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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Ansatz unterhalb versehen und wie diese auch nur in festen Positionen zu
gebrauchen.

Die Handrohre thaten nur geringe Wirkung. Es ward nach einem
Gewehre größeren Kalibers gesucht, welches indessen ohne den Haken, also
im freien Felde, zu gebrauchen wäre. Man fand diese Waffe in dem soge¬
nannten Petrinal oder der Brustbüchse. Diese wurde sowol von Infanterie
als von Cavalerie gebraucht; der Kolben war geißfußartig ausgeschnitten
und ward mit diesem Ausschnitt bei der Cavalerie auf den Sattel, bei der
Infanterie gegen die rechte Brust gestemmt. Der heftige Rückstoß machte aber
dabei nothwendig, daß der Schütze wenigstens einen Brustharnisch trug. Die
Petrinals der Reiterei waren etiva 2'/" Fuß lang, diejenigen deS Fußvolkes
4 Fuß und letztere 13 bis 16 Pfund schwer, wobei sie 12, auch 10 Kugeln
aufs Pfund schössen. Diese Waffe kam nie in allgemeinen Gebrauch und
warb, wie man sich denken kann, sehr bald gänzlich wieder verdrängt; wir
finden aber doch noch eine Erinnerung an sie im Jahre 1360 und später,
zu welcher Zeit sie noch bei den BandoulierS, auch PelrinatS genannt, im
Gebrauche waren, Pvrenäcnbewohnern, welche während der französischen
Religionskriege auf dem Kriegstheater der Gascogne im Dienste sowol der
protestantischen als der katholischen Partei mehrfach erwähnt werden.

Die Zündung der Ladung aller dieser Handfeuerwaffen geschah
mittelst des Luntenschlosseö, welches schon zu Ende des 1i. Jahrhunderts
erfunden und im Gebrauch war. Das Luntenschloß (Serpentin) besteht in
e-mein drehbaren Hahn, in dessen Maul ein Stück Lunte geklemmt wird; nach¬
dem dasselbe am einen Ende angezündet und das Zündloch aufgedeckt ist,
wird durch einen Druck am Abzüge die brennende Lunte auf das Zündloch
gebracht. Die Nachtheile deS Luntenschlosses machten sich bald fühlbar:
die Nothwendigkeit, stets brennende Lunte mitzuführen, die bösen Zufälle,
welche dadurch veranlaßt werden konnten, der Umstand, daß geheime Unter¬
nehmungen zur Nachtzeit dadurch fast unmöglich gemacht wurden, der nicht
abzuwendende Einfluß des Regens.

Um diesen Nachtheilen abzuhelfen, erfand man daS Radschloß (platine "
rouet). ES erblickte zu Nürnberg, wahrscheinlich schon im Jahre 1317, daS Licht
der Welt. Es bestand in einem durch eine Feder gespannten Rade, welches
durch den Abzug in eine rasch drehende Bewegung versetzt wird und dabei
gegen eine Stahlplatte schlägt, von dieser glühende Theilchen abreißt, die nun
auf die Pfanne fallen und so die Ladung entzünden. Der Mechanismus schien
aber allzu complicirt, als daß diese neue Erfindung zu einer allgemeinen Ein¬
führung hätte gelangen können. DaS Nadschloß ward nur bei LuruSwaffen,
theilweise bei der Reiterei und bei den PistolierS des Fußvolkes eingeführt;
das Luntenschloß behauptete sich nicht blos das ganze 16. Jahrhundert hin-


Ansatz unterhalb versehen und wie diese auch nur in festen Positionen zu
gebrauchen.

Die Handrohre thaten nur geringe Wirkung. Es ward nach einem
Gewehre größeren Kalibers gesucht, welches indessen ohne den Haken, also
im freien Felde, zu gebrauchen wäre. Man fand diese Waffe in dem soge¬
nannten Petrinal oder der Brustbüchse. Diese wurde sowol von Infanterie
als von Cavalerie gebraucht; der Kolben war geißfußartig ausgeschnitten
und ward mit diesem Ausschnitt bei der Cavalerie auf den Sattel, bei der
Infanterie gegen die rechte Brust gestemmt. Der heftige Rückstoß machte aber
dabei nothwendig, daß der Schütze wenigstens einen Brustharnisch trug. Die
Petrinals der Reiterei waren etiva 2'/» Fuß lang, diejenigen deS Fußvolkes
4 Fuß und letztere 13 bis 16 Pfund schwer, wobei sie 12, auch 10 Kugeln
aufs Pfund schössen. Diese Waffe kam nie in allgemeinen Gebrauch und
warb, wie man sich denken kann, sehr bald gänzlich wieder verdrängt; wir
finden aber doch noch eine Erinnerung an sie im Jahre 1360 und später,
zu welcher Zeit sie noch bei den BandoulierS, auch PelrinatS genannt, im
Gebrauche waren, Pvrenäcnbewohnern, welche während der französischen
Religionskriege auf dem Kriegstheater der Gascogne im Dienste sowol der
protestantischen als der katholischen Partei mehrfach erwähnt werden.

Die Zündung der Ladung aller dieser Handfeuerwaffen geschah
mittelst des Luntenschlosseö, welches schon zu Ende des 1i. Jahrhunderts
erfunden und im Gebrauch war. Das Luntenschloß (Serpentin) besteht in
e-mein drehbaren Hahn, in dessen Maul ein Stück Lunte geklemmt wird; nach¬
dem dasselbe am einen Ende angezündet und das Zündloch aufgedeckt ist,
wird durch einen Druck am Abzüge die brennende Lunte auf das Zündloch
gebracht. Die Nachtheile deS Luntenschlosses machten sich bald fühlbar:
die Nothwendigkeit, stets brennende Lunte mitzuführen, die bösen Zufälle,
welche dadurch veranlaßt werden konnten, der Umstand, daß geheime Unter¬
nehmungen zur Nachtzeit dadurch fast unmöglich gemacht wurden, der nicht
abzuwendende Einfluß des Regens.

Um diesen Nachtheilen abzuhelfen, erfand man daS Radschloß (platine »
rouet). ES erblickte zu Nürnberg, wahrscheinlich schon im Jahre 1317, daS Licht
der Welt. Es bestand in einem durch eine Feder gespannten Rade, welches
durch den Abzug in eine rasch drehende Bewegung versetzt wird und dabei
gegen eine Stahlplatte schlägt, von dieser glühende Theilchen abreißt, die nun
auf die Pfanne fallen und so die Ladung entzünden. Der Mechanismus schien
aber allzu complicirt, als daß diese neue Erfindung zu einer allgemeinen Ein¬
führung hätte gelangen können. DaS Nadschloß ward nur bei LuruSwaffen,
theilweise bei der Reiterei und bei den PistolierS des Fußvolkes eingeführt;
das Luntenschloß behauptete sich nicht blos das ganze 16. Jahrhundert hin-


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[0198] Ansatz unterhalb versehen und wie diese auch nur in festen Positionen zu gebrauchen. Die Handrohre thaten nur geringe Wirkung. Es ward nach einem Gewehre größeren Kalibers gesucht, welches indessen ohne den Haken, also im freien Felde, zu gebrauchen wäre. Man fand diese Waffe in dem soge¬ nannten Petrinal oder der Brustbüchse. Diese wurde sowol von Infanterie als von Cavalerie gebraucht; der Kolben war geißfußartig ausgeschnitten und ward mit diesem Ausschnitt bei der Cavalerie auf den Sattel, bei der Infanterie gegen die rechte Brust gestemmt. Der heftige Rückstoß machte aber dabei nothwendig, daß der Schütze wenigstens einen Brustharnisch trug. Die Petrinals der Reiterei waren etiva 2'/» Fuß lang, diejenigen deS Fußvolkes 4 Fuß und letztere 13 bis 16 Pfund schwer, wobei sie 12, auch 10 Kugeln aufs Pfund schössen. Diese Waffe kam nie in allgemeinen Gebrauch und warb, wie man sich denken kann, sehr bald gänzlich wieder verdrängt; wir finden aber doch noch eine Erinnerung an sie im Jahre 1360 und später, zu welcher Zeit sie noch bei den BandoulierS, auch PelrinatS genannt, im Gebrauche waren, Pvrenäcnbewohnern, welche während der französischen Religionskriege auf dem Kriegstheater der Gascogne im Dienste sowol der protestantischen als der katholischen Partei mehrfach erwähnt werden. Die Zündung der Ladung aller dieser Handfeuerwaffen geschah mittelst des Luntenschlosseö, welches schon zu Ende des 1i. Jahrhunderts erfunden und im Gebrauch war. Das Luntenschloß (Serpentin) besteht in e-mein drehbaren Hahn, in dessen Maul ein Stück Lunte geklemmt wird; nach¬ dem dasselbe am einen Ende angezündet und das Zündloch aufgedeckt ist, wird durch einen Druck am Abzüge die brennende Lunte auf das Zündloch gebracht. Die Nachtheile deS Luntenschlosses machten sich bald fühlbar: die Nothwendigkeit, stets brennende Lunte mitzuführen, die bösen Zufälle, welche dadurch veranlaßt werden konnten, der Umstand, daß geheime Unter¬ nehmungen zur Nachtzeit dadurch fast unmöglich gemacht wurden, der nicht abzuwendende Einfluß des Regens. Um diesen Nachtheilen abzuhelfen, erfand man daS Radschloß (platine » rouet). ES erblickte zu Nürnberg, wahrscheinlich schon im Jahre 1317, daS Licht der Welt. Es bestand in einem durch eine Feder gespannten Rade, welches durch den Abzug in eine rasch drehende Bewegung versetzt wird und dabei gegen eine Stahlplatte schlägt, von dieser glühende Theilchen abreißt, die nun auf die Pfanne fallen und so die Ladung entzünden. Der Mechanismus schien aber allzu complicirt, als daß diese neue Erfindung zu einer allgemeinen Ein¬ führung hätte gelangen können. DaS Nadschloß ward nur bei LuruSwaffen, theilweise bei der Reiterei und bei den PistolierS des Fußvolkes eingeführt; das Luntenschloß behauptete sich nicht blos das ganze 16. Jahrhundert hin-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/198>, abgerufen am 23.07.2024.