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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Fällen geführt wurde. Der Wagenlenker, für den die Dame sich interessirte,
wurde glücklich gepriesen, man wünschte an seiner Stelle zu sein. Man war
zweifelhaft, ob es wirklich so heiß sei, oder ob man es der innern Glut zu¬
zuschreiben habe u. f. w.

Die Circusspiele leitete eine gottesdienstliche Feierlichkeit ein. Eine
Procession, die d?e Bilder der Götter führte, (theils wurden sie getragen, theils
auf kostbaren Wagen geführt, manche von Elephanten gezogen) zog unter dem
Schalle der Flöten und Posaunen durch die Bahn. Der Magistrat, der die
Spiele gab, führte sie an, in der Tracht eines triumphirenden Feldherrn;
August ließ sich einmal bei einer Unpäßlichkeit in einer Sänfte voraustragen,
um dieser Ehre nicht verlustig zu gehn. Die versammelten Zuschauer erhoben
sich beim Erscheinen deS heiligen Zuges, klatschten und begrüßten die Götter
mit Zurufen und wie noch heute in Italien bei Processionen von Heiligenbildern
Viele aus dem Volk ihre Schutzpatrone anrufen und ihrem Wohlwollen sich
empfehlen, so klatschten damals Liebende der Venus, Soldaten dem Mars,
Landleute der Ceres, und glaubten wol gar, wenn ein Bild auf seinem
Wagen wackelte, es mit dem Kopfe nicken zu sehn. Auch politische Sympathien
und Wünsche wurden gelegentlich laut. Als man in Rom dringend die Be¬
endigung deS Krieges wünschte, den die Triumvnn mit Sertus Pompejus
führten, wurde das Bild deS Neptun, den der tapfre Seemann als Schutzgott
verehrte, im Circus mit großem Applaus empfangen, und als es in Folge
dessen am folgenden Tage nicht in der Procession erschien, entstand ein
Tumult. Außer den Götterbildern wurden in. diesem Zuge auch Bilder der
Kaiser und Personen aus der kaiserlichen Familie unausgeführt, denen die da¬
mals so freigebig gespendeten göttlichen Ehren oder wenigstens ungewöhnliche
Auszeichnungen zuerkannt worden waren. Wol mochten dem ernsten Be¬
trachter der Dinge große und düstere Bilder aus der Vergangenheit auf¬
steigen, wenn die Gestalten der schönen Männer und Frauen aus der
Familie der Cäsaren vorüberzogen, wenn er in die genialen Züge Julius
Cäsars, das unergründ.lich tiefe, ruhige Gesicht Augusts, auf die makellose
Schönheit der Frau blickte, die August beherrschte; den herrlichen Germaniens,
die hochherzige Agrippina und alle folgenden bis aus das rührende Bild des
Knaben Britanniens, dessen hoffnungsreiche Jngend einem so grauenvollen
Morde erlegen war. Doch den meisten schien die oft gesehene Procession, die
sich' mit feierlicher Langsamkeit einherbewegte, gar kein Ende nehmen zu
wollen: ein Schriftsteller der Kaiserzeit vergleicht sie mit einer langweiligen
Vorrede.

Die Einrichtung des Rennens war folgende. Die Bahn des Circus
Marinus (nach dessen Muster vermuthlich die meisten übrigen sich mehr oder
weniger genau richteten) war ungefähr dreimal so lang als breit, die beiden


Fällen geführt wurde. Der Wagenlenker, für den die Dame sich interessirte,
wurde glücklich gepriesen, man wünschte an seiner Stelle zu sein. Man war
zweifelhaft, ob es wirklich so heiß sei, oder ob man es der innern Glut zu¬
zuschreiben habe u. f. w.

Die Circusspiele leitete eine gottesdienstliche Feierlichkeit ein. Eine
Procession, die d?e Bilder der Götter führte, (theils wurden sie getragen, theils
auf kostbaren Wagen geführt, manche von Elephanten gezogen) zog unter dem
Schalle der Flöten und Posaunen durch die Bahn. Der Magistrat, der die
Spiele gab, führte sie an, in der Tracht eines triumphirenden Feldherrn;
August ließ sich einmal bei einer Unpäßlichkeit in einer Sänfte voraustragen,
um dieser Ehre nicht verlustig zu gehn. Die versammelten Zuschauer erhoben
sich beim Erscheinen deS heiligen Zuges, klatschten und begrüßten die Götter
mit Zurufen und wie noch heute in Italien bei Processionen von Heiligenbildern
Viele aus dem Volk ihre Schutzpatrone anrufen und ihrem Wohlwollen sich
empfehlen, so klatschten damals Liebende der Venus, Soldaten dem Mars,
Landleute der Ceres, und glaubten wol gar, wenn ein Bild auf seinem
Wagen wackelte, es mit dem Kopfe nicken zu sehn. Auch politische Sympathien
und Wünsche wurden gelegentlich laut. Als man in Rom dringend die Be¬
endigung deS Krieges wünschte, den die Triumvnn mit Sertus Pompejus
führten, wurde das Bild deS Neptun, den der tapfre Seemann als Schutzgott
verehrte, im Circus mit großem Applaus empfangen, und als es in Folge
dessen am folgenden Tage nicht in der Procession erschien, entstand ein
Tumult. Außer den Götterbildern wurden in. diesem Zuge auch Bilder der
Kaiser und Personen aus der kaiserlichen Familie unausgeführt, denen die da¬
mals so freigebig gespendeten göttlichen Ehren oder wenigstens ungewöhnliche
Auszeichnungen zuerkannt worden waren. Wol mochten dem ernsten Be¬
trachter der Dinge große und düstere Bilder aus der Vergangenheit auf¬
steigen, wenn die Gestalten der schönen Männer und Frauen aus der
Familie der Cäsaren vorüberzogen, wenn er in die genialen Züge Julius
Cäsars, das unergründ.lich tiefe, ruhige Gesicht Augusts, auf die makellose
Schönheit der Frau blickte, die August beherrschte; den herrlichen Germaniens,
die hochherzige Agrippina und alle folgenden bis aus das rührende Bild des
Knaben Britanniens, dessen hoffnungsreiche Jngend einem so grauenvollen
Morde erlegen war. Doch den meisten schien die oft gesehene Procession, die
sich' mit feierlicher Langsamkeit einherbewegte, gar kein Ende nehmen zu
wollen: ein Schriftsteller der Kaiserzeit vergleicht sie mit einer langweiligen
Vorrede.

Die Einrichtung des Rennens war folgende. Die Bahn des Circus
Marinus (nach dessen Muster vermuthlich die meisten übrigen sich mehr oder
weniger genau richteten) war ungefähr dreimal so lang als breit, die beiden


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[0397] Fällen geführt wurde. Der Wagenlenker, für den die Dame sich interessirte, wurde glücklich gepriesen, man wünschte an seiner Stelle zu sein. Man war zweifelhaft, ob es wirklich so heiß sei, oder ob man es der innern Glut zu¬ zuschreiben habe u. f. w. Die Circusspiele leitete eine gottesdienstliche Feierlichkeit ein. Eine Procession, die d?e Bilder der Götter führte, (theils wurden sie getragen, theils auf kostbaren Wagen geführt, manche von Elephanten gezogen) zog unter dem Schalle der Flöten und Posaunen durch die Bahn. Der Magistrat, der die Spiele gab, führte sie an, in der Tracht eines triumphirenden Feldherrn; August ließ sich einmal bei einer Unpäßlichkeit in einer Sänfte voraustragen, um dieser Ehre nicht verlustig zu gehn. Die versammelten Zuschauer erhoben sich beim Erscheinen deS heiligen Zuges, klatschten und begrüßten die Götter mit Zurufen und wie noch heute in Italien bei Processionen von Heiligenbildern Viele aus dem Volk ihre Schutzpatrone anrufen und ihrem Wohlwollen sich empfehlen, so klatschten damals Liebende der Venus, Soldaten dem Mars, Landleute der Ceres, und glaubten wol gar, wenn ein Bild auf seinem Wagen wackelte, es mit dem Kopfe nicken zu sehn. Auch politische Sympathien und Wünsche wurden gelegentlich laut. Als man in Rom dringend die Be¬ endigung deS Krieges wünschte, den die Triumvnn mit Sertus Pompejus führten, wurde das Bild deS Neptun, den der tapfre Seemann als Schutzgott verehrte, im Circus mit großem Applaus empfangen, und als es in Folge dessen am folgenden Tage nicht in der Procession erschien, entstand ein Tumult. Außer den Götterbildern wurden in. diesem Zuge auch Bilder der Kaiser und Personen aus der kaiserlichen Familie unausgeführt, denen die da¬ mals so freigebig gespendeten göttlichen Ehren oder wenigstens ungewöhnliche Auszeichnungen zuerkannt worden waren. Wol mochten dem ernsten Be¬ trachter der Dinge große und düstere Bilder aus der Vergangenheit auf¬ steigen, wenn die Gestalten der schönen Männer und Frauen aus der Familie der Cäsaren vorüberzogen, wenn er in die genialen Züge Julius Cäsars, das unergründ.lich tiefe, ruhige Gesicht Augusts, auf die makellose Schönheit der Frau blickte, die August beherrschte; den herrlichen Germaniens, die hochherzige Agrippina und alle folgenden bis aus das rührende Bild des Knaben Britanniens, dessen hoffnungsreiche Jngend einem so grauenvollen Morde erlegen war. Doch den meisten schien die oft gesehene Procession, die sich' mit feierlicher Langsamkeit einherbewegte, gar kein Ende nehmen zu wollen: ein Schriftsteller der Kaiserzeit vergleicht sie mit einer langweiligen Vorrede. Die Einrichtung des Rennens war folgende. Die Bahn des Circus Marinus (nach dessen Muster vermuthlich die meisten übrigen sich mehr oder weniger genau richteten) war ungefähr dreimal so lang als breit, die beiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/397>, abgerufen am 23.07.2024.