Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.vielleicht an einem dritten Orte nicht genug bekannt, die Unterschrift einer dort Es ist die erste Sorge eines jeden Kaufmanns gut zu "disponiren", d. h. sich Grenzboten. IV. 48S7. Le)
vielleicht an einem dritten Orte nicht genug bekannt, die Unterschrift einer dort Es ist die erste Sorge eines jeden Kaufmanns gut zu „disponiren", d. h. sich Grenzboten. IV. 48S7. Le)
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105136"/> <p xml:id="ID_1099" prev="#ID_1098"> vielleicht an einem dritten Orte nicht genug bekannt, die Unterschrift einer dort<lb/> bekannten Firma erhält. Der Wechselverkehr hat ganz außerordentliche Vortheile<lb/> für den Kaufmannsstand — aber auch ganz außerordentliche Gefahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1100" next="#ID_1101"> Es ist die erste Sorge eines jeden Kaufmanns gut zu „disponiren", d. h. sich<lb/> so einzurichten, daß er am bestimmten Tage auch seine Zahlungen leisten kann.<lb/> Ist infolge eines Einkaufs ein Wechsel ans ihn binnen einem Vierteljahr fällig<lb/> gezogen, den er acceptirt hat, so wird er wiederum seine Verkäufe so einzurichten<lb/> haben, daß am Schlüsse des Vierteljahrs das Geld auf seinem Tische liegen kann.<lb/> Mehr Geld als zu diesen Dispositionen nöthig, wird in der Regel kein Kaufmann<lb/> vorräthig halten, denn er würde sonst an Zinsen verlieren und seine Kraft zu<lb/> anderweitigen Unternehmungen schwächen. Dieselbe Zuversicht, die audere in ihn<lb/> setzen, setzt much er in jede», dessen Wechsclaccept er in den Händen hat. Der<lb/> Wechselverkehr ist die engste Solidarität der Interessen, die wol hin und wieder<lb/> ein kleines Loch verträgt, aber keine zu große Antastung und vor allem keine Läh¬<lb/> mung. Diese aber tritt ein, sobald an einem der größer» Handelsplätze plötzlich<lb/> viele Zahlungsverb'indlichkciten nicht mehr erfüllt werden können. Jetzt gehen die<lb/> dort unbezahlt gebliebenen Wechsel ans die andern Indossanten und die Aussteller<lb/> zurück, die nun ihrerseits, wiede.r außer Stand, allen auf sie eindringenden Zah¬<lb/> lungsforderungen Genüge zu leisten, genöthigt sind, andere Kreise mit sich ins Ver¬<lb/> derben zu ziehen. Aber die Wunde klafft weiter. Man fragt sich, wer die vom<lb/> Schicksal zunächst Betroffenen sei'» werden, man wird gegen deren Wechsel mi߬<lb/> trauisch und will sie nicht mehr nehme». So muß es denn natürlich geschehen,<lb/> daß dieselbe Kraft, die bisher den kaufmännischen Verkehr aufrecht erhalten hat,<lb/> sich gegen ihn wendet und ihn völlig brach legt. In dieser Situation befinden wir<lb/> uns jetzt in Hamburg. Der erste Schrecken von Zahlungscinstclluugcu war in<lb/> Neuyork, vou da pflanzte er sich nach Schottland und England hinüber und jetzt<lb/> ist er bei uns eingekehrt. Erst war es der eine Kaufmann, der dnrch diese Rück¬<lb/> wirkungen in Verlegenheit gerieth, dann der andere und noch einer und uoch einer<lb/> u. s. w., Leute, die bisher einen guten kaufmännischen Credit genossen und deren<lb/> Wechsel in -Vieler Händen waren. Das Mißtrauen ward allgemein, niemand wollte<lb/> neue Wechsel auch mit den sichersten Unterschriften annehmen, denn wie lange, waren<lb/> sie noch sicher? Und zugleich verbreitete sich mit Telcgravhenschnellc die Kunde von<lb/> diesen Stockungen durch alle europäischen Handelsplätze und nirgend waren mehr<lb/> Wechsel in Hamburg fällig zu begeben, und wer solche aus Hamburg erhalten<lb/> hatte., sandte sie schleunigst zurück. Immer neue Unglücksboden aus England<lb/> u. s. w. kamen zudem an von neuen in engster Verbindung mit Hamburg stehen¬<lb/> den Firmen, welche suspendirt hatten, und größer und großer ward hier die Be¬<lb/> fürchtung vor Nachwehen am hiesigen Orte. Keiner traute mehr der Zahlungs¬<lb/> fähigkeit des andern , jeder hielt an Geld zurück, was er konnte, um mindestens<lb/> sich die Möglichkeit zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu sichern. Daher die<lb/> complete Stockung des Verkehrs, die vollste Gcschäftölosigkeit, daher der ganze sonst<lb/> so unbegreifliche Zustand unserer Börse. Was helfen uns unsere vollen Lager, da<lb/> niemand Geld hat sie zu bezahlen, oder sie zu Preisen verkauft werden müssen,<lb/> welche doch zum Bankrott führen müssen! die großen Gcldhänscr und die Banken<lb/> wüssen an sich halten. sonst stürzen sie mit und bann würde es erst recht schlimm.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 48S7. Le)</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0401]
vielleicht an einem dritten Orte nicht genug bekannt, die Unterschrift einer dort
bekannten Firma erhält. Der Wechselverkehr hat ganz außerordentliche Vortheile
für den Kaufmannsstand — aber auch ganz außerordentliche Gefahren.
Es ist die erste Sorge eines jeden Kaufmanns gut zu „disponiren", d. h. sich
so einzurichten, daß er am bestimmten Tage auch seine Zahlungen leisten kann.
Ist infolge eines Einkaufs ein Wechsel ans ihn binnen einem Vierteljahr fällig
gezogen, den er acceptirt hat, so wird er wiederum seine Verkäufe so einzurichten
haben, daß am Schlüsse des Vierteljahrs das Geld auf seinem Tische liegen kann.
Mehr Geld als zu diesen Dispositionen nöthig, wird in der Regel kein Kaufmann
vorräthig halten, denn er würde sonst an Zinsen verlieren und seine Kraft zu
anderweitigen Unternehmungen schwächen. Dieselbe Zuversicht, die audere in ihn
setzen, setzt much er in jede», dessen Wechsclaccept er in den Händen hat. Der
Wechselverkehr ist die engste Solidarität der Interessen, die wol hin und wieder
ein kleines Loch verträgt, aber keine zu große Antastung und vor allem keine Läh¬
mung. Diese aber tritt ein, sobald an einem der größer» Handelsplätze plötzlich
viele Zahlungsverb'indlichkciten nicht mehr erfüllt werden können. Jetzt gehen die
dort unbezahlt gebliebenen Wechsel ans die andern Indossanten und die Aussteller
zurück, die nun ihrerseits, wiede.r außer Stand, allen auf sie eindringenden Zah¬
lungsforderungen Genüge zu leisten, genöthigt sind, andere Kreise mit sich ins Ver¬
derben zu ziehen. Aber die Wunde klafft weiter. Man fragt sich, wer die vom
Schicksal zunächst Betroffenen sei'» werden, man wird gegen deren Wechsel mi߬
trauisch und will sie nicht mehr nehme». So muß es denn natürlich geschehen,
daß dieselbe Kraft, die bisher den kaufmännischen Verkehr aufrecht erhalten hat,
sich gegen ihn wendet und ihn völlig brach legt. In dieser Situation befinden wir
uns jetzt in Hamburg. Der erste Schrecken von Zahlungscinstclluugcu war in
Neuyork, vou da pflanzte er sich nach Schottland und England hinüber und jetzt
ist er bei uns eingekehrt. Erst war es der eine Kaufmann, der dnrch diese Rück¬
wirkungen in Verlegenheit gerieth, dann der andere und noch einer und uoch einer
u. s. w., Leute, die bisher einen guten kaufmännischen Credit genossen und deren
Wechsel in -Vieler Händen waren. Das Mißtrauen ward allgemein, niemand wollte
neue Wechsel auch mit den sichersten Unterschriften annehmen, denn wie lange, waren
sie noch sicher? Und zugleich verbreitete sich mit Telcgravhenschnellc die Kunde von
diesen Stockungen durch alle europäischen Handelsplätze und nirgend waren mehr
Wechsel in Hamburg fällig zu begeben, und wer solche aus Hamburg erhalten
hatte., sandte sie schleunigst zurück. Immer neue Unglücksboden aus England
u. s. w. kamen zudem an von neuen in engster Verbindung mit Hamburg stehen¬
den Firmen, welche suspendirt hatten, und größer und großer ward hier die Be¬
fürchtung vor Nachwehen am hiesigen Orte. Keiner traute mehr der Zahlungs¬
fähigkeit des andern , jeder hielt an Geld zurück, was er konnte, um mindestens
sich die Möglichkeit zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu sichern. Daher die
complete Stockung des Verkehrs, die vollste Gcschäftölosigkeit, daher der ganze sonst
so unbegreifliche Zustand unserer Börse. Was helfen uns unsere vollen Lager, da
niemand Geld hat sie zu bezahlen, oder sie zu Preisen verkauft werden müssen,
welche doch zum Bankrott führen müssen! die großen Gcldhänscr und die Banken
wüssen an sich halten. sonst stürzen sie mit und bann würde es erst recht schlimm.
Grenzboten. IV. 48S7. Le)
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |