Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.des Zarenreiches als gleichberechtigter Souverän anerkannt zu werden, kam das Was die eigentlichen politischen Resultate der Zusammenkunft betrifft, so dürften Auf der andern Seite sehen wir Rußland nicht einmal in der Lage, einem etwa des Zarenreiches als gleichberechtigter Souverän anerkannt zu werden, kam das Was die eigentlichen politischen Resultate der Zusammenkunft betrifft, so dürften Auf der andern Seite sehen wir Rußland nicht einmal in der Lage, einem etwa <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0043" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104778"/> <p xml:id="ID_80" prev="#ID_79"> des Zarenreiches als gleichberechtigter Souverän anerkannt zu werden, kam das<lb/> Bedürfniß Rußlands, aus seiner Jsolirung herauszutreten, auf halbem Wege ent¬<lb/> gegen. So ist die Accktung der napoleonischen Dynastie, welche die Monarchie Eu-<lb/> ropas feierlich ausgesprochen, stillschweigend von einem nach dem andern ausgehoben<lb/> worden, und die Zusammenkunft der beiden Kaiser setzt das Siegel auf die Voll¬<lb/> endung dieses Actes.</p><lb/> <p xml:id="ID_81"> Was die eigentlichen politischen Resultate der Zusammenkunft betrifft, so dürften<lb/> sie nach Lage der Verhältnisse schwerlich bedeutend sein. Am allerwenigsten glauben<lb/> wir. daß dieses Resultat eine Lockerung der englisch-französischen, und die Anbahnung<lb/> oder der Abschluß einer russisch-französischen Allianz sein wird. Ludwig Napoleon<lb/> braucht Englands Bündnis viel zu sehr; natürlich nicht wegen des militärischen<lb/> Beistands, den es ihm etwa verschaffen könnte, sondern wegen des moralischen Reliefs,<lb/> den es ihm bei dem intelligenten Theil der französischen Nation gibt. Der Ausgang<lb/> des orientalischen Krieges hat des französischen Kaisers Stellung in seinem Lande nicht<lb/> befestigt. Die Opfer die er forderte, brachte man ohnedies nicht gern, aber man<lb/> freute sich doch an dem Gedanken. Vorkämpfer der Civilisation zu sein, und mit<lb/> England gemeinsam für ein großes Princip zu kämpfen, und die Opposition der<lb/> gebildeten Classen war zum Theil in Beifall verwandelt, zum Theil zum Schweigen<lb/> gebracht. AIs man aber zu der Einsicht kam. daß es dem pariser Cabinet<lb/> nicht einfiel, ein großes politisches Princip zu rechtfertigen, sondern daß es nur das<lb/> Hauptziel der napoleonischen Familienpolitik verfolgte, da erschienen doch für einen<lb/> solchen Zweck die gebrachten Opfer als viel zu groß, und die Mißstimmung wuchs<lb/> im Verhältniß zu der Täuschung, zu der man sich hatte verleiten lassen. Die In¬<lb/> telligenz des Landes hält sich dem napoleonischen Kaiserthrone jetzt wieder ebenso<lb/> fern, wie unmittelbar nach dem Staatsstreich vom 2. December, und wenn sie auch<lb/> keine Straßenrevvlution macht, so vereinsamt sie doch die Regierung und entzieht<lb/> ihr den moralischen Rückhalt auf eine Weise, die selbst eine auf Bajonetten ruhende<lb/> Macht auf die Länge nicht ertragen kann. Daß die Negierung selbst kein felsen¬<lb/> festes Vertrauen auf ihre Stärke hat, zeigen die militärischen Maßregeln, die man<lb/> bei dem Begräbnis, Berangers traf. Ein Uebergehen von der Allianz mit England<lb/> zu einem Bündniß »ut Rußland würde aber die vorhandene Mißstimmung sehr be¬<lb/> deutend vermehren. Vor allem würde sie dem Kaiser die große Schaar der Ge-<lb/> schäfts- und Geldleute entfremden, die für ihn schwärmen, so lange „das Kaiserthum<lb/> der Friede" ist, die aber recht wohl einsieht, daß ein Bündniß mit Rußland nur<lb/> ein aggressives sein kann, und wenn auch nickt gleich, so doch mit der Zeit zum<lb/> Krieg führen muß. Deshalb erscheint es uns unwahrscheinlich, daß der Kaiser von<lb/> Frankreich aus der Stuttgarter Konferenz etwas anders zu machen beabsichtigt, als<lb/> ein freundschaftliches Zusammentreffen mit dem Souverän, gegen den er noch vor<lb/> Kurzem sämmtliche Monarchen Europas zu einem Bündniß zu vereinigen strebte,<lb/> und der ihn jetzt durch sein Erscheinen die Anerkennung überbringt, die ihm der<lb/> Zar Nikolaus versagte.</p><lb/> <p xml:id="ID_82" next="#ID_83"> Auf der andern Seite sehen wir Rußland nicht einmal in der Lage, einem etwa<lb/> mit Frankreich abzuschließenden Bündniß einen kriegerischen Impuls zu geben. Der<lb/> letzte Krieg im Orient hat seinem politischen Ansehn tiefe Wunden geschlagen und<lb/> den verfügbaren Ueberschuß seiner materiellen Kräfte rein aufgezehrt. Seine krte-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
des Zarenreiches als gleichberechtigter Souverän anerkannt zu werden, kam das
Bedürfniß Rußlands, aus seiner Jsolirung herauszutreten, auf halbem Wege ent¬
gegen. So ist die Accktung der napoleonischen Dynastie, welche die Monarchie Eu-
ropas feierlich ausgesprochen, stillschweigend von einem nach dem andern ausgehoben
worden, und die Zusammenkunft der beiden Kaiser setzt das Siegel auf die Voll¬
endung dieses Actes.
Was die eigentlichen politischen Resultate der Zusammenkunft betrifft, so dürften
sie nach Lage der Verhältnisse schwerlich bedeutend sein. Am allerwenigsten glauben
wir. daß dieses Resultat eine Lockerung der englisch-französischen, und die Anbahnung
oder der Abschluß einer russisch-französischen Allianz sein wird. Ludwig Napoleon
braucht Englands Bündnis viel zu sehr; natürlich nicht wegen des militärischen
Beistands, den es ihm etwa verschaffen könnte, sondern wegen des moralischen Reliefs,
den es ihm bei dem intelligenten Theil der französischen Nation gibt. Der Ausgang
des orientalischen Krieges hat des französischen Kaisers Stellung in seinem Lande nicht
befestigt. Die Opfer die er forderte, brachte man ohnedies nicht gern, aber man
freute sich doch an dem Gedanken. Vorkämpfer der Civilisation zu sein, und mit
England gemeinsam für ein großes Princip zu kämpfen, und die Opposition der
gebildeten Classen war zum Theil in Beifall verwandelt, zum Theil zum Schweigen
gebracht. AIs man aber zu der Einsicht kam. daß es dem pariser Cabinet
nicht einfiel, ein großes politisches Princip zu rechtfertigen, sondern daß es nur das
Hauptziel der napoleonischen Familienpolitik verfolgte, da erschienen doch für einen
solchen Zweck die gebrachten Opfer als viel zu groß, und die Mißstimmung wuchs
im Verhältniß zu der Täuschung, zu der man sich hatte verleiten lassen. Die In¬
telligenz des Landes hält sich dem napoleonischen Kaiserthrone jetzt wieder ebenso
fern, wie unmittelbar nach dem Staatsstreich vom 2. December, und wenn sie auch
keine Straßenrevvlution macht, so vereinsamt sie doch die Regierung und entzieht
ihr den moralischen Rückhalt auf eine Weise, die selbst eine auf Bajonetten ruhende
Macht auf die Länge nicht ertragen kann. Daß die Negierung selbst kein felsen¬
festes Vertrauen auf ihre Stärke hat, zeigen die militärischen Maßregeln, die man
bei dem Begräbnis, Berangers traf. Ein Uebergehen von der Allianz mit England
zu einem Bündniß »ut Rußland würde aber die vorhandene Mißstimmung sehr be¬
deutend vermehren. Vor allem würde sie dem Kaiser die große Schaar der Ge-
schäfts- und Geldleute entfremden, die für ihn schwärmen, so lange „das Kaiserthum
der Friede" ist, die aber recht wohl einsieht, daß ein Bündniß mit Rußland nur
ein aggressives sein kann, und wenn auch nickt gleich, so doch mit der Zeit zum
Krieg führen muß. Deshalb erscheint es uns unwahrscheinlich, daß der Kaiser von
Frankreich aus der Stuttgarter Konferenz etwas anders zu machen beabsichtigt, als
ein freundschaftliches Zusammentreffen mit dem Souverän, gegen den er noch vor
Kurzem sämmtliche Monarchen Europas zu einem Bündniß zu vereinigen strebte,
und der ihn jetzt durch sein Erscheinen die Anerkennung überbringt, die ihm der
Zar Nikolaus versagte.
Auf der andern Seite sehen wir Rußland nicht einmal in der Lage, einem etwa
mit Frankreich abzuschließenden Bündniß einen kriegerischen Impuls zu geben. Der
letzte Krieg im Orient hat seinem politischen Ansehn tiefe Wunden geschlagen und
den verfügbaren Ueberschuß seiner materiellen Kräfte rein aufgezehrt. Seine krte-
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