Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.eingeliefert. "Was, du Schuft!" sagte "er Beamte, nur 60 vom Felde dieser Auch die Bürger Kairos litten furchtbar unter der Willkür der Beamten, eingeliefert. „Was, du Schuft!" sagte »er Beamte, nur 60 vom Felde dieser Auch die Bürger Kairos litten furchtbar unter der Willkür der Beamten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104718"/> <p xml:id="ID_1355" prev="#ID_1354"> eingeliefert. „Was, du Schuft!" sagte »er Beamte, nur 60 vom Felde dieser<lb/> Stadt, und dieser da noch einmal so viel vom Ertrag eines kleinen Dorfes?"<lb/> Der Angefahrene wagte demüthig einzuwenden, jener bringe nur einmal die<lb/> Woche Korn, er aber täglich. „Askut Häuser!" (Schweig, du Schwein —<lb/> beliebte Redensart in Aegypten) rief der Gouverneur, und indem er einen<lb/> Diener herbeiwinkte, befahl er ihm, den Bauer ohne Weiteres an einen Ast<lb/> zu hängen. Der Diener gehorchte, und der Gouverneur entfernte sich. Als<lb/> er am Tage drauf wieder in dem Magazin erschien, sah er den Gehängten<lb/> beschäftigt, eine große Quantität Getreide abzuladen. „Wie," fragte er, „ist<lb/> das nicht der Bursche, den ich gestern aufknüpfen ließ?" — „Ja," erwiderte<lb/> der Diener, „aber du sagtest nur hängen, Herr, nicht todten, und da hing ich<lb/> ihn so, daß er auf den Fußspitzen stehen konnte, und als du fortgingst, ließ<lb/> ich ihn laufen." Zum Glück war der Gouverneur eine von den Bestien,<lb/> welche Humor verstehen, sonst hätte er vermuthlich den Diener jetzt von dem<lb/> Bauer hängen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1356" next="#ID_1357"> Auch die Bürger Kairos litten furchtbar unter der Willkür der Beamten,<lb/> von denen sich fast jeder das Ms AlÄäu anmaßte, und welche auch da, wo sie<lb/> wirkliche Vergehen straften, nach Laune das Maß der Strafen bestimmten.<lb/> Die Strafe für Anwendung falschen Maßes und Gewichts oder für Verkauf<lb/> von Waaren über den Marktpreis sind nach Gesetz und Brauch Stockschläge.<lb/> Ein Man'klmeister (Mvhlesib) hat Waagen und Gewichte zu prüfen und sich<lb/> nach den Preisen zu erkundigen. Diese Beamten verfuhren unter Mehemev<lb/> Ali mir den Eontravenienten ganz nach Belieben. Einer derselben ließ einen<lb/> Metzger, der etwas Fleisch verkauft, woran zwei Unzen fehlten, zur Strafe<lb/> zwei Unzen Fleisch aus dem Rücken schneiden. Ein Nudelhändler, der sich<lb/> seine Nudeln ein wenig theurer bezahlen ließ, als recht war, wurde damit be¬<lb/> straft, daß der Mothesib ihn auskleiden und auf den runden kupfernen Napf<lb/> setzen hieß, in welchem seine Waare gekocht wurde. Kawassen mußten den<lb/> armen Sünder halten, bis er tüchtig verbrannt war. Bäckern, welche zu leichte<lb/> Brote verkauft, wurde ein Loch durch die Nase gebohrt, ein Faden hindurch¬<lb/> gezogen und eines der Brote daran gehangen, worauf man den Sünder nackt<lb/> an die Gitter eines Fensters in einer Moschee band und dort einige Stunden<lb/> stehen ließ. Für die unbedeutendsten Uebertretungen wurden den Leuten die<lb/> Ohrläppchen abgeschnitten. Besonders berüchtigt scheint ein gewisser Mustafa<lb/> Kaschif gewesen zu sein, der häufig blos zum Vergnügen diese Verstümmelung<lb/> verhängt haben soll. Einmal traf er in einer der Marktstraßen einen Mann,<lb/> welcher einen großen Korb voll thönerner Wasserflaschen vor sich stehen hatte,<lb/> und diese für Waare von Kenneh, einem wegen seiner trefflichen Töpferarbeit<lb/> berühmten Orte in Oberägypten, ausgab. Mustafa Kaschif ließ ihm alle seine<lb/> Flaschen einzeln auf dem Kopfe zerschlagen. Einmal gerieth er auf den Ge-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0517]
eingeliefert. „Was, du Schuft!" sagte »er Beamte, nur 60 vom Felde dieser
Stadt, und dieser da noch einmal so viel vom Ertrag eines kleinen Dorfes?"
Der Angefahrene wagte demüthig einzuwenden, jener bringe nur einmal die
Woche Korn, er aber täglich. „Askut Häuser!" (Schweig, du Schwein —
beliebte Redensart in Aegypten) rief der Gouverneur, und indem er einen
Diener herbeiwinkte, befahl er ihm, den Bauer ohne Weiteres an einen Ast
zu hängen. Der Diener gehorchte, und der Gouverneur entfernte sich. Als
er am Tage drauf wieder in dem Magazin erschien, sah er den Gehängten
beschäftigt, eine große Quantität Getreide abzuladen. „Wie," fragte er, „ist
das nicht der Bursche, den ich gestern aufknüpfen ließ?" — „Ja," erwiderte
der Diener, „aber du sagtest nur hängen, Herr, nicht todten, und da hing ich
ihn so, daß er auf den Fußspitzen stehen konnte, und als du fortgingst, ließ
ich ihn laufen." Zum Glück war der Gouverneur eine von den Bestien,
welche Humor verstehen, sonst hätte er vermuthlich den Diener jetzt von dem
Bauer hängen lassen.
Auch die Bürger Kairos litten furchtbar unter der Willkür der Beamten,
von denen sich fast jeder das Ms AlÄäu anmaßte, und welche auch da, wo sie
wirkliche Vergehen straften, nach Laune das Maß der Strafen bestimmten.
Die Strafe für Anwendung falschen Maßes und Gewichts oder für Verkauf
von Waaren über den Marktpreis sind nach Gesetz und Brauch Stockschläge.
Ein Man'klmeister (Mvhlesib) hat Waagen und Gewichte zu prüfen und sich
nach den Preisen zu erkundigen. Diese Beamten verfuhren unter Mehemev
Ali mir den Eontravenienten ganz nach Belieben. Einer derselben ließ einen
Metzger, der etwas Fleisch verkauft, woran zwei Unzen fehlten, zur Strafe
zwei Unzen Fleisch aus dem Rücken schneiden. Ein Nudelhändler, der sich
seine Nudeln ein wenig theurer bezahlen ließ, als recht war, wurde damit be¬
straft, daß der Mothesib ihn auskleiden und auf den runden kupfernen Napf
setzen hieß, in welchem seine Waare gekocht wurde. Kawassen mußten den
armen Sünder halten, bis er tüchtig verbrannt war. Bäckern, welche zu leichte
Brote verkauft, wurde ein Loch durch die Nase gebohrt, ein Faden hindurch¬
gezogen und eines der Brote daran gehangen, worauf man den Sünder nackt
an die Gitter eines Fensters in einer Moschee band und dort einige Stunden
stehen ließ. Für die unbedeutendsten Uebertretungen wurden den Leuten die
Ohrläppchen abgeschnitten. Besonders berüchtigt scheint ein gewisser Mustafa
Kaschif gewesen zu sein, der häufig blos zum Vergnügen diese Verstümmelung
verhängt haben soll. Einmal traf er in einer der Marktstraßen einen Mann,
welcher einen großen Korb voll thönerner Wasserflaschen vor sich stehen hatte,
und diese für Waare von Kenneh, einem wegen seiner trefflichen Töpferarbeit
berühmten Orte in Oberägypten, ausgab. Mustafa Kaschif ließ ihm alle seine
Flaschen einzeln auf dem Kopfe zerschlagen. Einmal gerieth er auf den Ge-
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