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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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und habe sich nur schriftlich dahin geäußert, daß er Schumann auf dem Pro¬
gramm wünsche, es sei gleich viel mit welchem Werke. Das ist aber gar nicht
gleichgültig, denn das Programm sollte nicht beweisen, daß Liszt auch Schu¬
mann gelten lasse, sondern eS sollte Compositionen enthalten, welche das
Musikfest zu einem wahrhaften Feste für Ausübende und Zuhörende stempelte.
Dazu konnte aber des Sängers Fluch, so interessant er ist, nicht beitragen.

Daß man eine von Liszts "symphonischen Dichtungen" zu Gehör brachte,
war dagegen ganz in der Ordnung. Abgesehen davon, daß man bei den meisten
Musikfesten dem Dirigenten auch als Componisten eine Stelle aus dem Pro¬
gramm anzuweisen gewohnt ist, war es auch vom allgemeinsten Interesse, eine
dieser vielbesprochenen Compositionen zu hören, welche nach den Berichten der
neuen Zeitschrift für Musik das Höchste sein sollen, was bis jetzt die Instru¬
mentalmusik hervorgebracht, während die bisherigen Aufführungen in Wien,
Leipzig, Berlinj einen mindestens sehr zweifelhaften Erfolg gehabt. Liszt hatte
die "Festklänge" gewählt, jedenfalls eine der wenigst pretentiö'sen seiner Or-
chestercompositionen (sie entbehrt sogar des. Programms) und auch vielleicht
diejenige unter den bis jetzt erschienenen, welche die größte Anzahl theilweise
ganz glücklicher Motive enthält. Wäre nur nicht ein gar zu großes Gemisch
disparater, gesuchter und frivoler Sätze darin! Wäre der Fluß, der einen bei
den Compositionen echter Meister fortträgt, nicht fortwährend gehemmt, finge
eS nicht gar zu oft wieder von vorn an! Den Rath, den Goethes "Director"
ertheilt,"


"Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken

ist vom Componisten allzu gewissenhaft befolgt worden. Sollten auch die
folgenden Wvrre des erfahrenen Mannes ,,solch ein Ragout, es muß Euch
glücken," sollten auch diese zur Wahrheit werden? Wir sind weit entfernt ver¬
schweigen zu wollen, daß dem Componisten-Dirigenten nach der Aufführung
der Festklänge der rauschendste Beifall zu Theil ward.

Die hervortretendste Nummer auf dem Programm des zweiten Tages war
unzweifelhaft die Trilogie von Berlioz ,,die Kindheit Christi". Der vielgenannte
Franzose hat zwar einen großen Theil seiner Compositionen in Deutschland
selbst aufgeführt; so viel wir wissen, war es aber das erste Mal, daß man ein
so umfangreiches Werk desselben bei einer so bedeutenden Veranlassung, ohne
daß er selbst gegenwärtig, zur Aufführung brachte. Zur Aufführung bringen
wollte, müßte man eigentlich sagen; denn in der Hauptsache wurde nichts
daraus.

Bekanntlich hat Berlirz den mittleren Theil dieses Werkes "die Flucht
nach Aegypten" halb zufällig, halb als eine Art von Mystification componirt.
Er befleißigte sich dabei einer gewissen Einfachheit, vermied, um eine alter-
thümliche (?) Farbe zu erhalten, in gewissen Stücken den Leitton anzuwenden,


und habe sich nur schriftlich dahin geäußert, daß er Schumann auf dem Pro¬
gramm wünsche, es sei gleich viel mit welchem Werke. Das ist aber gar nicht
gleichgültig, denn das Programm sollte nicht beweisen, daß Liszt auch Schu¬
mann gelten lasse, sondern eS sollte Compositionen enthalten, welche das
Musikfest zu einem wahrhaften Feste für Ausübende und Zuhörende stempelte.
Dazu konnte aber des Sängers Fluch, so interessant er ist, nicht beitragen.

Daß man eine von Liszts „symphonischen Dichtungen" zu Gehör brachte,
war dagegen ganz in der Ordnung. Abgesehen davon, daß man bei den meisten
Musikfesten dem Dirigenten auch als Componisten eine Stelle aus dem Pro¬
gramm anzuweisen gewohnt ist, war es auch vom allgemeinsten Interesse, eine
dieser vielbesprochenen Compositionen zu hören, welche nach den Berichten der
neuen Zeitschrift für Musik das Höchste sein sollen, was bis jetzt die Instru¬
mentalmusik hervorgebracht, während die bisherigen Aufführungen in Wien,
Leipzig, Berlinj einen mindestens sehr zweifelhaften Erfolg gehabt. Liszt hatte
die „Festklänge" gewählt, jedenfalls eine der wenigst pretentiö'sen seiner Or-
chestercompositionen (sie entbehrt sogar des. Programms) und auch vielleicht
diejenige unter den bis jetzt erschienenen, welche die größte Anzahl theilweise
ganz glücklicher Motive enthält. Wäre nur nicht ein gar zu großes Gemisch
disparater, gesuchter und frivoler Sätze darin! Wäre der Fluß, der einen bei
den Compositionen echter Meister fortträgt, nicht fortwährend gehemmt, finge
eS nicht gar zu oft wieder von vorn an! Den Rath, den Goethes „Director"
ertheilt,"


„Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken

ist vom Componisten allzu gewissenhaft befolgt worden. Sollten auch die
folgenden Wvrre des erfahrenen Mannes ,,solch ein Ragout, es muß Euch
glücken," sollten auch diese zur Wahrheit werden? Wir sind weit entfernt ver¬
schweigen zu wollen, daß dem Componisten-Dirigenten nach der Aufführung
der Festklänge der rauschendste Beifall zu Theil ward.

Die hervortretendste Nummer auf dem Programm des zweiten Tages war
unzweifelhaft die Trilogie von Berlioz ,,die Kindheit Christi". Der vielgenannte
Franzose hat zwar einen großen Theil seiner Compositionen in Deutschland
selbst aufgeführt; so viel wir wissen, war es aber das erste Mal, daß man ein
so umfangreiches Werk desselben bei einer so bedeutenden Veranlassung, ohne
daß er selbst gegenwärtig, zur Aufführung brachte. Zur Aufführung bringen
wollte, müßte man eigentlich sagen; denn in der Hauptsache wurde nichts
daraus.

Bekanntlich hat Berlirz den mittleren Theil dieses Werkes „die Flucht
nach Aegypten" halb zufällig, halb als eine Art von Mystification componirt.
Er befleißigte sich dabei einer gewissen Einfachheit, vermied, um eine alter-
thümliche (?) Farbe zu erhalten, in gewissen Stücken den Leitton anzuwenden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/60>, abgerufen am 12.12.2024.