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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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hinderte", vollkommen hinreichend, das Einschreiten des Präsidenten der Union
zu rechtfertigen.

Einer der wichtigsten politischen Grundsätze, nach denen sich der Staaten¬
organismus Nordamerikas bildete, ist der Grundsatz religiöser Duldung. Dar¬
nach darf eS in der Union keine katholischen, keine methodistischen, baptisti¬
scher, presbyterianischer, überhaupt keine Sektenstaaten und somit auch keinen
Mormonenstaat geben. Allerdings hat jeder Staat und bis zu einer gewissen
Grenze auch jedes Territorium daS Recht, sich selbst Gesetze zu geben, sie
nach der j wenigen Majorität abzuändern und darüber zu wachen, daß sie zur
Anwendung kommen. Dieses Recht ist indeß nicht völlig unbeschränkt, son¬
dern ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, daß die beschlossenen Gesetze
nicht- wieer die republikanische Freiheit und nicht wider die Gesetze der Union,
namentlich nicht wider das Grundgesetz derselben, die Konstitution, verstoßen.
Geht ein solches Gesetz in der Legislatur eines Einzelstaales durch, so kann,
ja so muß eS von dem obersten Gerichtshof des Bundes als verfassungs¬
widrig für ungillig erklärt werden. Wäre diese Beschränkung nicht vmhande",
so könnte es eines Tages geschehen, daß ein Territorium in der Form einer
Oligarchie Eintritt in die Union begehrte, oder daß ein Staat, dessen Bürger
in der Mehrzahl aus irgend welchem Grunde der republikanischen Regierungs-
form abhold geworden, als Monarchie mitten in dem Kreise von Demokratien
sich erhöbe, ohne daß diese dagegen Einspruch thun könnten. Sie ist noth¬
wendig, wenn sich überhaupt eine Centralregierung denken lassen, und wenn
die oberste Gerichtsbehörde in Washington, die zugleich oberstes Appellations-
gericht für die Union ist, nicht völlig machtlos sein soll. Diese letztere Be¬
hörde hat in jedem Territorium ihre Vertreter in Gestalt vom Präsidenten ein¬
gesetzter, vom Senat in Washington bestätigter Richter, die in dem ihnen
angewiesenen Bezirke die zweite Instanz bilden. Diese Richter sind von den
Mormonen in Utah nicht anerkannt worden, und sie mit dem ganzen Nach¬
druck der ereeutiven Macht zu unterstützen, ist Pflicht deS Präsidenten und
des Congresses, selbst wenn dabei gegen den Willen der Majorität in dem
Territorium gehandelt, und selbst wenn zur Anwendung der Waffengewalt
geschritten werden müßte.

Dazu kommt, daß die Mormonen zuerst Gewalt gebraucht haben. Es ist
erwiesen, daß Beamte der Union, Postvfficianten der Vereinigten Staaten und
Bürger, welche auf dem Ueberlandwege nach Kalifornien das Mormonenland
berührten, von den "Heiligen" auf den Prairien ermordet worden sind, und
daß es keinem Abtrünnigen gestattet ist, sich aus d.in Bereiche der Sekte z"
entfernen. Begreiflicherweise gibt es eine große Anzahl solcher Abtrünniger.
Viele sind enttäuscht, da die Mormonenapostel in der Fremde natürlich anders
sprechen als daheim, Viele unzufrieden, da die Priesterschaft in allen Bezie-


hinderte», vollkommen hinreichend, das Einschreiten des Präsidenten der Union
zu rechtfertigen.

Einer der wichtigsten politischen Grundsätze, nach denen sich der Staaten¬
organismus Nordamerikas bildete, ist der Grundsatz religiöser Duldung. Dar¬
nach darf eS in der Union keine katholischen, keine methodistischen, baptisti¬
scher, presbyterianischer, überhaupt keine Sektenstaaten und somit auch keinen
Mormonenstaat geben. Allerdings hat jeder Staat und bis zu einer gewissen
Grenze auch jedes Territorium daS Recht, sich selbst Gesetze zu geben, sie
nach der j wenigen Majorität abzuändern und darüber zu wachen, daß sie zur
Anwendung kommen. Dieses Recht ist indeß nicht völlig unbeschränkt, son¬
dern ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, daß die beschlossenen Gesetze
nicht- wieer die republikanische Freiheit und nicht wider die Gesetze der Union,
namentlich nicht wider das Grundgesetz derselben, die Konstitution, verstoßen.
Geht ein solches Gesetz in der Legislatur eines Einzelstaales durch, so kann,
ja so muß eS von dem obersten Gerichtshof des Bundes als verfassungs¬
widrig für ungillig erklärt werden. Wäre diese Beschränkung nicht vmhande»,
so könnte es eines Tages geschehen, daß ein Territorium in der Form einer
Oligarchie Eintritt in die Union begehrte, oder daß ein Staat, dessen Bürger
in der Mehrzahl aus irgend welchem Grunde der republikanischen Regierungs-
form abhold geworden, als Monarchie mitten in dem Kreise von Demokratien
sich erhöbe, ohne daß diese dagegen Einspruch thun könnten. Sie ist noth¬
wendig, wenn sich überhaupt eine Centralregierung denken lassen, und wenn
die oberste Gerichtsbehörde in Washington, die zugleich oberstes Appellations-
gericht für die Union ist, nicht völlig machtlos sein soll. Diese letztere Be¬
hörde hat in jedem Territorium ihre Vertreter in Gestalt vom Präsidenten ein¬
gesetzter, vom Senat in Washington bestätigter Richter, die in dem ihnen
angewiesenen Bezirke die zweite Instanz bilden. Diese Richter sind von den
Mormonen in Utah nicht anerkannt worden, und sie mit dem ganzen Nach¬
druck der ereeutiven Macht zu unterstützen, ist Pflicht deS Präsidenten und
des Congresses, selbst wenn dabei gegen den Willen der Majorität in dem
Territorium gehandelt, und selbst wenn zur Anwendung der Waffengewalt
geschritten werden müßte.

Dazu kommt, daß die Mormonen zuerst Gewalt gebraucht haben. Es ist
erwiesen, daß Beamte der Union, Postvfficianten der Vereinigten Staaten und
Bürger, welche auf dem Ueberlandwege nach Kalifornien das Mormonenland
berührten, von den „Heiligen" auf den Prairien ermordet worden sind, und
daß es keinem Abtrünnigen gestattet ist, sich aus d.in Bereiche der Sekte z»
entfernen. Begreiflicherweise gibt es eine große Anzahl solcher Abtrünniger.
Viele sind enttäuscht, da die Mormonenapostel in der Fremde natürlich anders
sprechen als daheim, Viele unzufrieden, da die Priesterschaft in allen Bezie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/444>, abgerufen am 23.07.2024.