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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Spitzenbesatz sich zog, ward übergeschlagen. Dann wurde die Hose enger; die
Schaube wandelte sich in einen ziemlich kurzen Rock, dessen Aermel nur bis zum
Ellbogen gingen, und der an der rechten Seite halb aufgeschnitten war; der
Kragen ward zum gesattelten Rundkragen, und Schleifen zierten alle Gelenke.
Die Soldaten des dreißigjährigen Krieges trugen sich anders: eine Art Waf¬
fenrock, aber mit dem Seitenschnitt, geht über die Hüften, oben mit dem
glatten Kragen geschmückt. DaS Beinkleid ist eine weite Langhose, die unter
dem Knie zierlich geschnürt ist; niedrige Stulpstiefeln decken den Fuß. Doch
finden wir auch einen langem Rock, und um den Hals das zweizipflige
Tuch geschlungen, das nun längere Zeit zur guten Tracht gehörte.

In diesem Soldatencostüm ist ein frisches malerisches Element; freilich
darf man nicht vergessen, aus welchen Wüsten des Todes und nationalen Un¬
glücks es sich erhob. --

Wir haben des Kopfes bisher ganz vergessen, weil dieses Glied den Be¬
kleidungskünstler nichts angeht. Im Allgemeinen ward während der ganzen
langen Zeit, die wir durchflogen, von den Männern das Haar lang getra¬
gen; nur manche deutsche Stämme weichen darin ab, wie die Franken und
Longobarden und später auch die Baiern, die das Hinterhaupt schoren. Das
langwallende Haar war die Ehrenzier der freien Männer; Knechten und ehr¬
los Gewordenen schnitt man es ab. Vielleicht war es das Streben, sich von
den langlockigen Merovingern zu unterscheiden, was einige Karolinger bewog,
das Haar kurz zu tragen, worin ihnen dann der ganze fränkische Stamm nach¬
ahmte. Im -13. Jahrhundert war es auch einmal bei Sachsen und Thürin¬
gern Mode geworden, die Locken kürzer zu scheren; aber im Allgemeinen fiel
das Haar jedem deutschen Manne bis auf die Schultern und nur mitten über
die Stirn ward es kurz geschnitten, um das Gesicht frei zu halten; auch schei¬
telte man es grade oder zur Seite. Durch das ganze 16. Jahrhundert war
der kurze Schnitt Brauch; im 17. dagegen hing das Haar wieder lang herum
und nöthigte die kahlköpfigen Roues des französischen Hofes zu der Nach¬
ahmung in der Perücke, deren Geschichte uns nichts angeht. -- Schon in
der ältesten Zeit verwandten die deutschen Männer auf ihr Haar Sorgfalt,
und suchten es künstlich zu locken, wenn die Natur den natürlichen Wellen¬
fall versagt hatte. Im 13. Jahrhundert behandelten die Stutzer besonders die
Locken über den Ohren mit größter Sorgfalt; damals trugen auch manche
Zöpfe, die mit Seidenbändern durchflochten wurden, waS sich theilweise auch
noch im 14. Jahrhundert findet.

Als Kopfbedeckung sind, von den kriegerischen Schutzmitteln abgesehen,
Hut und Haube zu nennen. Besonders der Hut scheint sehr verschiedene Ge¬
stalten durchgemacht zu haben: breit und tief, spitz und weit mit schmaler
Krämpe, dann mützenartig, barretartig, zuweilen auch "ur ein Bindengebäude,


Spitzenbesatz sich zog, ward übergeschlagen. Dann wurde die Hose enger; die
Schaube wandelte sich in einen ziemlich kurzen Rock, dessen Aermel nur bis zum
Ellbogen gingen, und der an der rechten Seite halb aufgeschnitten war; der
Kragen ward zum gesattelten Rundkragen, und Schleifen zierten alle Gelenke.
Die Soldaten des dreißigjährigen Krieges trugen sich anders: eine Art Waf¬
fenrock, aber mit dem Seitenschnitt, geht über die Hüften, oben mit dem
glatten Kragen geschmückt. DaS Beinkleid ist eine weite Langhose, die unter
dem Knie zierlich geschnürt ist; niedrige Stulpstiefeln decken den Fuß. Doch
finden wir auch einen langem Rock, und um den Hals das zweizipflige
Tuch geschlungen, das nun längere Zeit zur guten Tracht gehörte.

In diesem Soldatencostüm ist ein frisches malerisches Element; freilich
darf man nicht vergessen, aus welchen Wüsten des Todes und nationalen Un¬
glücks es sich erhob. —

Wir haben des Kopfes bisher ganz vergessen, weil dieses Glied den Be¬
kleidungskünstler nichts angeht. Im Allgemeinen ward während der ganzen
langen Zeit, die wir durchflogen, von den Männern das Haar lang getra¬
gen; nur manche deutsche Stämme weichen darin ab, wie die Franken und
Longobarden und später auch die Baiern, die das Hinterhaupt schoren. Das
langwallende Haar war die Ehrenzier der freien Männer; Knechten und ehr¬
los Gewordenen schnitt man es ab. Vielleicht war es das Streben, sich von
den langlockigen Merovingern zu unterscheiden, was einige Karolinger bewog,
das Haar kurz zu tragen, worin ihnen dann der ganze fränkische Stamm nach¬
ahmte. Im -13. Jahrhundert war es auch einmal bei Sachsen und Thürin¬
gern Mode geworden, die Locken kürzer zu scheren; aber im Allgemeinen fiel
das Haar jedem deutschen Manne bis auf die Schultern und nur mitten über
die Stirn ward es kurz geschnitten, um das Gesicht frei zu halten; auch schei¬
telte man es grade oder zur Seite. Durch das ganze 16. Jahrhundert war
der kurze Schnitt Brauch; im 17. dagegen hing das Haar wieder lang herum
und nöthigte die kahlköpfigen Roues des französischen Hofes zu der Nach¬
ahmung in der Perücke, deren Geschichte uns nichts angeht. — Schon in
der ältesten Zeit verwandten die deutschen Männer auf ihr Haar Sorgfalt,
und suchten es künstlich zu locken, wenn die Natur den natürlichen Wellen¬
fall versagt hatte. Im 13. Jahrhundert behandelten die Stutzer besonders die
Locken über den Ohren mit größter Sorgfalt; damals trugen auch manche
Zöpfe, die mit Seidenbändern durchflochten wurden, waS sich theilweise auch
noch im 14. Jahrhundert findet.

Als Kopfbedeckung sind, von den kriegerischen Schutzmitteln abgesehen,
Hut und Haube zu nennen. Besonders der Hut scheint sehr verschiedene Ge¬
stalten durchgemacht zu haben: breit und tief, spitz und weit mit schmaler
Krämpe, dann mützenartig, barretartig, zuweilen auch »ur ein Bindengebäude,


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[0156] Spitzenbesatz sich zog, ward übergeschlagen. Dann wurde die Hose enger; die Schaube wandelte sich in einen ziemlich kurzen Rock, dessen Aermel nur bis zum Ellbogen gingen, und der an der rechten Seite halb aufgeschnitten war; der Kragen ward zum gesattelten Rundkragen, und Schleifen zierten alle Gelenke. Die Soldaten des dreißigjährigen Krieges trugen sich anders: eine Art Waf¬ fenrock, aber mit dem Seitenschnitt, geht über die Hüften, oben mit dem glatten Kragen geschmückt. DaS Beinkleid ist eine weite Langhose, die unter dem Knie zierlich geschnürt ist; niedrige Stulpstiefeln decken den Fuß. Doch finden wir auch einen langem Rock, und um den Hals das zweizipflige Tuch geschlungen, das nun längere Zeit zur guten Tracht gehörte. In diesem Soldatencostüm ist ein frisches malerisches Element; freilich darf man nicht vergessen, aus welchen Wüsten des Todes und nationalen Un¬ glücks es sich erhob. — Wir haben des Kopfes bisher ganz vergessen, weil dieses Glied den Be¬ kleidungskünstler nichts angeht. Im Allgemeinen ward während der ganzen langen Zeit, die wir durchflogen, von den Männern das Haar lang getra¬ gen; nur manche deutsche Stämme weichen darin ab, wie die Franken und Longobarden und später auch die Baiern, die das Hinterhaupt schoren. Das langwallende Haar war die Ehrenzier der freien Männer; Knechten und ehr¬ los Gewordenen schnitt man es ab. Vielleicht war es das Streben, sich von den langlockigen Merovingern zu unterscheiden, was einige Karolinger bewog, das Haar kurz zu tragen, worin ihnen dann der ganze fränkische Stamm nach¬ ahmte. Im -13. Jahrhundert war es auch einmal bei Sachsen und Thürin¬ gern Mode geworden, die Locken kürzer zu scheren; aber im Allgemeinen fiel das Haar jedem deutschen Manne bis auf die Schultern und nur mitten über die Stirn ward es kurz geschnitten, um das Gesicht frei zu halten; auch schei¬ telte man es grade oder zur Seite. Durch das ganze 16. Jahrhundert war der kurze Schnitt Brauch; im 17. dagegen hing das Haar wieder lang herum und nöthigte die kahlköpfigen Roues des französischen Hofes zu der Nach¬ ahmung in der Perücke, deren Geschichte uns nichts angeht. — Schon in der ältesten Zeit verwandten die deutschen Männer auf ihr Haar Sorgfalt, und suchten es künstlich zu locken, wenn die Natur den natürlichen Wellen¬ fall versagt hatte. Im 13. Jahrhundert behandelten die Stutzer besonders die Locken über den Ohren mit größter Sorgfalt; damals trugen auch manche Zöpfe, die mit Seidenbändern durchflochten wurden, waS sich theilweise auch noch im 14. Jahrhundert findet. Als Kopfbedeckung sind, von den kriegerischen Schutzmitteln abgesehen, Hut und Haube zu nennen. Besonders der Hut scheint sehr verschiedene Ge¬ stalten durchgemacht zu haben: breit und tief, spitz und weit mit schmaler Krämpe, dann mützenartig, barretartig, zuweilen auch »ur ein Bindengebäude,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/156>, abgerufen am 23.07.2024.