. Das Cabinet war unentschlossen. Die Linke schlug als Auskunftsmittel die Annahme eines von Tesch gestellten Antrages vor, welcher die Hauptpunkte des faiderschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/503>, abgerufen am 23.07.2024.