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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Gewohnheiten und Ansichten in den Bevölkerungen angethan. So lange in
Deutschland nach oben und nach unten der Glaube an das ConcessionSwcsen
wuchert, so lange man nicht Verstand und Thätigkeit genug hat, sich um seine
eignen Angelegenheiten im weitesten Sinn dieses Worts zu kümmern, fehlt zu
solcher Freiheit alle Vorbedingung. Aber erzogen wird man nicht dazu durch
das Monopol und sonstige nur Beschränkung athmende Gesetze. Die schlimmste
Gewohnheit und eine, die leider auch in Englar'' heutigen Tags zunimmt, ist
pas Anrufen der Regierung, sobald sich ein Nachtheil oder ein Verlust ergibt.
Auch in wirtschaftlicher Beziehung wird die Freiheit ihr Lehrgeld bezahlen
müssen; aber der Gewinn sind die gemachten Erfahrungen. Mit Monopolen
und Bevormundungen wird man aber unausbleiblich wieder zu Schaden
kommen.

Wir können aus den letzten Theil des Buchs, das Versicherungswesen in
besonderer Beziehung auf die Lebensversicherungen hier nicht weiter eingehen,
weil sich dies sehr interessante Feld nicht in ein paar Bemerkungen erschöpfen
läßt. Wir wollen zum Schlüsse nur darauf hinweisen, daß die Besprechungen
über Bankwesen meist an dem Fehler laboriren, daß man Zufälliges und Noth¬
wendiges-nicht voneinander zu trennen vermag und Erfahrungen durcheinander¬
wirft, die auf ganz verschiedenen Voraussetzungen beruhen. Man sollte die
Nationalökonomie wirklich etwas mehr nach Art der Juristen behandeln, welche
in jedem vorkommenden Falle die Rechtshandlungen zerlegen und daraus erst
die Beziehungen zu Rechtsgrundsätzen ableiten. Welchem vernünftige" Juristen
wird es einfallen, ohne genauere Kenntniß des Falls eine feste Ansicht aus-
zusprechen? Aber im Bank- und Geldwesen ist man nur zu oft nach den ober¬
flächlichsten Wahrnehmungen und Analogien zu urtheilen bereit, und doch ist
noch nicht einmal die Kenntniß auch nur der wichtigsten Thatsachen spruchfer¬
tig gediehen. Selbst vie Theorie ist'so wenig sicher, daß einer unsrer tüchtigsten
deutschen Nationalökonomen mit Recht sagen konnte, daß jedermann meine zu
wissen, was Geld sei und die wenigsten es wüßten. Das gilt nun leider auch
von vielen Nationalökonomen selbst, die oft genug erst d'firiren und dann
den hartnäckigen Widerspruch der Thatsachen als ungehörige Einmischung be-
maßregeln wollen. Kenntniß ist Macht, sagt der Engländer und das gilt
nirgend mehr als auf dem wirtschaftlichen Gebiete, freilich aber auch der
Gegensatz, daß Unkenntniß zu Ohnmacht und Mißständen führt.




Gewohnheiten und Ansichten in den Bevölkerungen angethan. So lange in
Deutschland nach oben und nach unten der Glaube an das ConcessionSwcsen
wuchert, so lange man nicht Verstand und Thätigkeit genug hat, sich um seine
eignen Angelegenheiten im weitesten Sinn dieses Worts zu kümmern, fehlt zu
solcher Freiheit alle Vorbedingung. Aber erzogen wird man nicht dazu durch
das Monopol und sonstige nur Beschränkung athmende Gesetze. Die schlimmste
Gewohnheit und eine, die leider auch in Englar'' heutigen Tags zunimmt, ist
pas Anrufen der Regierung, sobald sich ein Nachtheil oder ein Verlust ergibt.
Auch in wirtschaftlicher Beziehung wird die Freiheit ihr Lehrgeld bezahlen
müssen; aber der Gewinn sind die gemachten Erfahrungen. Mit Monopolen
und Bevormundungen wird man aber unausbleiblich wieder zu Schaden
kommen.

Wir können aus den letzten Theil des Buchs, das Versicherungswesen in
besonderer Beziehung auf die Lebensversicherungen hier nicht weiter eingehen,
weil sich dies sehr interessante Feld nicht in ein paar Bemerkungen erschöpfen
läßt. Wir wollen zum Schlüsse nur darauf hinweisen, daß die Besprechungen
über Bankwesen meist an dem Fehler laboriren, daß man Zufälliges und Noth¬
wendiges-nicht voneinander zu trennen vermag und Erfahrungen durcheinander¬
wirft, die auf ganz verschiedenen Voraussetzungen beruhen. Man sollte die
Nationalökonomie wirklich etwas mehr nach Art der Juristen behandeln, welche
in jedem vorkommenden Falle die Rechtshandlungen zerlegen und daraus erst
die Beziehungen zu Rechtsgrundsätzen ableiten. Welchem vernünftige» Juristen
wird es einfallen, ohne genauere Kenntniß des Falls eine feste Ansicht aus-
zusprechen? Aber im Bank- und Geldwesen ist man nur zu oft nach den ober¬
flächlichsten Wahrnehmungen und Analogien zu urtheilen bereit, und doch ist
noch nicht einmal die Kenntniß auch nur der wichtigsten Thatsachen spruchfer¬
tig gediehen. Selbst vie Theorie ist'so wenig sicher, daß einer unsrer tüchtigsten
deutschen Nationalökonomen mit Recht sagen konnte, daß jedermann meine zu
wissen, was Geld sei und die wenigsten es wüßten. Das gilt nun leider auch
von vielen Nationalökonomen selbst, die oft genug erst d'firiren und dann
den hartnäckigen Widerspruch der Thatsachen als ungehörige Einmischung be-
maßregeln wollen. Kenntniß ist Macht, sagt der Engländer und das gilt
nirgend mehr als auf dem wirtschaftlichen Gebiete, freilich aber auch der
Gegensatz, daß Unkenntniß zu Ohnmacht und Mißständen führt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/32>, abgerufen am 23.07.2024.