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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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wenn eS gar keine Terrainschwierigkeiten gäbe und die Rentabilität vollständig
gesichert wäre.

Wir schließen mit einem kurzen Ueberblick über die Veränderungen in der
Verwaltung Aegyptens während der letzten Jahre. Niemand wird in Abrede
zu stellen geneigt sein, daß Mehemed Ali einer der bedeutendsten Männer
seiner Zeit war, daß er ungewöhnliche Geistesgaben besaß und daß sich in
seinem Wesen ein außerordentlicher Verstand mit einer erstaunlichen Kühnheit
in seinen Unternehmungen verband. Die neue Zeit aber, die jetzt seit Jahren
in Aegypten dämmert, ohne doch zu vollem Tageslichte durchbrechen zu können,
bat er nicht herbeigeführt, kaum angebahnt. Die Manufacturen, die er ein¬
bürgerte, dienten nur seinen persönlichen Zwecken. Den Handel beschränkte
er, statt ihn zu befreien. Ein unerhörter Steuerdruck lastete auf allen Classen.
Das Landvolk versetzte er in einen Zustand, der um Vieles schlimmer als
Leibeigenschaft war, und vor dem ganze Ortschaften nach Syrien und in die
Wüste auswanderten. Selbst unter den Mamelucken wurde das Recht nicht
so ""gescheut gebeugt, als unter ihm. Selbst unter den wildesten Chalifen
und Sultanen wurde nicht barbarischer mit dem niedern Volke umgegangen,
mis es von den Beamten geschah, die unter ihm das Land knechteten und
aussaugten. Seit Jahrhunderten war Aegypten nicht so groß gewesen, als
er es machte, seit Jahrhunderten aber auch nicht so unglücklich. Mit seinem
Tode vergingen die meisten seiner Culturwerke, hinter ihm blieb ein armes,
zerplagtes, ansgesogenes Geschlecht von Sklaven zurück.

In welcher Weise noch in den letzten Jahren seiner Regierung die Be¬
amten schälkelen, mögen einige Beispiele zeigen. Das Landvolk sollte nur den
Acker bauen, niemand durste Dinge erzeugen, welche in den vom Pascha ge¬
gründeten Fabriken gemacht wurden. Eigne Aufseher wachten darüber, daß
nicht gegen dieses Monopol, welches grade die nothwendigsten Bedürfnisse,
Linnen-, Baumwollen- und Wollenstoffe, umfaßte, gesündigt wurde. Von
manchen dieser Beamten leben noch jetzt im Munde deö Volkes die grauen¬
vollsten Geschichten. Einer derselben ließ die, welche er beim Verkauf selbst¬
gewebter Leinwand betraf, in ein Slück ihres eignen Gewebes, das vorher
mit Theer bestrichen worden, wickeln, sie an einen Baum hängen und die Um¬
hüllung anzünden, so daß die Unseligen langsam verbrannten. Das Landvolk
mußte ferner alles Getreide oder wenigstens den größten Theil dessen, welches
es geerntet, gegen einen ein für alle Mal festgestellten, sehr niedrigen Preis
in die Speicher der Regierung abliefern. Wer sich säumig zeigte, wurde streng
bestraft. Einst ging der Gouverneur von Tarda Abends nach dem Magazin,
und als er dort zwei Bauer" schlafend fand, fragte er, was sie hier zu schaffen
hätten. Der eine antwortete, er habe 120 Ardeb Getreide von einem ent¬
fernten Dorfe gebracht, der andere, er habe halb so viel vom Felde der Stadt


wenn eS gar keine Terrainschwierigkeiten gäbe und die Rentabilität vollständig
gesichert wäre.

Wir schließen mit einem kurzen Ueberblick über die Veränderungen in der
Verwaltung Aegyptens während der letzten Jahre. Niemand wird in Abrede
zu stellen geneigt sein, daß Mehemed Ali einer der bedeutendsten Männer
seiner Zeit war, daß er ungewöhnliche Geistesgaben besaß und daß sich in
seinem Wesen ein außerordentlicher Verstand mit einer erstaunlichen Kühnheit
in seinen Unternehmungen verband. Die neue Zeit aber, die jetzt seit Jahren
in Aegypten dämmert, ohne doch zu vollem Tageslichte durchbrechen zu können,
bat er nicht herbeigeführt, kaum angebahnt. Die Manufacturen, die er ein¬
bürgerte, dienten nur seinen persönlichen Zwecken. Den Handel beschränkte
er, statt ihn zu befreien. Ein unerhörter Steuerdruck lastete auf allen Classen.
Das Landvolk versetzte er in einen Zustand, der um Vieles schlimmer als
Leibeigenschaft war, und vor dem ganze Ortschaften nach Syrien und in die
Wüste auswanderten. Selbst unter den Mamelucken wurde das Recht nicht
so »»gescheut gebeugt, als unter ihm. Selbst unter den wildesten Chalifen
und Sultanen wurde nicht barbarischer mit dem niedern Volke umgegangen,
mis es von den Beamten geschah, die unter ihm das Land knechteten und
aussaugten. Seit Jahrhunderten war Aegypten nicht so groß gewesen, als
er es machte, seit Jahrhunderten aber auch nicht so unglücklich. Mit seinem
Tode vergingen die meisten seiner Culturwerke, hinter ihm blieb ein armes,
zerplagtes, ansgesogenes Geschlecht von Sklaven zurück.

In welcher Weise noch in den letzten Jahren seiner Regierung die Be¬
amten schälkelen, mögen einige Beispiele zeigen. Das Landvolk sollte nur den
Acker bauen, niemand durste Dinge erzeugen, welche in den vom Pascha ge¬
gründeten Fabriken gemacht wurden. Eigne Aufseher wachten darüber, daß
nicht gegen dieses Monopol, welches grade die nothwendigsten Bedürfnisse,
Linnen-, Baumwollen- und Wollenstoffe, umfaßte, gesündigt wurde. Von
manchen dieser Beamten leben noch jetzt im Munde deö Volkes die grauen¬
vollsten Geschichten. Einer derselben ließ die, welche er beim Verkauf selbst¬
gewebter Leinwand betraf, in ein Slück ihres eignen Gewebes, das vorher
mit Theer bestrichen worden, wickeln, sie an einen Baum hängen und die Um¬
hüllung anzünden, so daß die Unseligen langsam verbrannten. Das Landvolk
mußte ferner alles Getreide oder wenigstens den größten Theil dessen, welches
es geerntet, gegen einen ein für alle Mal festgestellten, sehr niedrigen Preis
in die Speicher der Regierung abliefern. Wer sich säumig zeigte, wurde streng
bestraft. Einst ging der Gouverneur von Tarda Abends nach dem Magazin,
und als er dort zwei Bauer« schlafend fand, fragte er, was sie hier zu schaffen
hätten. Der eine antwortete, er habe 120 Ardeb Getreide von einem ent¬
fernten Dorfe gebracht, der andere, er habe halb so viel vom Felde der Stadt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/516>, abgerufen am 29.09.2024.