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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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ten der Südgrenze, von wo hauptsächlich die Sklavcnherden herbeigetrieben
wurden, wilklich beobachtet.

Man sieht, es ist ziemlich viel geschehen in den drei Jahren seit Said
Pascha regiert. Die ungemessenen Lobsprüche aber, womit der Herr v. Les-
sepS in den unter seinem Einflüsse stehenden Zeitungen den Vicekönig über¬
schüttet, hat er nicht verdient. Er ist nur vergleichsweise ein guter Regent,
aber nichts weniger alö der Reformator, den Aegypten braucht, und eS hätte,
ohne daß man genöthigt gewesen wäre, sich zu überstürzen, weit mehr ge¬
bessert und umgeschaffen werdeu können. Noch sind, um nur ein recht grelles
Beispiel anzuführen, die Schöpfmaschinen, mit welchen die Bauern während
der Zeit, wo der Nil niedrig fließt, ihre Felder bewässern, so hoch besteuert,
daß viele derselbe" von ihren Besitzern verlassen wurden, worauf daS dazu
gehörige Feld wüst liegen blieb. Die gesunde Vernunft hätte lehren können,
daß diese Anstalten eher zu belohnen, als zu besteuern sind. Hier aber ver¬
langt die Negierung von jeder einzelnen dieser Sakiehs jährlich die Summe
von 200 Piastern.

Aegypten bedarf, um sich rasch zu erholen, anderer Mittel, und eS bedarf
anderer Kräfte, als sie die Familie Mehemed Alis in sich begreift, und als sie
überhaupt der Orient bietet. Said Pascha scheint nicht weiter reformire" zu
wollen. Vielleicht hat er sich ausgegeben. Das Wichtigste, womit er sich in
der letzte" Zeit beschäftigte, war eine neue Uniformirung der Armee, auf die
unnöihig große Summen verschwendet wurden. Wie die Zukunft sich ge¬
stalten wird, wissen wir nicht. Vielleicht, daß einst wirklich der Sultan nach
Kairo auszieht, und daß in dem Geschlechte MahmubS II. ein Reformator
aufsteht. Vielleicht auch, daß Frankreich hier sein Ziel erreicht oder England
daS CivilisativnSwerk übernimmt. Der Körper deS Landes ist gesund, es be¬
darf nur eines neuen Geistes, um es völlig von dem Bann zu erlösen, der
es noch immer an voller Entwicklung hindert.




Korrespondenzen.
Li>.

Die rheinische Handelskammer hat in ihrem letzten
Bericht einige sehnsüchtige Blicke auf eine bevorstehende Zolleinigung mit Oestreich
geworfen, und da gleichzeitig auch die Ostseczeitung bei einer Besprechung der
letzten Zollvereinsconferenz es als ihre Ueberzeugung ausgesprochen hat, daß der
Beitritt Oestreichs zum Zollverein allein die handelspolitische Erstarrung, in welche
derselbe verfallen, heilen könne, so find sofort diese Aeußerungen von der östrei¬
chische Interessen vertretenden Presse als ein sicheres Zeichen registrirt worden,
daß ganz Norddeutschland nach dem Augenblick lechze, wo es sich der handelspoli-


ten der Südgrenze, von wo hauptsächlich die Sklavcnherden herbeigetrieben
wurden, wilklich beobachtet.

Man sieht, es ist ziemlich viel geschehen in den drei Jahren seit Said
Pascha regiert. Die ungemessenen Lobsprüche aber, womit der Herr v. Les-
sepS in den unter seinem Einflüsse stehenden Zeitungen den Vicekönig über¬
schüttet, hat er nicht verdient. Er ist nur vergleichsweise ein guter Regent,
aber nichts weniger alö der Reformator, den Aegypten braucht, und eS hätte,
ohne daß man genöthigt gewesen wäre, sich zu überstürzen, weit mehr ge¬
bessert und umgeschaffen werdeu können. Noch sind, um nur ein recht grelles
Beispiel anzuführen, die Schöpfmaschinen, mit welchen die Bauern während
der Zeit, wo der Nil niedrig fließt, ihre Felder bewässern, so hoch besteuert,
daß viele derselbe« von ihren Besitzern verlassen wurden, worauf daS dazu
gehörige Feld wüst liegen blieb. Die gesunde Vernunft hätte lehren können,
daß diese Anstalten eher zu belohnen, als zu besteuern sind. Hier aber ver¬
langt die Negierung von jeder einzelnen dieser Sakiehs jährlich die Summe
von 200 Piastern.

Aegypten bedarf, um sich rasch zu erholen, anderer Mittel, und eS bedarf
anderer Kräfte, als sie die Familie Mehemed Alis in sich begreift, und als sie
überhaupt der Orient bietet. Said Pascha scheint nicht weiter reformire» zu
wollen. Vielleicht hat er sich ausgegeben. Das Wichtigste, womit er sich in
der letzte» Zeit beschäftigte, war eine neue Uniformirung der Armee, auf die
unnöihig große Summen verschwendet wurden. Wie die Zukunft sich ge¬
stalten wird, wissen wir nicht. Vielleicht, daß einst wirklich der Sultan nach
Kairo auszieht, und daß in dem Geschlechte MahmubS II. ein Reformator
aufsteht. Vielleicht auch, daß Frankreich hier sein Ziel erreicht oder England
daS CivilisativnSwerk übernimmt. Der Körper deS Landes ist gesund, es be¬
darf nur eines neuen Geistes, um es völlig von dem Bann zu erlösen, der
es noch immer an voller Entwicklung hindert.




Korrespondenzen.
Li>.

Die rheinische Handelskammer hat in ihrem letzten
Bericht einige sehnsüchtige Blicke auf eine bevorstehende Zolleinigung mit Oestreich
geworfen, und da gleichzeitig auch die Ostseczeitung bei einer Besprechung der
letzten Zollvereinsconferenz es als ihre Ueberzeugung ausgesprochen hat, daß der
Beitritt Oestreichs zum Zollverein allein die handelspolitische Erstarrung, in welche
derselbe verfallen, heilen könne, so find sofort diese Aeußerungen von der östrei¬
chische Interessen vertretenden Presse als ein sicheres Zeichen registrirt worden,
daß ganz Norddeutschland nach dem Augenblick lechze, wo es sich der handelspoli-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/523>, abgerufen am 12.12.2024.