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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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der wirklichen und der nomineller Summe der ausbezahlten Anleihe. ES
wird z. B. eine solche zu 93 übernommen, d. l). der Darleiher empfängt für
je 93 Geld eine Obligation von 100, ein Verfahren, das bekanntlich im Pri¬
vatverkehr bei Strafe verboten ist; auch schreibt sich das ganze Verfahren aus
den früher überall geltenden Verboten hoher Zinsen her. Es ist im Grunde
freilich dieselbe Ueberschreitung des gesetzlichen Zinsfußes, ob man sich direct
über 3 Pet. zusichern läßt, oder sie auf einem Umwege für jedes 100 erhält,
während man nur 93 ausgeliehen hat. Indessen die Regierungen wollten nun
einmal ihren Unterthanen nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen, oder min¬
destens Äußerlich eine Steigerung des Zinsfußes vermeiden, wenn etwa der
bei einem Staatsanlehen zugesicherte Zins unter Berechnung der nomineller
zur wirklichen Ausbezahlung nicht über den gesetzlichen Zins hinausging, was
allerdings in solchen Fällen eine Seltenheit ist. Diese Differenz ist zudem
ein weiteres Mittel zum Gewinn für die Darleiher. Sie kann einmal so groß
sein, daß selbst bei höhern Coursen der in Aussicht stehende über den laufenden
Zins noch hinausgeht, eS können aber auch die Obligationen selbst um so
besser angebracht werden, weil der nominelle Betrag bei alledem doch der vom
Staate geschuldete blieb, dessen volle Zurückbezahlung, wenn nicht gar innerhalb -
fester Termine zugesichert, nicht ausgeschlossen ist. -- Eine fernere in den zwan¬
ziger Jahren sehr in Ausnahme gekommene Form der Anleihen ist die mittelst
einer Verbindung durch Lotterien oder sogenannte Prämien. Der an-
leihende Staat gibt entweder nur einen ganz geringen oder gar keinen Zins,
sammelt dagegen aus einem Theil der Zinsersparnisse größere Summen, die er
von Zeit zu Zeit an die Inhaber ausloost. Natürlich wird dadurch die
Gewinnluft derselben um so mehr rege gemacht, da sie nicht wie bei gewöhn¬
lichen Lotterien ihren vollen Einsatz verlieren können, vielmehr unter allen
Umständen den Capitalbetrag der Obligation behalten, im günstigen Falle
aber plötzlich zu Reichthümern gelangen. Diese Spiellust wird dann aber noch
durch sogenannte Serienziehungen befördert. Es wird nämlich Nicht direct das
GewinnlooS gezogen, sondern bereits eine geraume Zeit vorher eine oder mehre
Reihenfolgen von Obligationen-Nummern, z. B. von 6000--6999 durch das
Loos bezeichnet, auf welche sodann für dies Mal ausschließlich bestimmte größere
oder kleinere Gewinne fallen können. Natürlich müssen auf diese Aussicht hin
sämmtliche Obligationen dieser Serie sofort im Course über die nicht gezogenen
hinaufsteigen, und sämmtliche Inhaber derselben haben daher sofort einen Ge¬
winn realisirt, falls sie nicht die Entscheidung durch die eigentliche Ziehung
abwarten wollen. Wie außerordentlich groß bei geschickter Leitung der Unter¬
nehmergewinn bei einem solchen Anlehen sein kann, liegt auf der Hand, und
ebenso, daß die Contrahirung eines solchen Urlebens für einen an Credit geschwäch¬
ten Staat ein Mittel ist, um überhaupt oder unter bessern Bedingungen Geld


der wirklichen und der nomineller Summe der ausbezahlten Anleihe. ES
wird z. B. eine solche zu 93 übernommen, d. l). der Darleiher empfängt für
je 93 Geld eine Obligation von 100, ein Verfahren, das bekanntlich im Pri¬
vatverkehr bei Strafe verboten ist; auch schreibt sich das ganze Verfahren aus
den früher überall geltenden Verboten hoher Zinsen her. Es ist im Grunde
freilich dieselbe Ueberschreitung des gesetzlichen Zinsfußes, ob man sich direct
über 3 Pet. zusichern läßt, oder sie auf einem Umwege für jedes 100 erhält,
während man nur 93 ausgeliehen hat. Indessen die Regierungen wollten nun
einmal ihren Unterthanen nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen, oder min¬
destens Äußerlich eine Steigerung des Zinsfußes vermeiden, wenn etwa der
bei einem Staatsanlehen zugesicherte Zins unter Berechnung der nomineller
zur wirklichen Ausbezahlung nicht über den gesetzlichen Zins hinausging, was
allerdings in solchen Fällen eine Seltenheit ist. Diese Differenz ist zudem
ein weiteres Mittel zum Gewinn für die Darleiher. Sie kann einmal so groß
sein, daß selbst bei höhern Coursen der in Aussicht stehende über den laufenden
Zins noch hinausgeht, eS können aber auch die Obligationen selbst um so
besser angebracht werden, weil der nominelle Betrag bei alledem doch der vom
Staate geschuldete blieb, dessen volle Zurückbezahlung, wenn nicht gar innerhalb -
fester Termine zugesichert, nicht ausgeschlossen ist. — Eine fernere in den zwan¬
ziger Jahren sehr in Ausnahme gekommene Form der Anleihen ist die mittelst
einer Verbindung durch Lotterien oder sogenannte Prämien. Der an-
leihende Staat gibt entweder nur einen ganz geringen oder gar keinen Zins,
sammelt dagegen aus einem Theil der Zinsersparnisse größere Summen, die er
von Zeit zu Zeit an die Inhaber ausloost. Natürlich wird dadurch die
Gewinnluft derselben um so mehr rege gemacht, da sie nicht wie bei gewöhn¬
lichen Lotterien ihren vollen Einsatz verlieren können, vielmehr unter allen
Umständen den Capitalbetrag der Obligation behalten, im günstigen Falle
aber plötzlich zu Reichthümern gelangen. Diese Spiellust wird dann aber noch
durch sogenannte Serienziehungen befördert. Es wird nämlich Nicht direct das
GewinnlooS gezogen, sondern bereits eine geraume Zeit vorher eine oder mehre
Reihenfolgen von Obligationen-Nummern, z. B. von 6000—6999 durch das
Loos bezeichnet, auf welche sodann für dies Mal ausschließlich bestimmte größere
oder kleinere Gewinne fallen können. Natürlich müssen auf diese Aussicht hin
sämmtliche Obligationen dieser Serie sofort im Course über die nicht gezogenen
hinaufsteigen, und sämmtliche Inhaber derselben haben daher sofort einen Ge¬
winn realisirt, falls sie nicht die Entscheidung durch die eigentliche Ziehung
abwarten wollen. Wie außerordentlich groß bei geschickter Leitung der Unter¬
nehmergewinn bei einem solchen Anlehen sein kann, liegt auf der Hand, und
ebenso, daß die Contrahirung eines solchen Urlebens für einen an Credit geschwäch¬
ten Staat ein Mittel ist, um überhaupt oder unter bessern Bedingungen Geld


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/92>, abgerufen am 12.12.2024.