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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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so begegnen wir ihm auf Bildern seit ältester Zeit. Haube hieß die dem
Kopf enganliegende Kappe, an welcher die Putzsucht besonders deS 13. Jahr¬
hunderts allen möglichen Schmuck anbrachte. Saß an der Haube ein Kinn-
und Nackenstück, so ward die Gugel daraus, die jedenfalls eine sehr praktische
Bedeckung des obere" Menschen bei Wind und Wetter war. Im Allgemeinen
ging man aber weit mehr barhäuptig als in neuerer Zeit.

Wir haben sehr ungalanterweise die Männer den Frauen vorangehen
lassen, und seit lvngobardischer Zeit ihrer gar nicht mehr gedacht. Entschul¬
digung mag gewähren, daß wir eine Art geschichtlicher Uebersicht gaben und
das schöne Geschlecht in der Geschichte gewöhnlich im Hintergrunde stehen
muß; sodann aber, daß über die weibliche Tracht merkwürdigerweise, was
Veränderung des Schnitts betrifft, weniger hier zu erzählen ist als über die der
Männer. Es hat im Mittelalter weit mehr Modenarren als Modenärrinnen
gegeben.

Wir haben an den Longobardinnen einen langen, die Füße bedeckenden
Rock als Hauptkleid bemerkt, der eine Hand breit unter der Brust gegürtet
warb und dessen Aermel am Handgelenk abschlossen. Darüber ward ein Ueber¬
rock mit kürzern, weiteren Aermeln und farbigen Besätzen oder ein Mantel mit
bunten Saumstreifen getragen, der unter dem linken Arm etwas in die Höhe
gezogen ward, um im Gehen und Stehen nicht zu hindern, und den Rock
sichtbarer zu machen. Von dem Kopf hing bei den Verheirateten ein Schleier¬
tuch herab.

Etwas später sehen wir in Bildern deutscher Handschriften an dem Ueber¬
rock die Aermel sehr erweitert, und, wenn das nicht Schuld des Zeichners ist,
die ganze Kleidung ungemein eng. Hier wie bei den Longobardinnen läßt
sich dieses Obergewand deutlich an Jungfrauen erkennen, während die Frauen
noch einen Mantel darüber haben. Während der karolingischen Glanzzeit kam
in die Tracht der vornehmen Frauen des Hofes mancher fremde Schmuck. Im
Allgemeinen ward auch damals wie in den folgenden Jahrhunderten der Grund¬
charakter der weiblichen Kleidung beibehalten: über dem Hemde, das an dem
Halse sauber ausgenäht war, ein langer Nock mit engen Aermeln und da¬
rüber der weite diese Mantel; an den Füßen Strümpfe und Schuhe, auf dem
Kopfe bei den Verheirateten das frei fallende Tuch oder das sogenannte Ge¬
bende, welches Stirn und Wange bedeckte, und bei den Jungfrauen die lang
fliegenden Locken oder Zöpfe.

Wir dürfen nicht erst hervorheben, daß an Stoff und Ausschmückung
diese Gewänder nach Zeit. Stand und Vermögen mancherlei Abänderungen
Zeigen; wir wollen hier nur auf den Schuh hindeuten, der vielfache Verwand¬
lungen durchlief, und erwähnen, daß schönes Pelzwerk zum Besatz des Rockes,
so wie zum Futter deö Mantels, und an besseren Kleidern nöthig war, eben-


so begegnen wir ihm auf Bildern seit ältester Zeit. Haube hieß die dem
Kopf enganliegende Kappe, an welcher die Putzsucht besonders deS 13. Jahr¬
hunderts allen möglichen Schmuck anbrachte. Saß an der Haube ein Kinn-
und Nackenstück, so ward die Gugel daraus, die jedenfalls eine sehr praktische
Bedeckung des obere» Menschen bei Wind und Wetter war. Im Allgemeinen
ging man aber weit mehr barhäuptig als in neuerer Zeit.

Wir haben sehr ungalanterweise die Männer den Frauen vorangehen
lassen, und seit lvngobardischer Zeit ihrer gar nicht mehr gedacht. Entschul¬
digung mag gewähren, daß wir eine Art geschichtlicher Uebersicht gaben und
das schöne Geschlecht in der Geschichte gewöhnlich im Hintergrunde stehen
muß; sodann aber, daß über die weibliche Tracht merkwürdigerweise, was
Veränderung des Schnitts betrifft, weniger hier zu erzählen ist als über die der
Männer. Es hat im Mittelalter weit mehr Modenarren als Modenärrinnen
gegeben.

Wir haben an den Longobardinnen einen langen, die Füße bedeckenden
Rock als Hauptkleid bemerkt, der eine Hand breit unter der Brust gegürtet
warb und dessen Aermel am Handgelenk abschlossen. Darüber ward ein Ueber¬
rock mit kürzern, weiteren Aermeln und farbigen Besätzen oder ein Mantel mit
bunten Saumstreifen getragen, der unter dem linken Arm etwas in die Höhe
gezogen ward, um im Gehen und Stehen nicht zu hindern, und den Rock
sichtbarer zu machen. Von dem Kopf hing bei den Verheirateten ein Schleier¬
tuch herab.

Etwas später sehen wir in Bildern deutscher Handschriften an dem Ueber¬
rock die Aermel sehr erweitert, und, wenn das nicht Schuld des Zeichners ist,
die ganze Kleidung ungemein eng. Hier wie bei den Longobardinnen läßt
sich dieses Obergewand deutlich an Jungfrauen erkennen, während die Frauen
noch einen Mantel darüber haben. Während der karolingischen Glanzzeit kam
in die Tracht der vornehmen Frauen des Hofes mancher fremde Schmuck. Im
Allgemeinen ward auch damals wie in den folgenden Jahrhunderten der Grund¬
charakter der weiblichen Kleidung beibehalten: über dem Hemde, das an dem
Halse sauber ausgenäht war, ein langer Nock mit engen Aermeln und da¬
rüber der weite diese Mantel; an den Füßen Strümpfe und Schuhe, auf dem
Kopfe bei den Verheirateten das frei fallende Tuch oder das sogenannte Ge¬
bende, welches Stirn und Wange bedeckte, und bei den Jungfrauen die lang
fliegenden Locken oder Zöpfe.

Wir dürfen nicht erst hervorheben, daß an Stoff und Ausschmückung
diese Gewänder nach Zeit. Stand und Vermögen mancherlei Abänderungen
Zeigen; wir wollen hier nur auf den Schuh hindeuten, der vielfache Verwand¬
lungen durchlief, und erwähnen, daß schönes Pelzwerk zum Besatz des Rockes,
so wie zum Futter deö Mantels, und an besseren Kleidern nöthig war, eben-


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[0157] so begegnen wir ihm auf Bildern seit ältester Zeit. Haube hieß die dem Kopf enganliegende Kappe, an welcher die Putzsucht besonders deS 13. Jahr¬ hunderts allen möglichen Schmuck anbrachte. Saß an der Haube ein Kinn- und Nackenstück, so ward die Gugel daraus, die jedenfalls eine sehr praktische Bedeckung des obere» Menschen bei Wind und Wetter war. Im Allgemeinen ging man aber weit mehr barhäuptig als in neuerer Zeit. Wir haben sehr ungalanterweise die Männer den Frauen vorangehen lassen, und seit lvngobardischer Zeit ihrer gar nicht mehr gedacht. Entschul¬ digung mag gewähren, daß wir eine Art geschichtlicher Uebersicht gaben und das schöne Geschlecht in der Geschichte gewöhnlich im Hintergrunde stehen muß; sodann aber, daß über die weibliche Tracht merkwürdigerweise, was Veränderung des Schnitts betrifft, weniger hier zu erzählen ist als über die der Männer. Es hat im Mittelalter weit mehr Modenarren als Modenärrinnen gegeben. Wir haben an den Longobardinnen einen langen, die Füße bedeckenden Rock als Hauptkleid bemerkt, der eine Hand breit unter der Brust gegürtet warb und dessen Aermel am Handgelenk abschlossen. Darüber ward ein Ueber¬ rock mit kürzern, weiteren Aermeln und farbigen Besätzen oder ein Mantel mit bunten Saumstreifen getragen, der unter dem linken Arm etwas in die Höhe gezogen ward, um im Gehen und Stehen nicht zu hindern, und den Rock sichtbarer zu machen. Von dem Kopf hing bei den Verheirateten ein Schleier¬ tuch herab. Etwas später sehen wir in Bildern deutscher Handschriften an dem Ueber¬ rock die Aermel sehr erweitert, und, wenn das nicht Schuld des Zeichners ist, die ganze Kleidung ungemein eng. Hier wie bei den Longobardinnen läßt sich dieses Obergewand deutlich an Jungfrauen erkennen, während die Frauen noch einen Mantel darüber haben. Während der karolingischen Glanzzeit kam in die Tracht der vornehmen Frauen des Hofes mancher fremde Schmuck. Im Allgemeinen ward auch damals wie in den folgenden Jahrhunderten der Grund¬ charakter der weiblichen Kleidung beibehalten: über dem Hemde, das an dem Halse sauber ausgenäht war, ein langer Nock mit engen Aermeln und da¬ rüber der weite diese Mantel; an den Füßen Strümpfe und Schuhe, auf dem Kopfe bei den Verheirateten das frei fallende Tuch oder das sogenannte Ge¬ bende, welches Stirn und Wange bedeckte, und bei den Jungfrauen die lang fliegenden Locken oder Zöpfe. Wir dürfen nicht erst hervorheben, daß an Stoff und Ausschmückung diese Gewänder nach Zeit. Stand und Vermögen mancherlei Abänderungen Zeigen; wir wollen hier nur auf den Schuh hindeuten, der vielfache Verwand¬ lungen durchlief, und erwähnen, daß schönes Pelzwerk zum Besatz des Rockes, so wie zum Futter deö Mantels, und an besseren Kleidern nöthig war, eben-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/157>, abgerufen am 23.07.2024.