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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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kleine Beiträge von 3--20 Thalern vorstreckten, ohne dem Bedürfniß auch
nur im Entferntesten zu genügen. Wie die Vorschüsse bei ihnen, wegen des
dem Ganzen anklebenden Charakters der Mildthätigkeit, mehr als eine Art
Unterstützung bewilligt und angenommen wurden, bei denen man weder Sei¬
tens der Geber es mit Prüfung der Zahlungsfähigkeit, noch Seitens der Em¬
pfänger mit der Rückzahlung so genau nahm, konnten solche Anstalten meist
nur auf kurze Frist ein kümmerliches Dasein hinschleppen, da das Interesse
der Gründer, welche davon, statt deö Dankes, nur immer gesteigerte Anfor¬
derungen an ihre Beutel ernteten, sehr bald erkaltete, und die unverantwort¬
lich zersplitterten Mittel nicht wieder ersetzt wurden. Im directen Gegen¬
satz hiermit fußen die von uns gedachten Vvrschußvereine lediglich aus der
Selbsthilfe, der eignen Kraft der Mitglieder, welche der Vorschüsse bedürfen.
Gegen solidarische Verhaftung derselben und landesüblichen Zins werden die
erforderlichen Anleheu für die Vereinskasse aufgenommen, in welche außerdem
alle gewisse, ihnen nicht lästig fallende Steuern von einigen Groschen monat¬
lich einlegen müssen, aus welchen ihnen, in Verbindung mit den auf sie fallen¬
den Dividenden vom Gewinn des Vorschußgeschästs, allmälig ein Guthaben,
eine Art Actie gebildet wird. Obschon der größte Theil der Mitglieder zu
den'. Unbemittelten gehört, hat es den Vereinen bei Anwendung der erwähn¬
ten Maßregeln, über deren außerordentliche Wirksamkeit wir uns früher ver¬
breiteten, noch nie an Gelb gefehlt, vielmehr konnten sie die ihnen gemachten
Offerten nicht einmal immer benutzen. Besonders übten die Dividenden, welche
nach Höhe des jeweiligen eingesteuerten Guthabens den Mitgliedern gut ge¬
schrieben wurden, einen außerordentlichen Reiz auf dieselben, ihre Beisteuer
möglichst zu verstärken, um ihr Guthaben höher zu bringen, und selbst die
Aermsten trugen jeden mühsam abgedarbten Groschen in die Kasse, indem sie
auf diese Weise zum ersten Male der Wohlthat eines wenn auch noch so kleinen
Besitzes froh wurden, den sie von Tag zu Tag wachsen sahen. So gehört
bei den meisten Vereinen schon nach wenigen Jahren ein großer Theil -- in
Delitzsch gegenwärtig die Hälfte -- des Betriebsfonds als Guthaben den
Mitgliedern, und grade daß mit den Vortheilen eines stets bereiten Credits
für ihr Geschäft die Aufänge einer eignen Capitalbildung, mit allen ihren
wohlthätigen wirthschaftlichen und sttttlichen Folgen, Hand in Hand gehen,
zu welcher es die meisten der betheiligten Arbeiter sonst niemals gebracht hätten,
gehört mit zu den größten Segnungen dieser Vereine. In dieser Hinsicht thun
sie es namentlich den Sparkassen weit zuvor, da die letzter" den Sparern kei¬
nen Credit und nur äußerst geringe Zinsen geben, während die Dividenden
der Vorschußvereine fast noch nie unter 10 Procent ausgefallen sind. Indem
sind die Sparkassen den Interessen des Arbeiterstandes auch insofern feindlich,


kleine Beiträge von 3—20 Thalern vorstreckten, ohne dem Bedürfniß auch
nur im Entferntesten zu genügen. Wie die Vorschüsse bei ihnen, wegen des
dem Ganzen anklebenden Charakters der Mildthätigkeit, mehr als eine Art
Unterstützung bewilligt und angenommen wurden, bei denen man weder Sei¬
tens der Geber es mit Prüfung der Zahlungsfähigkeit, noch Seitens der Em¬
pfänger mit der Rückzahlung so genau nahm, konnten solche Anstalten meist
nur auf kurze Frist ein kümmerliches Dasein hinschleppen, da das Interesse
der Gründer, welche davon, statt deö Dankes, nur immer gesteigerte Anfor¬
derungen an ihre Beutel ernteten, sehr bald erkaltete, und die unverantwort¬
lich zersplitterten Mittel nicht wieder ersetzt wurden. Im directen Gegen¬
satz hiermit fußen die von uns gedachten Vvrschußvereine lediglich aus der
Selbsthilfe, der eignen Kraft der Mitglieder, welche der Vorschüsse bedürfen.
Gegen solidarische Verhaftung derselben und landesüblichen Zins werden die
erforderlichen Anleheu für die Vereinskasse aufgenommen, in welche außerdem
alle gewisse, ihnen nicht lästig fallende Steuern von einigen Groschen monat¬
lich einlegen müssen, aus welchen ihnen, in Verbindung mit den auf sie fallen¬
den Dividenden vom Gewinn des Vorschußgeschästs, allmälig ein Guthaben,
eine Art Actie gebildet wird. Obschon der größte Theil der Mitglieder zu
den'. Unbemittelten gehört, hat es den Vereinen bei Anwendung der erwähn¬
ten Maßregeln, über deren außerordentliche Wirksamkeit wir uns früher ver¬
breiteten, noch nie an Gelb gefehlt, vielmehr konnten sie die ihnen gemachten
Offerten nicht einmal immer benutzen. Besonders übten die Dividenden, welche
nach Höhe des jeweiligen eingesteuerten Guthabens den Mitgliedern gut ge¬
schrieben wurden, einen außerordentlichen Reiz auf dieselben, ihre Beisteuer
möglichst zu verstärken, um ihr Guthaben höher zu bringen, und selbst die
Aermsten trugen jeden mühsam abgedarbten Groschen in die Kasse, indem sie
auf diese Weise zum ersten Male der Wohlthat eines wenn auch noch so kleinen
Besitzes froh wurden, den sie von Tag zu Tag wachsen sahen. So gehört
bei den meisten Vereinen schon nach wenigen Jahren ein großer Theil — in
Delitzsch gegenwärtig die Hälfte — des Betriebsfonds als Guthaben den
Mitgliedern, und grade daß mit den Vortheilen eines stets bereiten Credits
für ihr Geschäft die Aufänge einer eignen Capitalbildung, mit allen ihren
wohlthätigen wirthschaftlichen und sttttlichen Folgen, Hand in Hand gehen,
zu welcher es die meisten der betheiligten Arbeiter sonst niemals gebracht hätten,
gehört mit zu den größten Segnungen dieser Vereine. In dieser Hinsicht thun
sie es namentlich den Sparkassen weit zuvor, da die letzter» den Sparern kei¬
nen Credit und nur äußerst geringe Zinsen geben, während die Dividenden
der Vorschußvereine fast noch nie unter 10 Procent ausgefallen sind. Indem
sind die Sparkassen den Interessen des Arbeiterstandes auch insofern feindlich,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/134>, abgerufen am 23.07.2024.