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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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nach, oder schräg oder viereckig oder in abwechselnden Lagen. An den ärmel¬
losen Waffenröcken, die über der Rüstung getragen wurden, bemerken wir
ganz dasselbe Farbenspiel. Sie reichten entweder nur bis ans Knie, oder
waren, wenn sie tiefer gingen, vorn und hinten ein Stück aufgeschlitzt, um im
Reiten nicht zu hindern.

Die Aermeren wählten düstere Farben und die unfreien Leute dursten sich
sogar nur in Grau kleiden. Ihr Unterkleid war von der gröbsten Leinwand,
und die Schuhe unförmliche Klumpen von Rindsfell, während bei den reichen
damit großer Aufwand getrieben ward. An den Händen trugen die Armen
in der Kälte Klotzhandschuhe, die Reichen aber konnten zu jeder Zeit kaum der
gestickten Leder- oder Seidenhanbschuhe entbehren, die man übrigens bei Be¬
suchen ablegte.

In der zweiten Hälfte deS 13. Jahrhunderts fanden neue Moden ent¬
schiedeneren und nachhaltigerem Eingang als bisher. Der lange weite Rock,
der den Körper mehr verhüllte als zeigte, ward von den Stutzern gekürzt und
verengt; kostbare Stickereien, glänzende Knöpfe, Aufsätze von buntem Zeuge
wurden reichlich angebracht. Das Hemd, welches am Halse hervorsah, war
sauber ausgenäht; das Beinkleid, das sich nun ziemlich zu voller Länge her¬
vorgearbeitet hatte, lag eng an und schloß in feinen Schuhen ab, und auch
hier hatte die geübte Nadel der Stickerinnen zuthun, so wie an den Hauben,
welche auf dem lockigen Scheitel der Modeherrchen prangten.

In dem 14. Jahrhundert wird in der Männerwelt dann noch entschiede¬
ner all der alten Tracht gebrochen. Zwar hielt ein gut Theil des Volkes
noch an der Weise der Väter fest, aber die Reicheren und alle, welche Dem
Neuen sich gern anschließen, hatten den langen Rock für immer beseitigt. Es
kamen theilweise höchst geschmacklose Schnitte auf, und im Ganzen wird man
vielfach an die heutigen Moden erinnert. Ein paar Beispiele müssen hier ge¬
nügen. Als Tracht ritterlicher Männer findet sich ein Rock, der fast bis an
das Knie geht, sich dem Körper, aber ohne eigentliche Taille, eng anschließt,
und der Länge nach aufgeschnitten, mit Knöpfen geschloffen wird. Die Aer-
mel liegen eng an und sind wenigstens am Unterarm mit Knöpfen besetzt.
Ueber den Hüften liegt ein breiter Ledergürtel, an dessen vorderer Mitte eine
Tasche und an der linken Seite der lange Dolch (Degen) hängt. Die Hosen
schließen eng am Bein; die Schuhe sind spitz, gehen bis zum Knöchel und
sind mit Riemen festgeschnürt. Die ganze Gestalt deckt ein langer weiter Mantel
Mit Kapuze, der an der rechten Achsel befestigt ist und an der Spange hinab
Noch eine Reihe Knöpfe trägt.

Diese Tracht ist praktisch und nicht ohne Geschmack. Das Gegentheil da¬
von ist von einer andern zu sagen, die um 1330 aufkam und lange anhielt.
Der Rock ist hier zu einer engen Jacke zusammengeschrumpft, die nur die


Grenz boten. IV. 19

nach, oder schräg oder viereckig oder in abwechselnden Lagen. An den ärmel¬
losen Waffenröcken, die über der Rüstung getragen wurden, bemerken wir
ganz dasselbe Farbenspiel. Sie reichten entweder nur bis ans Knie, oder
waren, wenn sie tiefer gingen, vorn und hinten ein Stück aufgeschlitzt, um im
Reiten nicht zu hindern.

Die Aermeren wählten düstere Farben und die unfreien Leute dursten sich
sogar nur in Grau kleiden. Ihr Unterkleid war von der gröbsten Leinwand,
und die Schuhe unförmliche Klumpen von Rindsfell, während bei den reichen
damit großer Aufwand getrieben ward. An den Händen trugen die Armen
in der Kälte Klotzhandschuhe, die Reichen aber konnten zu jeder Zeit kaum der
gestickten Leder- oder Seidenhanbschuhe entbehren, die man übrigens bei Be¬
suchen ablegte.

In der zweiten Hälfte deS 13. Jahrhunderts fanden neue Moden ent¬
schiedeneren und nachhaltigerem Eingang als bisher. Der lange weite Rock,
der den Körper mehr verhüllte als zeigte, ward von den Stutzern gekürzt und
verengt; kostbare Stickereien, glänzende Knöpfe, Aufsätze von buntem Zeuge
wurden reichlich angebracht. Das Hemd, welches am Halse hervorsah, war
sauber ausgenäht; das Beinkleid, das sich nun ziemlich zu voller Länge her¬
vorgearbeitet hatte, lag eng an und schloß in feinen Schuhen ab, und auch
hier hatte die geübte Nadel der Stickerinnen zuthun, so wie an den Hauben,
welche auf dem lockigen Scheitel der Modeherrchen prangten.

In dem 14. Jahrhundert wird in der Männerwelt dann noch entschiede¬
ner all der alten Tracht gebrochen. Zwar hielt ein gut Theil des Volkes
noch an der Weise der Väter fest, aber die Reicheren und alle, welche Dem
Neuen sich gern anschließen, hatten den langen Rock für immer beseitigt. Es
kamen theilweise höchst geschmacklose Schnitte auf, und im Ganzen wird man
vielfach an die heutigen Moden erinnert. Ein paar Beispiele müssen hier ge¬
nügen. Als Tracht ritterlicher Männer findet sich ein Rock, der fast bis an
das Knie geht, sich dem Körper, aber ohne eigentliche Taille, eng anschließt,
und der Länge nach aufgeschnitten, mit Knöpfen geschloffen wird. Die Aer-
mel liegen eng an und sind wenigstens am Unterarm mit Knöpfen besetzt.
Ueber den Hüften liegt ein breiter Ledergürtel, an dessen vorderer Mitte eine
Tasche und an der linken Seite der lange Dolch (Degen) hängt. Die Hosen
schließen eng am Bein; die Schuhe sind spitz, gehen bis zum Knöchel und
sind mit Riemen festgeschnürt. Die ganze Gestalt deckt ein langer weiter Mantel
Mit Kapuze, der an der rechten Achsel befestigt ist und an der Spange hinab
Noch eine Reihe Knöpfe trägt.

Diese Tracht ist praktisch und nicht ohne Geschmack. Das Gegentheil da¬
von ist von einer andern zu sagen, die um 1330 aufkam und lange anhielt.
Der Rock ist hier zu einer engen Jacke zusammengeschrumpft, die nur die


Grenz boten. IV. 19
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[0153] nach, oder schräg oder viereckig oder in abwechselnden Lagen. An den ärmel¬ losen Waffenröcken, die über der Rüstung getragen wurden, bemerken wir ganz dasselbe Farbenspiel. Sie reichten entweder nur bis ans Knie, oder waren, wenn sie tiefer gingen, vorn und hinten ein Stück aufgeschlitzt, um im Reiten nicht zu hindern. Die Aermeren wählten düstere Farben und die unfreien Leute dursten sich sogar nur in Grau kleiden. Ihr Unterkleid war von der gröbsten Leinwand, und die Schuhe unförmliche Klumpen von Rindsfell, während bei den reichen damit großer Aufwand getrieben ward. An den Händen trugen die Armen in der Kälte Klotzhandschuhe, die Reichen aber konnten zu jeder Zeit kaum der gestickten Leder- oder Seidenhanbschuhe entbehren, die man übrigens bei Be¬ suchen ablegte. In der zweiten Hälfte deS 13. Jahrhunderts fanden neue Moden ent¬ schiedeneren und nachhaltigerem Eingang als bisher. Der lange weite Rock, der den Körper mehr verhüllte als zeigte, ward von den Stutzern gekürzt und verengt; kostbare Stickereien, glänzende Knöpfe, Aufsätze von buntem Zeuge wurden reichlich angebracht. Das Hemd, welches am Halse hervorsah, war sauber ausgenäht; das Beinkleid, das sich nun ziemlich zu voller Länge her¬ vorgearbeitet hatte, lag eng an und schloß in feinen Schuhen ab, und auch hier hatte die geübte Nadel der Stickerinnen zuthun, so wie an den Hauben, welche auf dem lockigen Scheitel der Modeherrchen prangten. In dem 14. Jahrhundert wird in der Männerwelt dann noch entschiede¬ ner all der alten Tracht gebrochen. Zwar hielt ein gut Theil des Volkes noch an der Weise der Väter fest, aber die Reicheren und alle, welche Dem Neuen sich gern anschließen, hatten den langen Rock für immer beseitigt. Es kamen theilweise höchst geschmacklose Schnitte auf, und im Ganzen wird man vielfach an die heutigen Moden erinnert. Ein paar Beispiele müssen hier ge¬ nügen. Als Tracht ritterlicher Männer findet sich ein Rock, der fast bis an das Knie geht, sich dem Körper, aber ohne eigentliche Taille, eng anschließt, und der Länge nach aufgeschnitten, mit Knöpfen geschloffen wird. Die Aer- mel liegen eng an und sind wenigstens am Unterarm mit Knöpfen besetzt. Ueber den Hüften liegt ein breiter Ledergürtel, an dessen vorderer Mitte eine Tasche und an der linken Seite der lange Dolch (Degen) hängt. Die Hosen schließen eng am Bein; die Schuhe sind spitz, gehen bis zum Knöchel und sind mit Riemen festgeschnürt. Die ganze Gestalt deckt ein langer weiter Mantel Mit Kapuze, der an der rechten Achsel befestigt ist und an der Spange hinab Noch eine Reihe Knöpfe trägt. Diese Tracht ist praktisch und nicht ohne Geschmack. Das Gegentheil da¬ von ist von einer andern zu sagen, die um 1330 aufkam und lange anhielt. Der Rock ist hier zu einer engen Jacke zusammengeschrumpft, die nur die Grenz boten. IV. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/153>, abgerufen am 23.07.2024.