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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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lische Bankwesen; denn es erfordert meist ein eignes Studium und eine ge¬
nauere Kenntniß des englischen Nechtswesens, um Parlamentsacten auch nur
lesen zu können.

Der Vf. beginnt mit einem Abschnitt: "Naturgemäße Wirkungssphäre der
Aktiengesellschaften", indem er mit großer Schärfe auf den hier allein ma߬
gebenden Grundsatz, den nämlich, daß eine solche Gesellschaft ein festes, im
Woraus bestimmtes Ziel vor Augen haben soll, im Gegensatz zu den soge¬
nannten Creditgesellschaften, die ihren Zweck immer erst aufsuchen wollen, auf¬
merksam macht. , Der zweite Abschnitt: "Historischer Umriß der Gesetzgebung
Englands in dieser Materie" ist besonders darum interessant, weil er das
allmälige Anwachsen der englischen Gesetzgebung aus diesem Felde zeigt. Es
ist nämlich ein Irrthum, wenn man meint, das englische Princip der Selbst¬
verwaltung sei stets consequent gewahrt worden. Es hat hier wie auf
sonstigen Gebieten des englischen Rechtslebens die völligste Systemlosigkeit vor¬
gewaltet, indem man das eine Mal den freiesten Spielraum ließ, das andere
Mal dagegen, dnrch irgend eine äußere Veranlassung getrieben, Gesetze gab,
denen man es in der Regel ansah, daß sie zunächst nur für einen einzelnen
Fall berechnet waren. Der Anfang der englischen Gesetzgebung über das
Actienwesen war die sogenannte Bubbleacte vom I. 1719, wo damals der
Südseeschwindel grassirt und zu den wahnwitzigsten Actienunternehmungen ge¬
führt hatte; sie beschränkte sich aber vornehmlich darauf, Projekten dieser Art
den corporativen Charakter, den sie sich vielfach angemaßt hatten, abzuerkennen
und den Handel mit Actien ohne vorgängig für die Gesellschaft erwirkte Er¬
laubniß dazu für ungesetzlich zu erklären. Diese Acte galt bis zum I. 1823,
als sie beim Ausbruch einer neuen Schwindelzeit mehr, das wirkliche als daS
Welt^Schaft zu erschweren schien. Erst Sir R. Peel brachte eine neue Gesetz¬
gebung zu Wege, zunächst zur Unterstützung seiner Bankreform vom I. 184L,
aber auf alle Actiengesellschaften ausgedehnt. Diese in einem spätern Ab¬
schnitt (S. 78 ff.) im Auszug mitgetheilte Acte setzt für die verschiedenen Arten
von Banken eine Menge Bedingungen, Zweck, Errichtung und Wetterführung
der Geschäfte (für eigentliche Banken mindestens 100,000 Pf. Se. Grund¬
capital, volle Zeichnung und zum wenigsten Ausbezahlung zur Hälfte der
nicht unter 100 Pf. Se. auszustellenden Actien u. s. w.) und selbst eine Prü¬
fung und Genehmigung des Plans durch das HandelSamt fest. Ersetzt wurde
diese Acte durch die im dritten Abschnitt behandelte "Joint-Stock-Companies-
Acte vom 14. Juli 1856", welche das ein Jahr vorher in England eingeführte
Princip der beschränkten Haftbarkeit in England weiter regelte. Es ist hier
nicht der Ort, diesen vielfach verhandelten Gegenstand genauer zu erörtern;
wir wollen jedoch offen gestehen, daß wir durchaus nicht zu den Verehrern
dieser beschränkten Haftbarkeit gehören, da sie unsers Erachtens nach eine Un-


lische Bankwesen; denn es erfordert meist ein eignes Studium und eine ge¬
nauere Kenntniß des englischen Nechtswesens, um Parlamentsacten auch nur
lesen zu können.

Der Vf. beginnt mit einem Abschnitt: „Naturgemäße Wirkungssphäre der
Aktiengesellschaften", indem er mit großer Schärfe auf den hier allein ma߬
gebenden Grundsatz, den nämlich, daß eine solche Gesellschaft ein festes, im
Woraus bestimmtes Ziel vor Augen haben soll, im Gegensatz zu den soge¬
nannten Creditgesellschaften, die ihren Zweck immer erst aufsuchen wollen, auf¬
merksam macht. , Der zweite Abschnitt: „Historischer Umriß der Gesetzgebung
Englands in dieser Materie" ist besonders darum interessant, weil er das
allmälige Anwachsen der englischen Gesetzgebung aus diesem Felde zeigt. Es
ist nämlich ein Irrthum, wenn man meint, das englische Princip der Selbst¬
verwaltung sei stets consequent gewahrt worden. Es hat hier wie auf
sonstigen Gebieten des englischen Rechtslebens die völligste Systemlosigkeit vor¬
gewaltet, indem man das eine Mal den freiesten Spielraum ließ, das andere
Mal dagegen, dnrch irgend eine äußere Veranlassung getrieben, Gesetze gab,
denen man es in der Regel ansah, daß sie zunächst nur für einen einzelnen
Fall berechnet waren. Der Anfang der englischen Gesetzgebung über das
Actienwesen war die sogenannte Bubbleacte vom I. 1719, wo damals der
Südseeschwindel grassirt und zu den wahnwitzigsten Actienunternehmungen ge¬
führt hatte; sie beschränkte sich aber vornehmlich darauf, Projekten dieser Art
den corporativen Charakter, den sie sich vielfach angemaßt hatten, abzuerkennen
und den Handel mit Actien ohne vorgängig für die Gesellschaft erwirkte Er¬
laubniß dazu für ungesetzlich zu erklären. Diese Acte galt bis zum I. 1823,
als sie beim Ausbruch einer neuen Schwindelzeit mehr, das wirkliche als daS
Welt^Schaft zu erschweren schien. Erst Sir R. Peel brachte eine neue Gesetz¬
gebung zu Wege, zunächst zur Unterstützung seiner Bankreform vom I. 184L,
aber auf alle Actiengesellschaften ausgedehnt. Diese in einem spätern Ab¬
schnitt (S. 78 ff.) im Auszug mitgetheilte Acte setzt für die verschiedenen Arten
von Banken eine Menge Bedingungen, Zweck, Errichtung und Wetterführung
der Geschäfte (für eigentliche Banken mindestens 100,000 Pf. Se. Grund¬
capital, volle Zeichnung und zum wenigsten Ausbezahlung zur Hälfte der
nicht unter 100 Pf. Se. auszustellenden Actien u. s. w.) und selbst eine Prü¬
fung und Genehmigung des Plans durch das HandelSamt fest. Ersetzt wurde
diese Acte durch die im dritten Abschnitt behandelte „Joint-Stock-Companies-
Acte vom 14. Juli 1856", welche das ein Jahr vorher in England eingeführte
Princip der beschränkten Haftbarkeit in England weiter regelte. Es ist hier
nicht der Ort, diesen vielfach verhandelten Gegenstand genauer zu erörtern;
wir wollen jedoch offen gestehen, daß wir durchaus nicht zu den Verehrern
dieser beschränkten Haftbarkeit gehören, da sie unsers Erachtens nach eine Un-


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[0023] lische Bankwesen; denn es erfordert meist ein eignes Studium und eine ge¬ nauere Kenntniß des englischen Nechtswesens, um Parlamentsacten auch nur lesen zu können. Der Vf. beginnt mit einem Abschnitt: „Naturgemäße Wirkungssphäre der Aktiengesellschaften", indem er mit großer Schärfe auf den hier allein ma߬ gebenden Grundsatz, den nämlich, daß eine solche Gesellschaft ein festes, im Woraus bestimmtes Ziel vor Augen haben soll, im Gegensatz zu den soge¬ nannten Creditgesellschaften, die ihren Zweck immer erst aufsuchen wollen, auf¬ merksam macht. , Der zweite Abschnitt: „Historischer Umriß der Gesetzgebung Englands in dieser Materie" ist besonders darum interessant, weil er das allmälige Anwachsen der englischen Gesetzgebung aus diesem Felde zeigt. Es ist nämlich ein Irrthum, wenn man meint, das englische Princip der Selbst¬ verwaltung sei stets consequent gewahrt worden. Es hat hier wie auf sonstigen Gebieten des englischen Rechtslebens die völligste Systemlosigkeit vor¬ gewaltet, indem man das eine Mal den freiesten Spielraum ließ, das andere Mal dagegen, dnrch irgend eine äußere Veranlassung getrieben, Gesetze gab, denen man es in der Regel ansah, daß sie zunächst nur für einen einzelnen Fall berechnet waren. Der Anfang der englischen Gesetzgebung über das Actienwesen war die sogenannte Bubbleacte vom I. 1719, wo damals der Südseeschwindel grassirt und zu den wahnwitzigsten Actienunternehmungen ge¬ führt hatte; sie beschränkte sich aber vornehmlich darauf, Projekten dieser Art den corporativen Charakter, den sie sich vielfach angemaßt hatten, abzuerkennen und den Handel mit Actien ohne vorgängig für die Gesellschaft erwirkte Er¬ laubniß dazu für ungesetzlich zu erklären. Diese Acte galt bis zum I. 1823, als sie beim Ausbruch einer neuen Schwindelzeit mehr, das wirkliche als daS Welt^Schaft zu erschweren schien. Erst Sir R. Peel brachte eine neue Gesetz¬ gebung zu Wege, zunächst zur Unterstützung seiner Bankreform vom I. 184L, aber auf alle Actiengesellschaften ausgedehnt. Diese in einem spätern Ab¬ schnitt (S. 78 ff.) im Auszug mitgetheilte Acte setzt für die verschiedenen Arten von Banken eine Menge Bedingungen, Zweck, Errichtung und Wetterführung der Geschäfte (für eigentliche Banken mindestens 100,000 Pf. Se. Grund¬ capital, volle Zeichnung und zum wenigsten Ausbezahlung zur Hälfte der nicht unter 100 Pf. Se. auszustellenden Actien u. s. w.) und selbst eine Prü¬ fung und Genehmigung des Plans durch das HandelSamt fest. Ersetzt wurde diese Acte durch die im dritten Abschnitt behandelte „Joint-Stock-Companies- Acte vom 14. Juli 1856", welche das ein Jahr vorher in England eingeführte Princip der beschränkten Haftbarkeit in England weiter regelte. Es ist hier nicht der Ort, diesen vielfach verhandelten Gegenstand genauer zu erörtern; wir wollen jedoch offen gestehen, daß wir durchaus nicht zu den Verehrern dieser beschränkten Haftbarkeit gehören, da sie unsers Erachtens nach eine Un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/23>, abgerufen am 23.07.2024.