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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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endliche gehen, sondern sie soll selbst nach der falschen Ansicht, daß ein Drittel
Baarvorrath zur Deckung der Zettel genüge, dies Drittel in Silber oder Gold
haben, und ist der Markt mit Zetteln überschwemmt, so wird sie für ihre fäl¬
ligen Wechsel von ihren Schuldnern auch nur ihre Noten, welche sie anneh¬
men muß, als Zahlung erhalten und keine Baarmünzen, kurz aus einer con-
scguentcn Fortführung dieser vermeintlichen Erleichterung der Geschäfte würde
schließlich eine lawsche Papierwirthschaft entstehen. Die Fürsprecher dieser
Politik sagen, dahin werde es nie kommen, Krisen seien, eben vorübergehend
und es handle sich nur darum, den augenblicklichen Verlegenheiten abzuhelfen,
die Finanzgeschichte aller Länder aber zeigt, daß dies nicht möglich, weil eS
eben im Wesen der Speculation liegt, nicht anzuhalten, bis die Umstände sie
dazu nöthigen. Kein finanzielles Institut ist stark und mächtig genug, um
gegen den Stand des Disconto kämpfen zu können, ja das größte, die eng¬
lische Bank folgt nicht nur allen seinen Schwankungen, sondern discontirt
durchschnittlich um eine Kleinigkeit höher, als Privatbanken und Bankiers,
welche mehr Mittel haben, sich genau über die Güte der Wechsel zu unter¬
richten, und eben dadurch im Stande sind, mit der sonst so übermächtigen
englischen Bank, zu concurriren. Wie stellen sich nun hierzu die Erfahrungen
bei der preußischen Bank? --

So lange die Verkehrsverhältnisse des Geldmarktes sich in engern Grenzen
hielten und bei ruhigen Zeiten war es ihr im Allgemeinen möglich, den Dis¬
conto auf einer mäßigen Hohe zu erhalten, dies geschah aber nicht durch starke
Notenemissionen, die bis 1856 begrenzt waren (durch die Bankordnung von
1856 auf 21 Mill. Thlr.), sondern weil der Geldmarkt es erlaubte; in den
Jahren 1817 24, wo derselbe bedrängt war, sah man den Disconto auf 7,
8 ja 10 Pet. steigen. Die Bank war damit, beiläufig gesagt, unter die Herr¬
schaft der Wuchergesetze gekommen, von der sie freilich 18is erimirt ist. Nach¬
dem nun 1856 die unbeschränkte Notenemission gewährt war, gab sie während
deö Sommers für 18 Mill. Thlr. neue Zettel aus, während sie doch von dem
StaatSpapiergeld erst eine geringe Menge, circa 3 Mill., eingezogen haben konnte.
Der ungeheure Aufschwung der Speculation nach dem Frieden ist bekannt, die
Folgen der Ueberanstrengung machten sich geltend, das Geld zur Einzahlung
auf die zahlreichen Actienunternehmungen ward knapp, der Disconto stieg
überall, die Bank wollte ihn niedrig erhalten. Bei dem Vortheil, den sie da¬
durch bot, ward sie natürlich in progressiv steigendem Maße in Anspruch ge¬
nommen, aber die Krisis nahm dadurch nicht ab, sondern wurde noch schwerer,
die Bank mußte den Verheißungen ihrer Verwaltung im ersten Halbjahre ein
Dementi geben und den Disconto erhöhen, und statt der für die Zeiten der
Noth verheißenen Liberalität trat, namentlich bei den Provin'^ialcomptoiren, die
größte Zurückhaltung ein. Das laufende Jahr scheint die Bank noch auf


endliche gehen, sondern sie soll selbst nach der falschen Ansicht, daß ein Drittel
Baarvorrath zur Deckung der Zettel genüge, dies Drittel in Silber oder Gold
haben, und ist der Markt mit Zetteln überschwemmt, so wird sie für ihre fäl¬
ligen Wechsel von ihren Schuldnern auch nur ihre Noten, welche sie anneh¬
men muß, als Zahlung erhalten und keine Baarmünzen, kurz aus einer con-
scguentcn Fortführung dieser vermeintlichen Erleichterung der Geschäfte würde
schließlich eine lawsche Papierwirthschaft entstehen. Die Fürsprecher dieser
Politik sagen, dahin werde es nie kommen, Krisen seien, eben vorübergehend
und es handle sich nur darum, den augenblicklichen Verlegenheiten abzuhelfen,
die Finanzgeschichte aller Länder aber zeigt, daß dies nicht möglich, weil eS
eben im Wesen der Speculation liegt, nicht anzuhalten, bis die Umstände sie
dazu nöthigen. Kein finanzielles Institut ist stark und mächtig genug, um
gegen den Stand des Disconto kämpfen zu können, ja das größte, die eng¬
lische Bank folgt nicht nur allen seinen Schwankungen, sondern discontirt
durchschnittlich um eine Kleinigkeit höher, als Privatbanken und Bankiers,
welche mehr Mittel haben, sich genau über die Güte der Wechsel zu unter¬
richten, und eben dadurch im Stande sind, mit der sonst so übermächtigen
englischen Bank, zu concurriren. Wie stellen sich nun hierzu die Erfahrungen
bei der preußischen Bank? —

So lange die Verkehrsverhältnisse des Geldmarktes sich in engern Grenzen
hielten und bei ruhigen Zeiten war es ihr im Allgemeinen möglich, den Dis¬
conto auf einer mäßigen Hohe zu erhalten, dies geschah aber nicht durch starke
Notenemissionen, die bis 1856 begrenzt waren (durch die Bankordnung von
1856 auf 21 Mill. Thlr.), sondern weil der Geldmarkt es erlaubte; in den
Jahren 1817 24, wo derselbe bedrängt war, sah man den Disconto auf 7,
8 ja 10 Pet. steigen. Die Bank war damit, beiläufig gesagt, unter die Herr¬
schaft der Wuchergesetze gekommen, von der sie freilich 18is erimirt ist. Nach¬
dem nun 1856 die unbeschränkte Notenemission gewährt war, gab sie während
deö Sommers für 18 Mill. Thlr. neue Zettel aus, während sie doch von dem
StaatSpapiergeld erst eine geringe Menge, circa 3 Mill., eingezogen haben konnte.
Der ungeheure Aufschwung der Speculation nach dem Frieden ist bekannt, die
Folgen der Ueberanstrengung machten sich geltend, das Geld zur Einzahlung
auf die zahlreichen Actienunternehmungen ward knapp, der Disconto stieg
überall, die Bank wollte ihn niedrig erhalten. Bei dem Vortheil, den sie da¬
durch bot, ward sie natürlich in progressiv steigendem Maße in Anspruch ge¬
nommen, aber die Krisis nahm dadurch nicht ab, sondern wurde noch schwerer,
die Bank mußte den Verheißungen ihrer Verwaltung im ersten Halbjahre ein
Dementi geben und den Disconto erhöhen, und statt der für die Zeiten der
Noth verheißenen Liberalität trat, namentlich bei den Provin'^ialcomptoiren, die
größte Zurückhaltung ein. Das laufende Jahr scheint die Bank noch auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/183>, abgerufen am 23.07.2024.