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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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liegt aber darin, daß für das Waarengeschäft der Wechsel der Preise mitunter
zwar vortheilhaft, aber keine Nothwendigkeit; der stete Begehr und der daran
geknüpfte regelmäßige Absatz genügt vollständig zur Aufrechthaltung eines Be¬
triebs und zur langsamen aber sicheren Erwerbung eines größeren Vermögens.
Anders der Fondshandel, der für sein Gedeihen nothwendig eines
möglichst raschen und starken Auf und Nieder der Preise bedarf.
Die schlechtesten Zeiten für den Fondshandel sind die, wo die Course "fest"
stehen, weil alsdann keine Veranlassung da ist, Geschäfte zu machen; die
besten die, wo niemand heute errathen kann, wie morgen die Preise sein werden;
dann gibt eS lebhafte Umsätze, dann kann Geld verdient werden. Während
Waaren von Hand zu Hand gehen, damit sie consumirt d. h. vertilgt werden,
und so immer neue an die Stelle der alten treten können, wechseln die Werrh-
papiere ihre Besitzer, weil niemand für die Zukunft stehen mag, weil jeder, wenn
nicht durch andere Verhältnisse gezwungen, seine Papiere bei dem höchsten ihm
erreichbar erscheinenden Preise abzugeben sucht. Der Kaufmann handelt, um
für seine Auslagen und Mühen entschädigt zu werden, und kann unter Be¬
günstigung der Verhältnisse auch auf größeren Gewinn rechnen; der Fonds-
speculant handelt, weil im Handel d. h. im Nehmen und Geben von Papieren,
die Bedingung seines Betriebs besteht, er will auch nicht einen regelmäßigen,
in der Sache selbst liegenden Gewinn, keinen gegenseitigen Austausch von Vor¬
theilen d. h. von Waare gegen Geld, sondern er will überlisten, und uicht
das Bedürfniß, sondern das blinde Ungefähr ist sein Leitstern. Es gibt zwar
einzelne Handelszweige, die unter besondern Verhältnissen mit einem Fuße im
Fondsgeschäste stehen, solche namentlich, wo unberechenbare Ereignisse eine be¬
sondere Rolle spielen, so besonders das Spiritus-, das Oel-, vor allem daS
Getreidegeschäft, sie alle drei wegen der Ungewißheit der zukünftigen Ernte von
Kartoffeln, Raps und Weizen; bei besondern Gelegenheiten kann selbst fast für
jede andere Waare eine zum Wetten und Spielen vorzüglich geeignete Con-
junctur eintreten; aber sie kann, weil an Production und Begehr gebunden,
nicht ins Schrankenlose gehen, sie ist auch nicht wesentliche Bedingung der
Existenz des Geschäftszweigs, der Fondshandel' dagegen ist ganz allein Wetten
und Wagen und Spielen.

Aus diesem Zustande der Dinge läßt sich nun auch begreifen, daß "gute
Papiere" d. h. solche, die mit Sicherheit einen den allgemeinen Verhältnissen
entsprechenden Zinsengenuß verheißen, im regelmäßigen Verlaufe des FondS-
geschäftS kein Börsenpapier sind. Erst wenn der allgemeine Zinsfuß oder der
Disconto dauernd darüber hinausgeht oder darunter fällt, oder wenn durch
Politische Ereignisse Zweifel an der Sicherheit der Papiere oder der Zinsen
entstehen, oder wenn eine große Anzahl fester Inhaber sich ihrer entäußern,
z. B. weil sie baares Geld zum Zweck anderer Geldverwendungen etwa zum


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liegt aber darin, daß für das Waarengeschäft der Wechsel der Preise mitunter
zwar vortheilhaft, aber keine Nothwendigkeit; der stete Begehr und der daran
geknüpfte regelmäßige Absatz genügt vollständig zur Aufrechthaltung eines Be¬
triebs und zur langsamen aber sicheren Erwerbung eines größeren Vermögens.
Anders der Fondshandel, der für sein Gedeihen nothwendig eines
möglichst raschen und starken Auf und Nieder der Preise bedarf.
Die schlechtesten Zeiten für den Fondshandel sind die, wo die Course „fest"
stehen, weil alsdann keine Veranlassung da ist, Geschäfte zu machen; die
besten die, wo niemand heute errathen kann, wie morgen die Preise sein werden;
dann gibt eS lebhafte Umsätze, dann kann Geld verdient werden. Während
Waaren von Hand zu Hand gehen, damit sie consumirt d. h. vertilgt werden,
und so immer neue an die Stelle der alten treten können, wechseln die Werrh-
papiere ihre Besitzer, weil niemand für die Zukunft stehen mag, weil jeder, wenn
nicht durch andere Verhältnisse gezwungen, seine Papiere bei dem höchsten ihm
erreichbar erscheinenden Preise abzugeben sucht. Der Kaufmann handelt, um
für seine Auslagen und Mühen entschädigt zu werden, und kann unter Be¬
günstigung der Verhältnisse auch auf größeren Gewinn rechnen; der Fonds-
speculant handelt, weil im Handel d. h. im Nehmen und Geben von Papieren,
die Bedingung seines Betriebs besteht, er will auch nicht einen regelmäßigen,
in der Sache selbst liegenden Gewinn, keinen gegenseitigen Austausch von Vor¬
theilen d. h. von Waare gegen Geld, sondern er will überlisten, und uicht
das Bedürfniß, sondern das blinde Ungefähr ist sein Leitstern. Es gibt zwar
einzelne Handelszweige, die unter besondern Verhältnissen mit einem Fuße im
Fondsgeschäste stehen, solche namentlich, wo unberechenbare Ereignisse eine be¬
sondere Rolle spielen, so besonders das Spiritus-, das Oel-, vor allem daS
Getreidegeschäft, sie alle drei wegen der Ungewißheit der zukünftigen Ernte von
Kartoffeln, Raps und Weizen; bei besondern Gelegenheiten kann selbst fast für
jede andere Waare eine zum Wetten und Spielen vorzüglich geeignete Con-
junctur eintreten; aber sie kann, weil an Production und Begehr gebunden,
nicht ins Schrankenlose gehen, sie ist auch nicht wesentliche Bedingung der
Existenz des Geschäftszweigs, der Fondshandel' dagegen ist ganz allein Wetten
und Wagen und Spielen.

Aus diesem Zustande der Dinge läßt sich nun auch begreifen, daß „gute
Papiere" d. h. solche, die mit Sicherheit einen den allgemeinen Verhältnissen
entsprechenden Zinsengenuß verheißen, im regelmäßigen Verlaufe des FondS-
geschäftS kein Börsenpapier sind. Erst wenn der allgemeine Zinsfuß oder der
Disconto dauernd darüber hinausgeht oder darunter fällt, oder wenn durch
Politische Ereignisse Zweifel an der Sicherheit der Papiere oder der Zinsen
entstehen, oder wenn eine große Anzahl fester Inhaber sich ihrer entäußern,
z. B. weil sie baares Geld zum Zweck anderer Geldverwendungen etwa zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/99>, abgerufen am 23.07.2024.