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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Wesen des jetzigen Katholicismus in Oestreich zu analysiren; sie halten sich
davon so weit wie möglich fern, um die Klippen der allgemeinen Phraseologie
zu vermeiden. Ich will nur schildern, was ich in dieser Beziehung auf meinen
Kreuzfahrten in Oestreich gesehen und gehört habe.

Sichtbar für den Reisenden sind zunächst vie religiösen Bauwerke,
die Kirchen, Kapellen, Klöster, Stifter u. s. w. und in der That, den Ruhm
muß man der katholischen Kirche, auch in Oestreich, lassen, daß sie schöne
uno viele Kirchen zu erhalten und zu bauen weiß. Eine Kirche muß
Kirchen haben. Freilich, wils man in den evangelischen Ländern sieht, daS
sieht man auch in Oestreich: je älter die Städte sind, desto mehr Kirchen, Klöster,
Kapellen u. s. w. haben sie; je kleiner eine Ortschaft ist, desto mehr Gotteshäuser
kommen im Vergleich mit den größeren auf die Einwohnerschaft. Oestreich
besitzt die herrlichste Kirche der Welt, den Dom zu Mailand, dieses kolossale,
fertige, bis inS kleinste Detail ausgearbeitete Bauwerk aus weißem Marmor
inwendig und auswendig. Ein Bauwerk und Dach fast wie Schnitzwerk!
Man wird in katholischen Ländern durch die vielen Kirchen -leicht übersättigt;
aber an dem Mailänder Dome konnte ich mich nicht satt sehen. Hat Wien
neben seinem mächtigen, aber düsteren Dome verhältnißmäßig wenig Gottes¬
häuser, -so drängt sich dagegen in Prag, Venedig, Padua Tempel an Tempel,
freilich zu Venedig vielfach in solchen Exemplaren, welche den Charakter der
ganzen Stadt tragen, in dem Sterbekleide einer halben Ruine, wovon unter
andern gerade die Markuskirche ein Beweis ist. Der Kirchenreichthum stellt
sich aber besonders in den ländlichen Districten dar. Wo nur immer einige
Häuser zu einer Ansiedlung beisammenstehen, da steht auch eine Kirche oder
eine Kapelle unter oder bei ihnen. Und wenn auch die Menschenhäuser noch
so armselig aussehen, das Gotteshaus zeigt sich in einem behäbigen, heiteren
Gewände. Wie so gar verfallen fand ich im Veltlin die Häuser der Menschen,
welche zur Hälfte aus Cretins bestehen, und wie so stattlich, also äußerlich ge¬
sund, standen doch die zahlreichen Kirchen und Kapellen da! Darf man einen
Schluß von dem Aeußeren auf das Innere machen, so beweist der Reichthum
an Kirchen den Reichthum der Kirche, wenigstens der jährlichen Opfer, welche
man ihr bringt.

Auch der Reichthum vieler Klöster und Stifter in Oestreich ist sprich¬
wörtlich geworden. Ich erinnere nur an das Prämonstratenserstift Strahow
und das Capuzinerkloster in Prag, an daS Augustiner- Chorherrenstift Kloster¬
neuburg bei Wien mit seinem ungeheuren Landbesitz, an die prächtige Bene-
dictinernabtei Meil an der Donau. In dem "Schatz" bei der Lorettokapelle
zu Prag wurde mir neben einer ungeheuern Menge anderer Kostbarkeiten eine
Monstranz gezeigt, deren 6666 Diamanten mit dem edlen Metall einen Werth
von 3 Mill. Gulden haben sollen. Auch wenn es mit diesen vier Sechse"


Wesen des jetzigen Katholicismus in Oestreich zu analysiren; sie halten sich
davon so weit wie möglich fern, um die Klippen der allgemeinen Phraseologie
zu vermeiden. Ich will nur schildern, was ich in dieser Beziehung auf meinen
Kreuzfahrten in Oestreich gesehen und gehört habe.

Sichtbar für den Reisenden sind zunächst vie religiösen Bauwerke,
die Kirchen, Kapellen, Klöster, Stifter u. s. w. und in der That, den Ruhm
muß man der katholischen Kirche, auch in Oestreich, lassen, daß sie schöne
uno viele Kirchen zu erhalten und zu bauen weiß. Eine Kirche muß
Kirchen haben. Freilich, wils man in den evangelischen Ländern sieht, daS
sieht man auch in Oestreich: je älter die Städte sind, desto mehr Kirchen, Klöster,
Kapellen u. s. w. haben sie; je kleiner eine Ortschaft ist, desto mehr Gotteshäuser
kommen im Vergleich mit den größeren auf die Einwohnerschaft. Oestreich
besitzt die herrlichste Kirche der Welt, den Dom zu Mailand, dieses kolossale,
fertige, bis inS kleinste Detail ausgearbeitete Bauwerk aus weißem Marmor
inwendig und auswendig. Ein Bauwerk und Dach fast wie Schnitzwerk!
Man wird in katholischen Ländern durch die vielen Kirchen -leicht übersättigt;
aber an dem Mailänder Dome konnte ich mich nicht satt sehen. Hat Wien
neben seinem mächtigen, aber düsteren Dome verhältnißmäßig wenig Gottes¬
häuser, -so drängt sich dagegen in Prag, Venedig, Padua Tempel an Tempel,
freilich zu Venedig vielfach in solchen Exemplaren, welche den Charakter der
ganzen Stadt tragen, in dem Sterbekleide einer halben Ruine, wovon unter
andern gerade die Markuskirche ein Beweis ist. Der Kirchenreichthum stellt
sich aber besonders in den ländlichen Districten dar. Wo nur immer einige
Häuser zu einer Ansiedlung beisammenstehen, da steht auch eine Kirche oder
eine Kapelle unter oder bei ihnen. Und wenn auch die Menschenhäuser noch
so armselig aussehen, das Gotteshaus zeigt sich in einem behäbigen, heiteren
Gewände. Wie so gar verfallen fand ich im Veltlin die Häuser der Menschen,
welche zur Hälfte aus Cretins bestehen, und wie so stattlich, also äußerlich ge¬
sund, standen doch die zahlreichen Kirchen und Kapellen da! Darf man einen
Schluß von dem Aeußeren auf das Innere machen, so beweist der Reichthum
an Kirchen den Reichthum der Kirche, wenigstens der jährlichen Opfer, welche
man ihr bringt.

Auch der Reichthum vieler Klöster und Stifter in Oestreich ist sprich¬
wörtlich geworden. Ich erinnere nur an das Prämonstratenserstift Strahow
und das Capuzinerkloster in Prag, an daS Augustiner- Chorherrenstift Kloster¬
neuburg bei Wien mit seinem ungeheuren Landbesitz, an die prächtige Bene-
dictinernabtei Meil an der Donau. In dem „Schatz" bei der Lorettokapelle
zu Prag wurde mir neben einer ungeheuern Menge anderer Kostbarkeiten eine
Monstranz gezeigt, deren 6666 Diamanten mit dem edlen Metall einen Werth
von 3 Mill. Gulden haben sollen. Auch wenn es mit diesen vier Sechse»


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[0262] Wesen des jetzigen Katholicismus in Oestreich zu analysiren; sie halten sich davon so weit wie möglich fern, um die Klippen der allgemeinen Phraseologie zu vermeiden. Ich will nur schildern, was ich in dieser Beziehung auf meinen Kreuzfahrten in Oestreich gesehen und gehört habe. Sichtbar für den Reisenden sind zunächst vie religiösen Bauwerke, die Kirchen, Kapellen, Klöster, Stifter u. s. w. und in der That, den Ruhm muß man der katholischen Kirche, auch in Oestreich, lassen, daß sie schöne uno viele Kirchen zu erhalten und zu bauen weiß. Eine Kirche muß Kirchen haben. Freilich, wils man in den evangelischen Ländern sieht, daS sieht man auch in Oestreich: je älter die Städte sind, desto mehr Kirchen, Klöster, Kapellen u. s. w. haben sie; je kleiner eine Ortschaft ist, desto mehr Gotteshäuser kommen im Vergleich mit den größeren auf die Einwohnerschaft. Oestreich besitzt die herrlichste Kirche der Welt, den Dom zu Mailand, dieses kolossale, fertige, bis inS kleinste Detail ausgearbeitete Bauwerk aus weißem Marmor inwendig und auswendig. Ein Bauwerk und Dach fast wie Schnitzwerk! Man wird in katholischen Ländern durch die vielen Kirchen -leicht übersättigt; aber an dem Mailänder Dome konnte ich mich nicht satt sehen. Hat Wien neben seinem mächtigen, aber düsteren Dome verhältnißmäßig wenig Gottes¬ häuser, -so drängt sich dagegen in Prag, Venedig, Padua Tempel an Tempel, freilich zu Venedig vielfach in solchen Exemplaren, welche den Charakter der ganzen Stadt tragen, in dem Sterbekleide einer halben Ruine, wovon unter andern gerade die Markuskirche ein Beweis ist. Der Kirchenreichthum stellt sich aber besonders in den ländlichen Districten dar. Wo nur immer einige Häuser zu einer Ansiedlung beisammenstehen, da steht auch eine Kirche oder eine Kapelle unter oder bei ihnen. Und wenn auch die Menschenhäuser noch so armselig aussehen, das Gotteshaus zeigt sich in einem behäbigen, heiteren Gewände. Wie so gar verfallen fand ich im Veltlin die Häuser der Menschen, welche zur Hälfte aus Cretins bestehen, und wie so stattlich, also äußerlich ge¬ sund, standen doch die zahlreichen Kirchen und Kapellen da! Darf man einen Schluß von dem Aeußeren auf das Innere machen, so beweist der Reichthum an Kirchen den Reichthum der Kirche, wenigstens der jährlichen Opfer, welche man ihr bringt. Auch der Reichthum vieler Klöster und Stifter in Oestreich ist sprich¬ wörtlich geworden. Ich erinnere nur an das Prämonstratenserstift Strahow und das Capuzinerkloster in Prag, an daS Augustiner- Chorherrenstift Kloster¬ neuburg bei Wien mit seinem ungeheuren Landbesitz, an die prächtige Bene- dictinernabtei Meil an der Donau. In dem „Schatz" bei der Lorettokapelle zu Prag wurde mir neben einer ungeheuern Menge anderer Kostbarkeiten eine Monstranz gezeigt, deren 6666 Diamanten mit dem edlen Metall einen Werth von 3 Mill. Gulden haben sollen. Auch wenn es mit diesen vier Sechse»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/262>, abgerufen am 23.07.2024.