Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.Augenblicke nicht in Delhi, sondern auf dem Lande, einige Stunden im Nord¬ "Die heutige Stadt." schreibt der Prinz Waldemar, "ist nicht besonders Die Tracht der dortigen Einwohner schildert der Prinz folgendermaßen: "Um Glcuzl-vie", IV. 1867. S
Augenblicke nicht in Delhi, sondern auf dem Lande, einige Stunden im Nord¬ „Die heutige Stadt." schreibt der Prinz Waldemar, „ist nicht besonders Die Tracht der dortigen Einwohner schildert der Prinz folgendermaßen: „Um Glcuzl-vie», IV. 1867. S
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104776"/> <p xml:id="ID_76" prev="#ID_75"> Augenblicke nicht in Delhi, sondern auf dem Lande, einige Stunden im Nord¬<lb/> westen der Stadt, wo er ein ganz erbärmliches Haus, von schmuzigen, armen<lb/> Lehmhütten umgeben, bewohnt. So lebt der Nachkomme des) großen Timur<lb/> als ein besoldeter Privatmann, mit allen Ehren, die seinem Range gebühren,<lb/> nicht viel besser als ein englischer Staatsgefangener. Sein Reich dehnt sich<lb/> nur so weit aus, alö die Mauern des Forts reichen; schon die Außenthore<lb/> halten englische Wachen besetzt."</p><lb/> <p xml:id="ID_77"> „Die heutige Stadt." schreibt der Prinz Waldemar, „ist nicht besonders<lb/> reich an Palästen, und gefiel mir nicht so. wie manche andere indische Stadt.<lb/> Delhi ist wol regelmäßig gebaut, hat breite Straßen, wie man sie selten hier<lb/> gewohnt ist, aber Schmuz und Armuth herrschen darin; viele Viertel bestehen<lb/> aus Lehmhütten. Es braucht lange, bevor es sich, nach so vielen harten<lb/> Schicksalsschlägen erholen wird. Aus und über Hindutempeln sind Moscheen<lb/> erbaut, und aus den Moscheen bauen sich die Engländer ihre Bcmgalos."</p><lb/> <p xml:id="ID_78"> Die Tracht der dortigen Einwohner schildert der Prinz folgendermaßen: „Um<lb/> den Kopf gegen die furchtbare Sonnenglut zu schützen, lassen sie ihr Haar lang<lb/> wachsen, darüber tragen sie den fest gewickelten kleinen Turban, und dann<lb/> hängen sie Mittags noch sogar Tücher darüber. Die leichten, oft durchsich¬<lb/> tigen, fliegenden weißen Gewänder stehen den graziösen braunen Gestalten<lb/> sehr schön. Ich kann mich an den Menschen hier nicht satt sehen. Besonders<lb/> sind die Kinder mit ihren großen schwarzen Augen allerliebst. Die Frauen<lb/> gehen hier, im mohammedanischen Delhi, meist verschleiert, und wenn man<lb/> sie ansieht, verschleiern sie sich noch mehr und bleiben oft stehen und wenden<lb/> einem den Rücken; das thun besonders die älteren Frauen gern. — In den<lb/> Hindustädten zwischen hier und Agra sind die Frauen hübscher, als wir sie<lb/> irgendwo gesehen. Ihr Anzug ist eigenthümlich. Der obere Theil deö Kör¬<lb/> pers ist, mit 'Ausnahme eines schmalen Leibchens um die obere Brust, ganz<lb/> unbedeckt, und nur grade über den Hüften sängt ein breiter, langer Rock wie<lb/> unsere Damenkleider an, den sie beim Gehen meist recht hübsch aufgeschürzt<lb/> haben. Hinten über den Kopf hängt ein langer Schleier, gewöhnlich roth<lb/> oder gelb, bis zu den Knöcheln herab. Vom Ellbogen bis zur Hand tragen<lb/> sie fast ein Armband neben dem andern, auf den Zehen aber große Ringe<lb/> und über den Knöcheln oft schwere silberne Spangen, die in der That, wenn<lb/> mehre Frauen zusammen gehen, rasseln, als wenn Baugefangene mit ihren<lb/> Kellen kämen. Die Frauen sind dort schön, und obgleich breit gewachsen,<lb/> haben sie doch sehr kleine Füße und Hände und schöne Arme; besonders wenn<lb/> sie die runden, irdenen Krüge auf ihrem Kopfe tragen, liegt so zu sagen<lb/> etwas Majestätisches, Antikes in ihrem Gange. Beim Baden bleiben sie im<lb/> Anzüge und hüllen sich ganz in den Schleier ein, unter dem sie, wenn sie<lb/> dem Bade entsteigen, ihre Kleider sehr geschickt wechseln."</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Glcuzl-vie», IV. 1867. S</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Augenblicke nicht in Delhi, sondern auf dem Lande, einige Stunden im Nord¬
westen der Stadt, wo er ein ganz erbärmliches Haus, von schmuzigen, armen
Lehmhütten umgeben, bewohnt. So lebt der Nachkomme des) großen Timur
als ein besoldeter Privatmann, mit allen Ehren, die seinem Range gebühren,
nicht viel besser als ein englischer Staatsgefangener. Sein Reich dehnt sich
nur so weit aus, alö die Mauern des Forts reichen; schon die Außenthore
halten englische Wachen besetzt."
„Die heutige Stadt." schreibt der Prinz Waldemar, „ist nicht besonders
reich an Palästen, und gefiel mir nicht so. wie manche andere indische Stadt.
Delhi ist wol regelmäßig gebaut, hat breite Straßen, wie man sie selten hier
gewohnt ist, aber Schmuz und Armuth herrschen darin; viele Viertel bestehen
aus Lehmhütten. Es braucht lange, bevor es sich, nach so vielen harten
Schicksalsschlägen erholen wird. Aus und über Hindutempeln sind Moscheen
erbaut, und aus den Moscheen bauen sich die Engländer ihre Bcmgalos."
Die Tracht der dortigen Einwohner schildert der Prinz folgendermaßen: „Um
den Kopf gegen die furchtbare Sonnenglut zu schützen, lassen sie ihr Haar lang
wachsen, darüber tragen sie den fest gewickelten kleinen Turban, und dann
hängen sie Mittags noch sogar Tücher darüber. Die leichten, oft durchsich¬
tigen, fliegenden weißen Gewänder stehen den graziösen braunen Gestalten
sehr schön. Ich kann mich an den Menschen hier nicht satt sehen. Besonders
sind die Kinder mit ihren großen schwarzen Augen allerliebst. Die Frauen
gehen hier, im mohammedanischen Delhi, meist verschleiert, und wenn man
sie ansieht, verschleiern sie sich noch mehr und bleiben oft stehen und wenden
einem den Rücken; das thun besonders die älteren Frauen gern. — In den
Hindustädten zwischen hier und Agra sind die Frauen hübscher, als wir sie
irgendwo gesehen. Ihr Anzug ist eigenthümlich. Der obere Theil deö Kör¬
pers ist, mit 'Ausnahme eines schmalen Leibchens um die obere Brust, ganz
unbedeckt, und nur grade über den Hüften sängt ein breiter, langer Rock wie
unsere Damenkleider an, den sie beim Gehen meist recht hübsch aufgeschürzt
haben. Hinten über den Kopf hängt ein langer Schleier, gewöhnlich roth
oder gelb, bis zu den Knöcheln herab. Vom Ellbogen bis zur Hand tragen
sie fast ein Armband neben dem andern, auf den Zehen aber große Ringe
und über den Knöcheln oft schwere silberne Spangen, die in der That, wenn
mehre Frauen zusammen gehen, rasseln, als wenn Baugefangene mit ihren
Kellen kämen. Die Frauen sind dort schön, und obgleich breit gewachsen,
haben sie doch sehr kleine Füße und Hände und schöne Arme; besonders wenn
sie die runden, irdenen Krüge auf ihrem Kopfe tragen, liegt so zu sagen
etwas Majestätisches, Antikes in ihrem Gange. Beim Baden bleiben sie im
Anzüge und hüllen sich ganz in den Schleier ein, unter dem sie, wenn sie
dem Bade entsteigen, ihre Kleider sehr geschickt wechseln."
Glcuzl-vie», IV. 1867. S
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