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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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ihnen die Arbeitgeber die Lohnbedingungen zu dictiren vermochten, wegen der
großen Concurrenz auf ihrer Seite, wegen der Menge rüstiger Arme, die alle
Beschäftigung suchten. Der für sie schädlichen Wirkung dieser Concurrenz
glaubten sie nun durch ihre Einigkeit begegnen und ihre Lohnforderungen
durch allgemeine Arbeitsverweigerung durchsetzen zu können. Wirklich organi-
sirte sich in den Arbeilergewerkschaftcn, hauptsächlich der Bergwerks- und
Fabrikvistricte, eine ganze Anzahl solcher Vereine, (trabes unions), welche gegen
Fabrikanten, die nicht auf ihre Bedingungen eingingen, in vielen Fällen Arbeits¬
einstellung in Masse (Strikes) durchsetzten. Indessen verfehlten dieselben doch
meist ihren Zweck, weil daS Mittel, die zu große Concurrenz auf Seiten der
Arbeiter durch Arbeitseinstellung zu beseitigen, bei Leuten, deren einzige
Eristenzquelle die Arbeit ist, niemals auf die Dauer durchgeführt werden kann.
Bald waren die Fonds der Vereinskassen erschöpft, und nicht selten mußte man
gegen noch härtere Bedingungen, als vorher, zur Arbeit zurückkehren, weil sich
die Arbeitsgeber indessen nicht nur durch Deserteure aus den Reihen der Ver¬
bündeten selbst, sondern auch durch neu herangebildete Arbeiter, so gut sie
konnten, wenigstens theilweis versehen hatten. Wir verweilen indessen bei
diesen Vereinen nicht länger, so interessant auch die Geschichte ihrer hart¬
näckigen, noch jetzt fortgesetzten Kämpfe ist, in denen Kräfte und Mittel leider
nutzlos geopfert werden, mit denen sich haltbare, gesunde Organisationen in
Fülle hervorrufen ließen. Dieselben sind einmal nach dem Stande der Gesetz¬
gebung bei uns nicht möglich, und sodann im Princip durchaus verfehlt, wes¬
halb wir zu einem Anstoß übergehn, den die Bewegung von einer andern
Seite erhielt, durch das Auftreten des bekannten Robert Owen nämlich. Nach¬
dem dieser merkwürdige Mann in seinem großartigen Etablissement New-Lamark
durch die humane Fürsorg" für seine Arbeiter, namentlich auch gemeinschaft¬
liche Anschaffung der nothwendigsten Bedürfnisse, die erfreulichsten Resultate
sowol für die Lage der Arbeiter, wie für die Blüte deS Geschäfts erreicht
hatte, welche die allgemeine Aufmerksamkeit, besonders nach dem Frieden von
erregten, trat derselbe mit einem der unsinnigsten und radikalsten
Systeme auf, welche die Welt gesehen, dessen Erörterung indessen hier um so
weniger am Platze ist, als er mit allen zu dessen Verwirklichung in England
und Amerika angestellten Versuchen durchaus scheiterte und seine Ideen in
der eigentlichen Arbeiterwelt keinen weitern Anklang fanden. Doch rettete sich
aus dem allgemeinen Schiffbruch des Systems der einzige gesunde Gedanke,
den es in sich trug, und dem die ersten Unternehmungen des Stifters allein
ihren Erfolg verdankten, der Gedanke der Kooperation, der Vereinigung ato-
mistisch vereinzelter kleiner Kräfte zur Erreichung gemeinschaftlicher Zwecke.
Freilich hielt ihn Owen nur fest, um mit immer neuen, unsinnigen Versuchen
daran anzuknüpfen, und schritt nun deshalb um 1829 zur Bildung einer


ihnen die Arbeitgeber die Lohnbedingungen zu dictiren vermochten, wegen der
großen Concurrenz auf ihrer Seite, wegen der Menge rüstiger Arme, die alle
Beschäftigung suchten. Der für sie schädlichen Wirkung dieser Concurrenz
glaubten sie nun durch ihre Einigkeit begegnen und ihre Lohnforderungen
durch allgemeine Arbeitsverweigerung durchsetzen zu können. Wirklich organi-
sirte sich in den Arbeilergewerkschaftcn, hauptsächlich der Bergwerks- und
Fabrikvistricte, eine ganze Anzahl solcher Vereine, (trabes unions), welche gegen
Fabrikanten, die nicht auf ihre Bedingungen eingingen, in vielen Fällen Arbeits¬
einstellung in Masse (Strikes) durchsetzten. Indessen verfehlten dieselben doch
meist ihren Zweck, weil daS Mittel, die zu große Concurrenz auf Seiten der
Arbeiter durch Arbeitseinstellung zu beseitigen, bei Leuten, deren einzige
Eristenzquelle die Arbeit ist, niemals auf die Dauer durchgeführt werden kann.
Bald waren die Fonds der Vereinskassen erschöpft, und nicht selten mußte man
gegen noch härtere Bedingungen, als vorher, zur Arbeit zurückkehren, weil sich
die Arbeitsgeber indessen nicht nur durch Deserteure aus den Reihen der Ver¬
bündeten selbst, sondern auch durch neu herangebildete Arbeiter, so gut sie
konnten, wenigstens theilweis versehen hatten. Wir verweilen indessen bei
diesen Vereinen nicht länger, so interessant auch die Geschichte ihrer hart¬
näckigen, noch jetzt fortgesetzten Kämpfe ist, in denen Kräfte und Mittel leider
nutzlos geopfert werden, mit denen sich haltbare, gesunde Organisationen in
Fülle hervorrufen ließen. Dieselben sind einmal nach dem Stande der Gesetz¬
gebung bei uns nicht möglich, und sodann im Princip durchaus verfehlt, wes¬
halb wir zu einem Anstoß übergehn, den die Bewegung von einer andern
Seite erhielt, durch das Auftreten des bekannten Robert Owen nämlich. Nach¬
dem dieser merkwürdige Mann in seinem großartigen Etablissement New-Lamark
durch die humane Fürsorg« für seine Arbeiter, namentlich auch gemeinschaft¬
liche Anschaffung der nothwendigsten Bedürfnisse, die erfreulichsten Resultate
sowol für die Lage der Arbeiter, wie für die Blüte deS Geschäfts erreicht
hatte, welche die allgemeine Aufmerksamkeit, besonders nach dem Frieden von
erregten, trat derselbe mit einem der unsinnigsten und radikalsten
Systeme auf, welche die Welt gesehen, dessen Erörterung indessen hier um so
weniger am Platze ist, als er mit allen zu dessen Verwirklichung in England
und Amerika angestellten Versuchen durchaus scheiterte und seine Ideen in
der eigentlichen Arbeiterwelt keinen weitern Anklang fanden. Doch rettete sich
aus dem allgemeinen Schiffbruch des Systems der einzige gesunde Gedanke,
den es in sich trug, und dem die ersten Unternehmungen des Stifters allein
ihren Erfolg verdankten, der Gedanke der Kooperation, der Vereinigung ato-
mistisch vereinzelter kleiner Kräfte zur Erreichung gemeinschaftlicher Zwecke.
Freilich hielt ihn Owen nur fest, um mit immer neuen, unsinnigen Versuchen
daran anzuknüpfen, und schritt nun deshalb um 1829 zur Bildung einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/498>, abgerufen am 23.07.2024.