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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Welt sei." -- So schrieb Balls. Schuppius, der kurz mich dem westphälischen
Frieden als Geistlicher in Hamburg wirkte. Und der französische Gelehrte
Ander du Maurier, der sich damals hier aufhielt, steht nicht an, dasselbe in
seinen Nemvirizs Sö Hambuni-A mit Athen zu vergleiche".

Gewiß war dieser Vergleich anch damals sehr hochgegriffen; jetzt aber hört
man von allen Seiten gradezu daS Gegentheil deS darin liegenden Lobes.
"Daß ich bequem verbluten kann," klagt Heine 1829 --


"Daß ich bequem verbluten kann,
Gebt mir ein edles weites Feld.
O, laßt mich nicht ersticken hier
In dieser engen Krämcrwelt.
Sie essen gut, sie trinken gut,
Erfreun sich ihres Manlwurfsglücks
Und ihre Großmuth ist so groß
Als wie das Loch der Armcnbüchs'.
Cigarren tragen sie im Maul
Und' in der Hosentasch die Händ'
Auch die Verdauungskraft ist gut
Wer sie nur selbst verdauen könnt.
Sie handeln mit den Specereien
Der ganzen Welt, doch in der Lust
Trotz allen Würzens riecht man stets
Den faulen Schellfischscelenduft."

Es wäre nicht schwer, den Wiederklang solcher Gedanken in den verschieden¬
sten Reiseberichten über Hamburg aufzuzeigen. Nur Wenige schenken auch
den übrigen Seiten des hiesigen Lebens einige Aufmerksamkeit. Namentlich
Friedrich v. Raumer hat über den materiellen Ruf Hamburgs unlängst ein
wahres Wort gesprochen. Im vorigen Januar theilte er in der Singakademie
ZU Berlin Bruchstücke aus Erinnerungen seiner letzten Reise nach dem Norden
mit. Er rühmte unserm Weltverkehre nach, daß er den Gesichtskreis erweitere:
"Doch wozu (höre ich einwenden) dieser Götzendienst mit dem Mammon? Geld
Und Geld gewinnen ist der einzige Zweck alles Hamburger Treibens; alles
listige schwindet vor der Herrschaft des gemeinsten Materialismus. -- Kann
^um aber jemals das Materielle gedeihen ohne Belebung durch den Geist?
Hludet nicht zwischen beiden eine beständige heilsame Wechselwirkung statt?"
Das war gewiß ein höchst begründetes Bedenken, eine Stadt kann sich nicht
°h"e geistige Interessen so emporschwingen, wie Hamburg that. "Auch darf
Man hoffen," fährt v. Raumer fort, "Hamburg werde mit Erfolg daran denken,
Athen nicht blos die erste Handelsstadt Griechenlands, sondern auch der
Mnzmde Mittelpunkt für Kunst und Wissenschaft war."


Grenzboten IV. 4867. . 38

Welt sei." — So schrieb Balls. Schuppius, der kurz mich dem westphälischen
Frieden als Geistlicher in Hamburg wirkte. Und der französische Gelehrte
Ander du Maurier, der sich damals hier aufhielt, steht nicht an, dasselbe in
seinen Nemvirizs Sö Hambuni-A mit Athen zu vergleiche».

Gewiß war dieser Vergleich anch damals sehr hochgegriffen; jetzt aber hört
man von allen Seiten gradezu daS Gegentheil deS darin liegenden Lobes.
„Daß ich bequem verbluten kann," klagt Heine 1829 —


„Daß ich bequem verbluten kann,
Gebt mir ein edles weites Feld.
O, laßt mich nicht ersticken hier
In dieser engen Krämcrwelt.
Sie essen gut, sie trinken gut,
Erfreun sich ihres Manlwurfsglücks
Und ihre Großmuth ist so groß
Als wie das Loch der Armcnbüchs'.
Cigarren tragen sie im Maul
Und' in der Hosentasch die Händ'
Auch die Verdauungskraft ist gut
Wer sie nur selbst verdauen könnt.
Sie handeln mit den Specereien
Der ganzen Welt, doch in der Lust
Trotz allen Würzens riecht man stets
Den faulen Schellfischscelenduft."

Es wäre nicht schwer, den Wiederklang solcher Gedanken in den verschieden¬
sten Reiseberichten über Hamburg aufzuzeigen. Nur Wenige schenken auch
den übrigen Seiten des hiesigen Lebens einige Aufmerksamkeit. Namentlich
Friedrich v. Raumer hat über den materiellen Ruf Hamburgs unlängst ein
wahres Wort gesprochen. Im vorigen Januar theilte er in der Singakademie
ZU Berlin Bruchstücke aus Erinnerungen seiner letzten Reise nach dem Norden
mit. Er rühmte unserm Weltverkehre nach, daß er den Gesichtskreis erweitere:
"Doch wozu (höre ich einwenden) dieser Götzendienst mit dem Mammon? Geld
Und Geld gewinnen ist der einzige Zweck alles Hamburger Treibens; alles
listige schwindet vor der Herrschaft des gemeinsten Materialismus. — Kann
^um aber jemals das Materielle gedeihen ohne Belebung durch den Geist?
Hludet nicht zwischen beiden eine beständige heilsame Wechselwirkung statt?"
Das war gewiß ein höchst begründetes Bedenken, eine Stadt kann sich nicht
°h"e geistige Interessen so emporschwingen, wie Hamburg that. „Auch darf
Man hoffen," fährt v. Raumer fort, „Hamburg werde mit Erfolg daran denken,
Athen nicht blos die erste Handelsstadt Griechenlands, sondern auch der
Mnzmde Mittelpunkt für Kunst und Wissenschaft war."


Grenzboten IV. 4867. . 38
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[0305] Welt sei." — So schrieb Balls. Schuppius, der kurz mich dem westphälischen Frieden als Geistlicher in Hamburg wirkte. Und der französische Gelehrte Ander du Maurier, der sich damals hier aufhielt, steht nicht an, dasselbe in seinen Nemvirizs Sö Hambuni-A mit Athen zu vergleiche». Gewiß war dieser Vergleich anch damals sehr hochgegriffen; jetzt aber hört man von allen Seiten gradezu daS Gegentheil deS darin liegenden Lobes. „Daß ich bequem verbluten kann," klagt Heine 1829 — „Daß ich bequem verbluten kann, Gebt mir ein edles weites Feld. O, laßt mich nicht ersticken hier In dieser engen Krämcrwelt. Sie essen gut, sie trinken gut, Erfreun sich ihres Manlwurfsglücks Und ihre Großmuth ist so groß Als wie das Loch der Armcnbüchs'. Cigarren tragen sie im Maul Und' in der Hosentasch die Händ' Auch die Verdauungskraft ist gut Wer sie nur selbst verdauen könnt. Sie handeln mit den Specereien Der ganzen Welt, doch in der Lust Trotz allen Würzens riecht man stets Den faulen Schellfischscelenduft." Es wäre nicht schwer, den Wiederklang solcher Gedanken in den verschieden¬ sten Reiseberichten über Hamburg aufzuzeigen. Nur Wenige schenken auch den übrigen Seiten des hiesigen Lebens einige Aufmerksamkeit. Namentlich Friedrich v. Raumer hat über den materiellen Ruf Hamburgs unlängst ein wahres Wort gesprochen. Im vorigen Januar theilte er in der Singakademie ZU Berlin Bruchstücke aus Erinnerungen seiner letzten Reise nach dem Norden mit. Er rühmte unserm Weltverkehre nach, daß er den Gesichtskreis erweitere: "Doch wozu (höre ich einwenden) dieser Götzendienst mit dem Mammon? Geld Und Geld gewinnen ist der einzige Zweck alles Hamburger Treibens; alles listige schwindet vor der Herrschaft des gemeinsten Materialismus. — Kann ^um aber jemals das Materielle gedeihen ohne Belebung durch den Geist? Hludet nicht zwischen beiden eine beständige heilsame Wechselwirkung statt?" Das war gewiß ein höchst begründetes Bedenken, eine Stadt kann sich nicht °h"e geistige Interessen so emporschwingen, wie Hamburg that. „Auch darf Man hoffen," fährt v. Raumer fort, „Hamburg werde mit Erfolg daran denken, Athen nicht blos die erste Handelsstadt Griechenlands, sondern auch der Mnzmde Mittelpunkt für Kunst und Wissenschaft war." Grenzboten IV. 4867. . 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/305>, abgerufen am 23.07.2024.