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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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und der Dr^i nicht so ganz seine Nichtigkeit haben sollte, so hat doch das
Ganze einen ungeheuern Werth. Man sieht also, die katholische Kirche in
Oestreich gebietet über große Reichthümer, und diese Kirche ist communistisch,
d. h. die eine Kirche hilft der andern aus. Vielleicht wird sie künftig einmal
dem Staate aushelfen müssen.

Treten wir in das Innere der katholischen Gotteshäuser ein. Vergleiche
ich dieses mit dem Innern der französischen und belgischen Kirchen, so vermag
ich wenig Unterschiede aufzufinden. Doch ist mir ein Contrast aufgefallen.
Während die französischen und belgischen Dome von Gold und weißem,
blendendem Marmor strotzen, z. B. Notre Dame de Paris, kann ich dasselbe
von den östreichischen nicht sagen. Diese letzteren bieten weit mehr ein
düsteres Bild, vielleicht zum Beweise, daß der östreichische Volkscharakter nicht
das Helle, Heitre, Durchsichtige, Leichte, aber auch nicht das Leichtsinnige
des französischen hat. Dagegen weisen die östreichischen Kirchen meist eine
reiche Fülle von Gemälden, Holzschnitzwerken, Grabmälern und anderen
monumentalen Arbeiten auf, worunter freilich eine Menge werthloser Sachen
sind, welche oft nur dazu dienen, leere Wände zu tapezircn. Doch hängt
z- B. ein den ungeheuren Pfeilern des Mailänder Domes kein einziges Bild,
vielleicht um ihren stolzen Himmelsflug nicht zu unterbrechen. Fühlt man
sich als Evangelischer durch viele Kunstwerke angezogen, so fühlt man sich
hinwiederum durch viele Erscheinungen im Gottesdienste abgestoßen. Man
wöchte da oft sich sammeln, und könnte recht wohl dabei den confessionellen
Unterschied auf ein Stündchen vergessen; aber dieses Geklingel, dieses
unaufhörliche Knien bald dort bald da, dies Mantelumhängen und Mantel¬
abnehmen, dies Nauchkesselschwingen, wobei man fast in Angst geräth, der
Junge möchte einmal den Priester vor den Kopf stoßen, dies unverstandene,
schnelle Ableiern der Gebetsformulare, dem man eS anhört, daß die Priester
das Werk nur so schnell wie möglich abmachen möchten, dies Ab- und Zugehen
der Gemeindemitglieder, wenn es solche sind, und wenn überhaupt der Charakter
^ner gesammelten Gemeinde zum Ausdruck kommt, dies Dazwischendurchlausen
d^ Fremden mit dem rothen Bädeker in der Hand, dies Schwatzen deS
Touristen mit seinem Führer -- 1)as alles fand ich in den besten östreichischen
Kirchen wieder Fast den ganzen Tag über findet Gottesdienst statt, und
d"du ist auch vie katholische Bevölkerung an keine gottesdienstliche Concen-
iration gewöhnt, wie dies bei der evangelischen der Fall ist, und der äußeren
^"Ncentration entspricht die innere. Ich will nur noch einen einzelnen Fall
^führen. In Venedig besuchte ich am 16. August unter anderem die Kirche
^- Giovanni e Paolo, wo eben ein Dominicanermönch, welcher vor kurzem
Zum Patriarchen von Venedig designirt worden war, mit kleinen Knaben und
Mädchen katechisirte. Der Mann sprach mit Feuer und entsprechenden leb-


und der Dr^i nicht so ganz seine Nichtigkeit haben sollte, so hat doch das
Ganze einen ungeheuern Werth. Man sieht also, die katholische Kirche in
Oestreich gebietet über große Reichthümer, und diese Kirche ist communistisch,
d. h. die eine Kirche hilft der andern aus. Vielleicht wird sie künftig einmal
dem Staate aushelfen müssen.

Treten wir in das Innere der katholischen Gotteshäuser ein. Vergleiche
ich dieses mit dem Innern der französischen und belgischen Kirchen, so vermag
ich wenig Unterschiede aufzufinden. Doch ist mir ein Contrast aufgefallen.
Während die französischen und belgischen Dome von Gold und weißem,
blendendem Marmor strotzen, z. B. Notre Dame de Paris, kann ich dasselbe
von den östreichischen nicht sagen. Diese letzteren bieten weit mehr ein
düsteres Bild, vielleicht zum Beweise, daß der östreichische Volkscharakter nicht
das Helle, Heitre, Durchsichtige, Leichte, aber auch nicht das Leichtsinnige
des französischen hat. Dagegen weisen die östreichischen Kirchen meist eine
reiche Fülle von Gemälden, Holzschnitzwerken, Grabmälern und anderen
monumentalen Arbeiten auf, worunter freilich eine Menge werthloser Sachen
sind, welche oft nur dazu dienen, leere Wände zu tapezircn. Doch hängt
z- B. ein den ungeheuren Pfeilern des Mailänder Domes kein einziges Bild,
vielleicht um ihren stolzen Himmelsflug nicht zu unterbrechen. Fühlt man
sich als Evangelischer durch viele Kunstwerke angezogen, so fühlt man sich
hinwiederum durch viele Erscheinungen im Gottesdienste abgestoßen. Man
wöchte da oft sich sammeln, und könnte recht wohl dabei den confessionellen
Unterschied auf ein Stündchen vergessen; aber dieses Geklingel, dieses
unaufhörliche Knien bald dort bald da, dies Mantelumhängen und Mantel¬
abnehmen, dies Nauchkesselschwingen, wobei man fast in Angst geräth, der
Junge möchte einmal den Priester vor den Kopf stoßen, dies unverstandene,
schnelle Ableiern der Gebetsformulare, dem man eS anhört, daß die Priester
das Werk nur so schnell wie möglich abmachen möchten, dies Ab- und Zugehen
der Gemeindemitglieder, wenn es solche sind, und wenn überhaupt der Charakter
^ner gesammelten Gemeinde zum Ausdruck kommt, dies Dazwischendurchlausen
d^ Fremden mit dem rothen Bädeker in der Hand, dies Schwatzen deS
Touristen mit seinem Führer — 1)as alles fand ich in den besten östreichischen
Kirchen wieder Fast den ganzen Tag über findet Gottesdienst statt, und
d"du ist auch vie katholische Bevölkerung an keine gottesdienstliche Concen-
iration gewöhnt, wie dies bei der evangelischen der Fall ist, und der äußeren
^"Ncentration entspricht die innere. Ich will nur noch einen einzelnen Fall
^führen. In Venedig besuchte ich am 16. August unter anderem die Kirche
^- Giovanni e Paolo, wo eben ein Dominicanermönch, welcher vor kurzem
Zum Patriarchen von Venedig designirt worden war, mit kleinen Knaben und
Mädchen katechisirte. Der Mann sprach mit Feuer und entsprechenden leb-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/263>, abgerufen am 23.07.2024.