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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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N. November, wo sie, an der Möglichkeit, den Platz langer zu halten, ver¬
zweifelnd, zur See abzogen. Die Führer der Negierungstruppen verfuhren
Wie gewöhnlich. Sie ließen ihren Zorn an den zurückgebliebenen Bewohnern
der Stadt aus und befahlen eine Menge Leute zu enthaupten, welche mit
dem Aufstande entweder gar nicht over nur gezwungen zu thun gehabt
hatten.

Ein andrer Haufen von etwa 1500 Mitgliedern desselben Bundes nahm
"in 7. September 1853 Schangai ein und hielt sich daselbst bis zum
Februar 1855. Auch hier verfuhren die Kaiserlichen mit gewohnter
Grausamkeit und tödteten fast alle, die in dem Platze gefunden wurden. Ein
Theil der Insurgenten war indeß schon in den ersten Monaten abgezogen, als
die Blockade der Stadt noch nicht sehr enge war. Die Tnaöbündler, welche
diesen Aufstand versucht hatten, stammten der Mehrzahl nach aus dem süd¬
östlichen Küstenlande, aber sie hatten einige tausend junge Leute der Stadt
angeworben, und es war sehr belehrend, zu sehen, wie rasch dieselben sich an
das Kämpfen gewöhnten. Gegen das Ende der achtzehnmonatlichen Be¬
lagerung geriethen die hier stationirten Franzosen in Conflict mit den Rebellen.
Ihre Kriegsschiffe schössen Bresche in die Mauer, und hundert bis zweihundert
Matrosen und Seesoldaten, zu denen sich etwa 1300 Kaiserliche gesellten,
stürmten hinein. Zum Erstaunen aller wurden sie mit beträchtlichem Verlust
wieder hinausgetrieben. Die Chinesen sind also selbst in diesen Provinzen
keineswegs so feig, als sie gewöhnlich gelten. Die Feindseligkeit der Franzosen
beschleunigte indeß den Fall deS Platzes; denn durch ihren Beistand wurde
die Blockade enger als vorher, und der Mangel an Lebensmitteln erzeugte
Suletzt unter den Rebellen eine solche Erschlaffung, daß die NcgierungStruppen
durch Überrumplung eindrangen und sich des Orts fast ohne Kampf be¬
rüchtigten. Vorher hatten die Insurgenten sich mit den Taipingö in Nanking
'" Verbindung zu setzen versucht und um Hilfe von dorther gebeten. Es
^arm in Folge dessen zwei Sendboten des himmlischen Fürsten heunllch nach
schangai gekommen, als sie jedoch.daselbst den alten Götzendienst noch vor¬
fanden, die Rebellen Opium rauchen sahen und andern Lastern großer
chinesische Städte begegneten, unterblieb die verlangte Unterstützung.

Noch wichtiger war der Aufstand der geheimen Gesellschaften, welcher im
^uni 1854 in der Nähe von Kanton ausbrach. Die Mitglieder des Trias-
bundeö setzten sich zuerst in Besitz der volkreichen Fabrik- und Handelsstadt
^uhschan, überschwemmten dann die Umgegend Kantons und schlössen zuletzt,
immer mehr sich verstärkend, so daß sie in kurzer Zeit schon über 20,000 Mann
ö"hUen, diese große Stadt mit ihrer Mandschugarnison und anderen Regierungs-
^uppcn so vollständig ein, daß eine Hungersnoth eingetreten sein
würde. wenn die in Kanton wohnenden Europäer die Stadt nicht mit Lebens-


Grenzboten IV. iLö?. 36

N. November, wo sie, an der Möglichkeit, den Platz langer zu halten, ver¬
zweifelnd, zur See abzogen. Die Führer der Negierungstruppen verfuhren
Wie gewöhnlich. Sie ließen ihren Zorn an den zurückgebliebenen Bewohnern
der Stadt aus und befahlen eine Menge Leute zu enthaupten, welche mit
dem Aufstande entweder gar nicht over nur gezwungen zu thun gehabt
hatten.

Ein andrer Haufen von etwa 1500 Mitgliedern desselben Bundes nahm
«in 7. September 1853 Schangai ein und hielt sich daselbst bis zum
Februar 1855. Auch hier verfuhren die Kaiserlichen mit gewohnter
Grausamkeit und tödteten fast alle, die in dem Platze gefunden wurden. Ein
Theil der Insurgenten war indeß schon in den ersten Monaten abgezogen, als
die Blockade der Stadt noch nicht sehr enge war. Die Tnaöbündler, welche
diesen Aufstand versucht hatten, stammten der Mehrzahl nach aus dem süd¬
östlichen Küstenlande, aber sie hatten einige tausend junge Leute der Stadt
angeworben, und es war sehr belehrend, zu sehen, wie rasch dieselben sich an
das Kämpfen gewöhnten. Gegen das Ende der achtzehnmonatlichen Be¬
lagerung geriethen die hier stationirten Franzosen in Conflict mit den Rebellen.
Ihre Kriegsschiffe schössen Bresche in die Mauer, und hundert bis zweihundert
Matrosen und Seesoldaten, zu denen sich etwa 1300 Kaiserliche gesellten,
stürmten hinein. Zum Erstaunen aller wurden sie mit beträchtlichem Verlust
wieder hinausgetrieben. Die Chinesen sind also selbst in diesen Provinzen
keineswegs so feig, als sie gewöhnlich gelten. Die Feindseligkeit der Franzosen
beschleunigte indeß den Fall deS Platzes; denn durch ihren Beistand wurde
die Blockade enger als vorher, und der Mangel an Lebensmitteln erzeugte
Suletzt unter den Rebellen eine solche Erschlaffung, daß die NcgierungStruppen
durch Überrumplung eindrangen und sich des Orts fast ohne Kampf be¬
rüchtigten. Vorher hatten die Insurgenten sich mit den Taipingö in Nanking
'» Verbindung zu setzen versucht und um Hilfe von dorther gebeten. Es
^arm in Folge dessen zwei Sendboten des himmlischen Fürsten heunllch nach
schangai gekommen, als sie jedoch.daselbst den alten Götzendienst noch vor¬
fanden, die Rebellen Opium rauchen sahen und andern Lastern großer
chinesische Städte begegneten, unterblieb die verlangte Unterstützung.

Noch wichtiger war der Aufstand der geheimen Gesellschaften, welcher im
^uni 1854 in der Nähe von Kanton ausbrach. Die Mitglieder des Trias-
bundeö setzten sich zuerst in Besitz der volkreichen Fabrik- und Handelsstadt
^uhschan, überschwemmten dann die Umgegend Kantons und schlössen zuletzt,
immer mehr sich verstärkend, so daß sie in kurzer Zeit schon über 20,000 Mann
ö"hUen, diese große Stadt mit ihrer Mandschugarnison und anderen Regierungs-
^uppcn so vollständig ein, daß eine Hungersnoth eingetreten sein
würde. wenn die in Kanton wohnenden Europäer die Stadt nicht mit Lebens-


Grenzboten IV. iLö?. 36
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[0281] N. November, wo sie, an der Möglichkeit, den Platz langer zu halten, ver¬ zweifelnd, zur See abzogen. Die Führer der Negierungstruppen verfuhren Wie gewöhnlich. Sie ließen ihren Zorn an den zurückgebliebenen Bewohnern der Stadt aus und befahlen eine Menge Leute zu enthaupten, welche mit dem Aufstande entweder gar nicht over nur gezwungen zu thun gehabt hatten. Ein andrer Haufen von etwa 1500 Mitgliedern desselben Bundes nahm «in 7. September 1853 Schangai ein und hielt sich daselbst bis zum Februar 1855. Auch hier verfuhren die Kaiserlichen mit gewohnter Grausamkeit und tödteten fast alle, die in dem Platze gefunden wurden. Ein Theil der Insurgenten war indeß schon in den ersten Monaten abgezogen, als die Blockade der Stadt noch nicht sehr enge war. Die Tnaöbündler, welche diesen Aufstand versucht hatten, stammten der Mehrzahl nach aus dem süd¬ östlichen Küstenlande, aber sie hatten einige tausend junge Leute der Stadt angeworben, und es war sehr belehrend, zu sehen, wie rasch dieselben sich an das Kämpfen gewöhnten. Gegen das Ende der achtzehnmonatlichen Be¬ lagerung geriethen die hier stationirten Franzosen in Conflict mit den Rebellen. Ihre Kriegsschiffe schössen Bresche in die Mauer, und hundert bis zweihundert Matrosen und Seesoldaten, zu denen sich etwa 1300 Kaiserliche gesellten, stürmten hinein. Zum Erstaunen aller wurden sie mit beträchtlichem Verlust wieder hinausgetrieben. Die Chinesen sind also selbst in diesen Provinzen keineswegs so feig, als sie gewöhnlich gelten. Die Feindseligkeit der Franzosen beschleunigte indeß den Fall deS Platzes; denn durch ihren Beistand wurde die Blockade enger als vorher, und der Mangel an Lebensmitteln erzeugte Suletzt unter den Rebellen eine solche Erschlaffung, daß die NcgierungStruppen durch Überrumplung eindrangen und sich des Orts fast ohne Kampf be¬ rüchtigten. Vorher hatten die Insurgenten sich mit den Taipingö in Nanking '» Verbindung zu setzen versucht und um Hilfe von dorther gebeten. Es ^arm in Folge dessen zwei Sendboten des himmlischen Fürsten heunllch nach schangai gekommen, als sie jedoch.daselbst den alten Götzendienst noch vor¬ fanden, die Rebellen Opium rauchen sahen und andern Lastern großer chinesische Städte begegneten, unterblieb die verlangte Unterstützung. Noch wichtiger war der Aufstand der geheimen Gesellschaften, welcher im ^uni 1854 in der Nähe von Kanton ausbrach. Die Mitglieder des Trias- bundeö setzten sich zuerst in Besitz der volkreichen Fabrik- und Handelsstadt ^uhschan, überschwemmten dann die Umgegend Kantons und schlössen zuletzt, immer mehr sich verstärkend, so daß sie in kurzer Zeit schon über 20,000 Mann ö"hUen, diese große Stadt mit ihrer Mandschugarnison und anderen Regierungs- ^uppcn so vollständig ein, daß eine Hungersnoth eingetreten sein würde. wenn die in Kanton wohnenden Europäer die Stadt nicht mit Lebens- Grenzboten IV. iLö?. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/281>, abgerufen am 23.07.2024.