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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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nur auf Klagen beschränkt; da bricht der große orientalische Krieg aus, Kon¬
stantinopel wird zum Mittelpunkte aller Operationen; große Hospitäler erhe¬
ben sich innerhalb seiner Mauern, und die bewährtesten Aerzte der gebildeten
Völker eilen herbei, um die Leiden, welche stets im Gefolge eines Krieges sind,
zu lindern. Schon seit einiger Zeit hatten sich mehre tüchtige Aerzte in Kon¬
stantinopel niedergelassen; nun kamen alle die neuen Elemente hinzu und der
günstigste Augenblick für die Gründung eines solchen Vereins war gekommen'.
Dr. Pincoffs, ein englischer Militärarzt, ergriff den Gedanken uib großer Be¬
geisterung. Er sparte keine Arbeit, er achtete keines Widerspruchs, von keinem
Hindernisse ließ er sich abschrecken. Nach sechs Monaten angestrengter Thä¬
tigkeit erreichte er sein Ziel. Am 15. Februar 1856 constituirte sich der Ver¬
ein. Man erkannte, daß eine solche Gesellschaft nicht allein das so tief ge¬
sunkene Ansehen der Aerzte wieder heben könne, sondern auch dem Staate von
großem Nutzen sein werde. Sie zog sehr bald die Aufmerksamkeit der Regie¬
rung auf sich, und es wurde ihr gestattet, sich soeletk iiupörwlö ne irwäLomö
c>L conswnlinoM zu nennen. Die Regierung nahm sie unter ihren Schutz,
und eine bedeutende Ausstattung mit Geldmitteln war gewissermaßen die ma¬
terielle Bestätigung ihrer Versprechungen. Trotz der verschiedenen Elemente,
welche der Verein enthält, hat er seine Lebensfähigkeit bei den verschiedensten
Anlässen bewiesen. Zuerst bestand er aus den in Konstantinopel seßhaften
Aerzten und den Militärärzten, welche der Krieg dort zusammengebracht, und
obwol die verschiedensten Nationalitäten und Schulen vertreten waren, haben
die Arbeiten keinen Augenblick darunter gelitten. Ebensowenig trat eine Un¬
terbrechung ein, als nach Beendigung deö Krieges die Militärärzte Konstan¬
tinopel verlassen mußten. Vielmehr hat der Verein beständig an Kraft zu¬
genommen, so daß er an seinem Jahrestag, am 15. Februar 1857, beschließen
konnte, ein eignes Organ herauszugeben. Bereits ist die Z^Leto in66iLalö
ü'0ri"züi, seit Ostern in sechs monatlichen Heften von zwei Bogen erschienen. Den
Inhalt bilden vorzugsweise Aufsätze der Mitglieder über die einheimischen
Krankheiten, Berichte über die Sitzungen und über die neuesten Entdeckungen
so wie ein Tagesbericht über die in das Gebiet der Medicin gehörenden Vor¬
fälle im Reiche. Gegenwärtig zählt der Verein 70 Mitglieder, unter ihnen
viele Griechen und einige Türken. Deutschland ist weniger zahlreich vertreten.

Die Wirksamkeit des Vereins ist aber nicht lediglich auf wissenschaftliche Arbei¬
ten beschränkt geblieben, vor allen Dingen lenkte er seine Blicke auf die öffent¬
liche Gesundheitspflege, und hat die Aufmerksamkeit der Regierung schon auf
viele Punkte hingeleitet. Konstantinopel war früher reich an Fürsorge für die
öffentliche Gesundheitspflege gewesen, Brunnen, Hospitäler, Bäder und der¬
gleichen entstanden unter dem Schutze der Moscheen durch reiche Privat¬
schenkungen, und die Negierung unterstützte die Privatleute in ihren Bestre-


nur auf Klagen beschränkt; da bricht der große orientalische Krieg aus, Kon¬
stantinopel wird zum Mittelpunkte aller Operationen; große Hospitäler erhe¬
ben sich innerhalb seiner Mauern, und die bewährtesten Aerzte der gebildeten
Völker eilen herbei, um die Leiden, welche stets im Gefolge eines Krieges sind,
zu lindern. Schon seit einiger Zeit hatten sich mehre tüchtige Aerzte in Kon¬
stantinopel niedergelassen; nun kamen alle die neuen Elemente hinzu und der
günstigste Augenblick für die Gründung eines solchen Vereins war gekommen'.
Dr. Pincoffs, ein englischer Militärarzt, ergriff den Gedanken uib großer Be¬
geisterung. Er sparte keine Arbeit, er achtete keines Widerspruchs, von keinem
Hindernisse ließ er sich abschrecken. Nach sechs Monaten angestrengter Thä¬
tigkeit erreichte er sein Ziel. Am 15. Februar 1856 constituirte sich der Ver¬
ein. Man erkannte, daß eine solche Gesellschaft nicht allein das so tief ge¬
sunkene Ansehen der Aerzte wieder heben könne, sondern auch dem Staate von
großem Nutzen sein werde. Sie zog sehr bald die Aufmerksamkeit der Regie¬
rung auf sich, und es wurde ihr gestattet, sich soeletk iiupörwlö ne irwäLomö
c>L conswnlinoM zu nennen. Die Regierung nahm sie unter ihren Schutz,
und eine bedeutende Ausstattung mit Geldmitteln war gewissermaßen die ma¬
terielle Bestätigung ihrer Versprechungen. Trotz der verschiedenen Elemente,
welche der Verein enthält, hat er seine Lebensfähigkeit bei den verschiedensten
Anlässen bewiesen. Zuerst bestand er aus den in Konstantinopel seßhaften
Aerzten und den Militärärzten, welche der Krieg dort zusammengebracht, und
obwol die verschiedensten Nationalitäten und Schulen vertreten waren, haben
die Arbeiten keinen Augenblick darunter gelitten. Ebensowenig trat eine Un¬
terbrechung ein, als nach Beendigung deö Krieges die Militärärzte Konstan¬
tinopel verlassen mußten. Vielmehr hat der Verein beständig an Kraft zu¬
genommen, so daß er an seinem Jahrestag, am 15. Februar 1857, beschließen
konnte, ein eignes Organ herauszugeben. Bereits ist die Z^Leto in66iLalö
ü'0ri«züi, seit Ostern in sechs monatlichen Heften von zwei Bogen erschienen. Den
Inhalt bilden vorzugsweise Aufsätze der Mitglieder über die einheimischen
Krankheiten, Berichte über die Sitzungen und über die neuesten Entdeckungen
so wie ein Tagesbericht über die in das Gebiet der Medicin gehörenden Vor¬
fälle im Reiche. Gegenwärtig zählt der Verein 70 Mitglieder, unter ihnen
viele Griechen und einige Türken. Deutschland ist weniger zahlreich vertreten.

Die Wirksamkeit des Vereins ist aber nicht lediglich auf wissenschaftliche Arbei¬
ten beschränkt geblieben, vor allen Dingen lenkte er seine Blicke auf die öffent¬
liche Gesundheitspflege, und hat die Aufmerksamkeit der Regierung schon auf
viele Punkte hingeleitet. Konstantinopel war früher reich an Fürsorge für die
öffentliche Gesundheitspflege gewesen, Brunnen, Hospitäler, Bäder und der¬
gleichen entstanden unter dem Schutze der Moscheen durch reiche Privat¬
schenkungen, und die Negierung unterstützte die Privatleute in ihren Bestre-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/239>, abgerufen am 23.07.2024.