Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

danken, sein Pferd in eines der öffentlichen Bäder zu schicken. Der Besitzer
des Bades, welchem er diese Zumuthung gemacht, unterstand sich, einzuwenden,
das Pferd könne auf den Marmorplatten seiner Zimmer ausgleiten und fallen,
sich auch beim Heraustreten aus der heiße" Atmosphäre (die türkischen Bäder
sind Dampfbäder) leicht erkälten, uno eS sei daher besser, den Inhalt des Bassins
seiner Anstalt nach dem Stalle des Pferdes zu schaffen und die Abwaschung dort
vorzunehmen. Mustafa Kaschif erwiderte: "Ich sehe wol, es gefällt dir nicht,
daß mein Pferd in dein Bad kommt, aber stehe zu, daß dich die Weigerung
nickt gereut." Dann gebot er seinen Dienern, den Mann zu Boden zu werfen
und so lange zu peitschen, bis er sagen werde, eS sei genug. Sie thaten wie
ihnen geheißen, und der Wütherich hieß sie nicht eher aufhören, bis daS Opfer
seiner Grausamkeit todt war.

Derartige Barbarei kommt jetzt, in Kairo und Alerandrien wenigstens,
nicht mehr vor. Die Beamten sind in der Regel käuflich, die Richter vom
untersten bis zum obersten bestechlich, das Princip der gesammten Verwaltung
ist, wie Sachkenner übereinstimmend sich ausdrückten, der Diebstahl. Aber
jener willkürlichen und grausamen Justiz und jener Willkür der Beamten ist
für immer ein Ende gemacht. Das Volk ist mindestens seines Lebens sicher.
Manche der schwersten Lasten sind ihm abgenommen. Die Steuern sind schon
seit Jahren nicht mehr so unerschwinglich, wie da, wo daS schwach bevölkerte
Land (Aegypten hat ungefähr zwei und eine halbe Million Einwohner) ein
Heer von 120,000 Mann zu erhalten hatte. Der Handel hat sich beträcht¬
lich gehoben, auch die Lage der ackerbauenden Classe hat sich gebessert, und
hier und da zeigt sich unter den Fellcchin schon ein Anschein von Wohl¬
stand. Aegypten mit seiner außerordentlichen Fruchtbarkeit ist selbst durch die
verkehrteste Verwaltung und durch daS grausamste AuSsaugungSsystem nicht
völlig zu Grunde zu richten. Bei nur einigermaßen verständiger Behandlung
muß eS wieder ein blühendes Land werden. Die jetzige Regierung ist nichts
weniger als ein Muster, aber indem der Vicekönig den Ehrgeiz seines Vaters
aufgegeben und wenigstens die nothwendigsten Reformen eingeführt hat, ist
schon unendlich viel gewonnen.

Schon mit dem Regierungsantritt Abbas Paschas schien ein Stern der
Hoffnung für Aegypten aufzugehen. Das Heer wurde vermindert, die Staats-
ausgaben beschränkt, die nutzlosen Fabriken Mehemed Alis gingen mit wenigen
Ausnahmen ein. Die Kopfsteuer und die Handelsmonopole für Producte aus
Centralafrika halten ein Ende. Bald aber ermattete der Pascha auf dem Wege
des Fortschritts. Es war nur eine gutmüthige Laune gewesen, wenn er ihn
überhaupt betreten hatte. Nach wenigen Monaten gingen die Angelegenheiten
wieder im alten Geleise. Alchas war zu Regierungsgeschäften vollkommen unfähig.
Religiöse Uebungen, sein Pferdestall und sein Knabenharem nahmen fast seine


danken, sein Pferd in eines der öffentlichen Bäder zu schicken. Der Besitzer
des Bades, welchem er diese Zumuthung gemacht, unterstand sich, einzuwenden,
das Pferd könne auf den Marmorplatten seiner Zimmer ausgleiten und fallen,
sich auch beim Heraustreten aus der heiße» Atmosphäre (die türkischen Bäder
sind Dampfbäder) leicht erkälten, uno eS sei daher besser, den Inhalt des Bassins
seiner Anstalt nach dem Stalle des Pferdes zu schaffen und die Abwaschung dort
vorzunehmen. Mustafa Kaschif erwiderte: „Ich sehe wol, es gefällt dir nicht,
daß mein Pferd in dein Bad kommt, aber stehe zu, daß dich die Weigerung
nickt gereut." Dann gebot er seinen Dienern, den Mann zu Boden zu werfen
und so lange zu peitschen, bis er sagen werde, eS sei genug. Sie thaten wie
ihnen geheißen, und der Wütherich hieß sie nicht eher aufhören, bis daS Opfer
seiner Grausamkeit todt war.

Derartige Barbarei kommt jetzt, in Kairo und Alerandrien wenigstens,
nicht mehr vor. Die Beamten sind in der Regel käuflich, die Richter vom
untersten bis zum obersten bestechlich, das Princip der gesammten Verwaltung
ist, wie Sachkenner übereinstimmend sich ausdrückten, der Diebstahl. Aber
jener willkürlichen und grausamen Justiz und jener Willkür der Beamten ist
für immer ein Ende gemacht. Das Volk ist mindestens seines Lebens sicher.
Manche der schwersten Lasten sind ihm abgenommen. Die Steuern sind schon
seit Jahren nicht mehr so unerschwinglich, wie da, wo daS schwach bevölkerte
Land (Aegypten hat ungefähr zwei und eine halbe Million Einwohner) ein
Heer von 120,000 Mann zu erhalten hatte. Der Handel hat sich beträcht¬
lich gehoben, auch die Lage der ackerbauenden Classe hat sich gebessert, und
hier und da zeigt sich unter den Fellcchin schon ein Anschein von Wohl¬
stand. Aegypten mit seiner außerordentlichen Fruchtbarkeit ist selbst durch die
verkehrteste Verwaltung und durch daS grausamste AuSsaugungSsystem nicht
völlig zu Grunde zu richten. Bei nur einigermaßen verständiger Behandlung
muß eS wieder ein blühendes Land werden. Die jetzige Regierung ist nichts
weniger als ein Muster, aber indem der Vicekönig den Ehrgeiz seines Vaters
aufgegeben und wenigstens die nothwendigsten Reformen eingeführt hat, ist
schon unendlich viel gewonnen.

Schon mit dem Regierungsantritt Abbas Paschas schien ein Stern der
Hoffnung für Aegypten aufzugehen. Das Heer wurde vermindert, die Staats-
ausgaben beschränkt, die nutzlosen Fabriken Mehemed Alis gingen mit wenigen
Ausnahmen ein. Die Kopfsteuer und die Handelsmonopole für Producte aus
Centralafrika halten ein Ende. Bald aber ermattete der Pascha auf dem Wege
des Fortschritts. Es war nur eine gutmüthige Laune gewesen, wenn er ihn
überhaupt betreten hatte. Nach wenigen Monaten gingen die Angelegenheiten
wieder im alten Geleise. Alchas war zu Regierungsgeschäften vollkommen unfähig.
Religiöse Uebungen, sein Pferdestall und sein Knabenharem nahmen fast seine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104719"/>
            <p xml:id="ID_1357" prev="#ID_1356"> danken, sein Pferd in eines der öffentlichen Bäder zu schicken. Der Besitzer<lb/>
des Bades, welchem er diese Zumuthung gemacht, unterstand sich, einzuwenden,<lb/>
das Pferd könne auf den Marmorplatten seiner Zimmer ausgleiten und fallen,<lb/>
sich auch beim Heraustreten aus der heiße» Atmosphäre (die türkischen Bäder<lb/>
sind Dampfbäder) leicht erkälten, uno eS sei daher besser, den Inhalt des Bassins<lb/>
seiner Anstalt nach dem Stalle des Pferdes zu schaffen und die Abwaschung dort<lb/>
vorzunehmen. Mustafa Kaschif erwiderte: &#x201E;Ich sehe wol, es gefällt dir nicht,<lb/>
daß mein Pferd in dein Bad kommt, aber stehe zu, daß dich die Weigerung<lb/>
nickt gereut." Dann gebot er seinen Dienern, den Mann zu Boden zu werfen<lb/>
und so lange zu peitschen, bis er sagen werde, eS sei genug. Sie thaten wie<lb/>
ihnen geheißen, und der Wütherich hieß sie nicht eher aufhören, bis daS Opfer<lb/>
seiner Grausamkeit todt war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1358"> Derartige Barbarei kommt jetzt, in Kairo und Alerandrien wenigstens,<lb/>
nicht mehr vor. Die Beamten sind in der Regel käuflich, die Richter vom<lb/>
untersten bis zum obersten bestechlich, das Princip der gesammten Verwaltung<lb/>
ist, wie Sachkenner übereinstimmend sich ausdrückten, der Diebstahl. Aber<lb/>
jener willkürlichen und grausamen Justiz und jener Willkür der Beamten ist<lb/>
für immer ein Ende gemacht. Das Volk ist mindestens seines Lebens sicher.<lb/>
Manche der schwersten Lasten sind ihm abgenommen. Die Steuern sind schon<lb/>
seit Jahren nicht mehr so unerschwinglich, wie da, wo daS schwach bevölkerte<lb/>
Land (Aegypten hat ungefähr zwei und eine halbe Million Einwohner) ein<lb/>
Heer von 120,000 Mann zu erhalten hatte. Der Handel hat sich beträcht¬<lb/>
lich gehoben, auch die Lage der ackerbauenden Classe hat sich gebessert, und<lb/>
hier und da zeigt sich unter den Fellcchin schon ein Anschein von Wohl¬<lb/>
stand. Aegypten mit seiner außerordentlichen Fruchtbarkeit ist selbst durch die<lb/>
verkehrteste Verwaltung und durch daS grausamste AuSsaugungSsystem nicht<lb/>
völlig zu Grunde zu richten. Bei nur einigermaßen verständiger Behandlung<lb/>
muß eS wieder ein blühendes Land werden. Die jetzige Regierung ist nichts<lb/>
weniger als ein Muster, aber indem der Vicekönig den Ehrgeiz seines Vaters<lb/>
aufgegeben und wenigstens die nothwendigsten Reformen eingeführt hat, ist<lb/>
schon unendlich viel gewonnen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1359" next="#ID_1360"> Schon mit dem Regierungsantritt Abbas Paschas schien ein Stern der<lb/>
Hoffnung für Aegypten aufzugehen. Das Heer wurde vermindert, die Staats-<lb/>
ausgaben beschränkt, die nutzlosen Fabriken Mehemed Alis gingen mit wenigen<lb/>
Ausnahmen ein. Die Kopfsteuer und die Handelsmonopole für Producte aus<lb/>
Centralafrika halten ein Ende. Bald aber ermattete der Pascha auf dem Wege<lb/>
des Fortschritts. Es war nur eine gutmüthige Laune gewesen, wenn er ihn<lb/>
überhaupt betreten hatte. Nach wenigen Monaten gingen die Angelegenheiten<lb/>
wieder im alten Geleise. Alchas war zu Regierungsgeschäften vollkommen unfähig.<lb/>
Religiöse Uebungen, sein Pferdestall und sein Knabenharem nahmen fast seine</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0518] danken, sein Pferd in eines der öffentlichen Bäder zu schicken. Der Besitzer des Bades, welchem er diese Zumuthung gemacht, unterstand sich, einzuwenden, das Pferd könne auf den Marmorplatten seiner Zimmer ausgleiten und fallen, sich auch beim Heraustreten aus der heiße» Atmosphäre (die türkischen Bäder sind Dampfbäder) leicht erkälten, uno eS sei daher besser, den Inhalt des Bassins seiner Anstalt nach dem Stalle des Pferdes zu schaffen und die Abwaschung dort vorzunehmen. Mustafa Kaschif erwiderte: „Ich sehe wol, es gefällt dir nicht, daß mein Pferd in dein Bad kommt, aber stehe zu, daß dich die Weigerung nickt gereut." Dann gebot er seinen Dienern, den Mann zu Boden zu werfen und so lange zu peitschen, bis er sagen werde, eS sei genug. Sie thaten wie ihnen geheißen, und der Wütherich hieß sie nicht eher aufhören, bis daS Opfer seiner Grausamkeit todt war. Derartige Barbarei kommt jetzt, in Kairo und Alerandrien wenigstens, nicht mehr vor. Die Beamten sind in der Regel käuflich, die Richter vom untersten bis zum obersten bestechlich, das Princip der gesammten Verwaltung ist, wie Sachkenner übereinstimmend sich ausdrückten, der Diebstahl. Aber jener willkürlichen und grausamen Justiz und jener Willkür der Beamten ist für immer ein Ende gemacht. Das Volk ist mindestens seines Lebens sicher. Manche der schwersten Lasten sind ihm abgenommen. Die Steuern sind schon seit Jahren nicht mehr so unerschwinglich, wie da, wo daS schwach bevölkerte Land (Aegypten hat ungefähr zwei und eine halbe Million Einwohner) ein Heer von 120,000 Mann zu erhalten hatte. Der Handel hat sich beträcht¬ lich gehoben, auch die Lage der ackerbauenden Classe hat sich gebessert, und hier und da zeigt sich unter den Fellcchin schon ein Anschein von Wohl¬ stand. Aegypten mit seiner außerordentlichen Fruchtbarkeit ist selbst durch die verkehrteste Verwaltung und durch daS grausamste AuSsaugungSsystem nicht völlig zu Grunde zu richten. Bei nur einigermaßen verständiger Behandlung muß eS wieder ein blühendes Land werden. Die jetzige Regierung ist nichts weniger als ein Muster, aber indem der Vicekönig den Ehrgeiz seines Vaters aufgegeben und wenigstens die nothwendigsten Reformen eingeführt hat, ist schon unendlich viel gewonnen. Schon mit dem Regierungsantritt Abbas Paschas schien ein Stern der Hoffnung für Aegypten aufzugehen. Das Heer wurde vermindert, die Staats- ausgaben beschränkt, die nutzlosen Fabriken Mehemed Alis gingen mit wenigen Ausnahmen ein. Die Kopfsteuer und die Handelsmonopole für Producte aus Centralafrika halten ein Ende. Bald aber ermattete der Pascha auf dem Wege des Fortschritts. Es war nur eine gutmüthige Laune gewesen, wenn er ihn überhaupt betreten hatte. Nach wenigen Monaten gingen die Angelegenheiten wieder im alten Geleise. Alchas war zu Regierungsgeschäften vollkommen unfähig. Religiöse Uebungen, sein Pferdestall und sein Knabenharem nahmen fast seine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/518
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/518>, abgerufen am 02.10.2024.