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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Wir müssen auf die Behandlung der uhlandschen Ballade, welche man ver¬
sucht wäre, eine Mißhandlung zu nennen, etwas näher eingehen.

Herr Pohl hat nicht etwa den Stoff des berühmten Gedichts zu einem
selbstständigen Opus verwandt, er hat im Gegentheil von den 16 Strophen
des Originals etwa 13 vollständig oder doch nur mit geringen Veränderungen
oder Auslassungen beibehalten und die Einlagen, die er gemacht, sind größten-
theils uhlandschen Gedichten entlehnt. An manchen Stellen war er freilich
genöthigt, selbst Verse zu verfertigen, die sich natürlich neben den uhlandschen
ziemlich kläglich ausnehmen, was wir ihm jedoch am wenigsten vorwerfen
wollen. Versuchen wir eine Analyse des Ganzen zu geben, zu deren Ver¬
ständniß wir jedoch den geneigten Leser bitten müssen das uhlandsche Gedicht
M Hand zu nehmen. Die "Erzählerin" (eine mißliche Person) singt die drei
ersten Strophen; von der vierten an wird es dramatisch. Der alte Harfner
beginnt mit den hinzugefügten Worten "die Stunde ist gekommen" und geht
dann über in den Originaltext, "nun sei bereit, mein Sohn u. s. w." Nach
Beendigung derselben kommt aber ein von H. Pohl angefertigtes Zwiegespräch
Zwischen den beiden Sängern, welches wir zur Erbauung des Lesers ganz
wiedergeben müssen.


Jüngling.

Wie kann ein Herz ich rühren, mit meines Liedes Klang,
Wohin mit Frühlingswehen die Liebe nimmer drang?
Ich sang wol oft mit Zagen, doch nie mit tieferen Schmerz
Und nimmer war so finster, so bange mir ums Herz.

Harfner.

Mein Kind, was soll das Zagen, mein Sohn was fürchtest du?
Beschworst mit deiner Harfe doch manchen Sturm zur Ruh.
Den eignen Gram vergessend blick auf zur Königin
Entrissen ihrer Heimath welkt auf dem Thron sie hin.

Jüngling.

Ihr mahnt mich recht, ihr mahnt mich recht, ich kenne wohl ihr Leid,
Das klingt so bang herüber aus unsrer Jugendzeit!
Dahin die sel'gen Träume, mich faßt ein tiefes Weh,
Da sich die Stunde nahet, wo ich sie wiederseh!

Harfner.

Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz.

Jüngling.

Ich sang wol oft mit Zagen, doch nie mit tieferen Schmerz.


Es möchte sehr schwer sein, sich von dem Gemüthszustande des Jünglings
"ach diesen Zeilen irgend eine deutliche Vorstellung zu machen. Aber gehen
wir weiter. Der König fordert die Sänger zum Vortrag ihrer besten Lieder
auf. Und nun beginnt eine Folge von Auszügen (?) uhlandscher Gedichte,


Wir müssen auf die Behandlung der uhlandschen Ballade, welche man ver¬
sucht wäre, eine Mißhandlung zu nennen, etwas näher eingehen.

Herr Pohl hat nicht etwa den Stoff des berühmten Gedichts zu einem
selbstständigen Opus verwandt, er hat im Gegentheil von den 16 Strophen
des Originals etwa 13 vollständig oder doch nur mit geringen Veränderungen
oder Auslassungen beibehalten und die Einlagen, die er gemacht, sind größten-
theils uhlandschen Gedichten entlehnt. An manchen Stellen war er freilich
genöthigt, selbst Verse zu verfertigen, die sich natürlich neben den uhlandschen
ziemlich kläglich ausnehmen, was wir ihm jedoch am wenigsten vorwerfen
wollen. Versuchen wir eine Analyse des Ganzen zu geben, zu deren Ver¬
ständniß wir jedoch den geneigten Leser bitten müssen das uhlandsche Gedicht
M Hand zu nehmen. Die „Erzählerin" (eine mißliche Person) singt die drei
ersten Strophen; von der vierten an wird es dramatisch. Der alte Harfner
beginnt mit den hinzugefügten Worten „die Stunde ist gekommen" und geht
dann über in den Originaltext, „nun sei bereit, mein Sohn u. s. w." Nach
Beendigung derselben kommt aber ein von H. Pohl angefertigtes Zwiegespräch
Zwischen den beiden Sängern, welches wir zur Erbauung des Lesers ganz
wiedergeben müssen.


Jüngling.

Wie kann ein Herz ich rühren, mit meines Liedes Klang,
Wohin mit Frühlingswehen die Liebe nimmer drang?
Ich sang wol oft mit Zagen, doch nie mit tieferen Schmerz
Und nimmer war so finster, so bange mir ums Herz.

Harfner.

Mein Kind, was soll das Zagen, mein Sohn was fürchtest du?
Beschworst mit deiner Harfe doch manchen Sturm zur Ruh.
Den eignen Gram vergessend blick auf zur Königin
Entrissen ihrer Heimath welkt auf dem Thron sie hin.

Jüngling.

Ihr mahnt mich recht, ihr mahnt mich recht, ich kenne wohl ihr Leid,
Das klingt so bang herüber aus unsrer Jugendzeit!
Dahin die sel'gen Träume, mich faßt ein tiefes Weh,
Da sich die Stunde nahet, wo ich sie wiederseh!

Harfner.

Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz.

Jüngling.

Ich sang wol oft mit Zagen, doch nie mit tieferen Schmerz.


Es möchte sehr schwer sein, sich von dem Gemüthszustande des Jünglings
»ach diesen Zeilen irgend eine deutliche Vorstellung zu machen. Aber gehen
wir weiter. Der König fordert die Sänger zum Vortrag ihrer besten Lieder
auf. Und nun beginnt eine Folge von Auszügen (?) uhlandscher Gedichte,


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[0055] Wir müssen auf die Behandlung der uhlandschen Ballade, welche man ver¬ sucht wäre, eine Mißhandlung zu nennen, etwas näher eingehen. Herr Pohl hat nicht etwa den Stoff des berühmten Gedichts zu einem selbstständigen Opus verwandt, er hat im Gegentheil von den 16 Strophen des Originals etwa 13 vollständig oder doch nur mit geringen Veränderungen oder Auslassungen beibehalten und die Einlagen, die er gemacht, sind größten- theils uhlandschen Gedichten entlehnt. An manchen Stellen war er freilich genöthigt, selbst Verse zu verfertigen, die sich natürlich neben den uhlandschen ziemlich kläglich ausnehmen, was wir ihm jedoch am wenigsten vorwerfen wollen. Versuchen wir eine Analyse des Ganzen zu geben, zu deren Ver¬ ständniß wir jedoch den geneigten Leser bitten müssen das uhlandsche Gedicht M Hand zu nehmen. Die „Erzählerin" (eine mißliche Person) singt die drei ersten Strophen; von der vierten an wird es dramatisch. Der alte Harfner beginnt mit den hinzugefügten Worten „die Stunde ist gekommen" und geht dann über in den Originaltext, „nun sei bereit, mein Sohn u. s. w." Nach Beendigung derselben kommt aber ein von H. Pohl angefertigtes Zwiegespräch Zwischen den beiden Sängern, welches wir zur Erbauung des Lesers ganz wiedergeben müssen. Jüngling. Wie kann ein Herz ich rühren, mit meines Liedes Klang, Wohin mit Frühlingswehen die Liebe nimmer drang? Ich sang wol oft mit Zagen, doch nie mit tieferen Schmerz Und nimmer war so finster, so bange mir ums Herz. Harfner. Mein Kind, was soll das Zagen, mein Sohn was fürchtest du? Beschworst mit deiner Harfe doch manchen Sturm zur Ruh. Den eignen Gram vergessend blick auf zur Königin Entrissen ihrer Heimath welkt auf dem Thron sie hin. Jüngling. Ihr mahnt mich recht, ihr mahnt mich recht, ich kenne wohl ihr Leid, Das klingt so bang herüber aus unsrer Jugendzeit! Dahin die sel'gen Träume, mich faßt ein tiefes Weh, Da sich die Stunde nahet, wo ich sie wiederseh! Harfner. Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz. Jüngling. Ich sang wol oft mit Zagen, doch nie mit tieferen Schmerz. Es möchte sehr schwer sein, sich von dem Gemüthszustande des Jünglings »ach diesen Zeilen irgend eine deutliche Vorstellung zu machen. Aber gehen wir weiter. Der König fordert die Sänger zum Vortrag ihrer besten Lieder auf. Und nun beginnt eine Folge von Auszügen (?) uhlandscher Gedichte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/55>, abgerufen am 25.08.2024.