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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Kairenern ein übergroßes Maß von Stolz gegenüber den Christen zuschreibt.
"Ihr, die ihr den Glauben angenommen, wählt euch nicht Juden und Christen
zu Freunden; denn wer von euch ihrer einen zum Freunde macht, wahrlich der
ist einer von ihnen." So heißt es im Koran, und so denkt jeder echte Musel¬
mann. Von den Verhältnissen genöthigt, in der Furcht vor Schaden, in der
Hoffnung auf Gewinn, für den Augenblick wol auch von einem menschlichen
Gefühl übermannt, werden sie mit einem Franken artig verkehren, ihm ge¬
fällig sein, ihn gastfrei aufnehmen, bei längerer Bekanntschaft selbst ihn als
Freund behandeln; im Grunde aber verachten sie ihn, oder sehen wenigstens
eine Kluft zwischen sich und ihm, und wenn es die Polizei erlaubte, so würden
sie ihm dies auch thätlich beweisen. Die niedern Stände besitzen mit Aus¬
nahme derer, welche Derwische sind, diesen Hochmuth nicht. Sie sind unserer
Erfahrung nach empfänglich für rücksichtsvolle, gütige Behandlung, zuvor¬
kommend -- freilich im steten Hinblick auf ein Backschisch -- und im hohen
Grade gutmüthig. Religiöse Pflicht eines Muselmanns ist es, Seinesgleichen
zu grüßen und den ihm gebotenen Gruß zu erwiedern. Der Gruß lautet:
"Friede sei mit euch!" Die Antwort: "Mit Euch sei Friede und das Erbarmen
Gottes und sein Segen!" Ausdrücklich untersagt ist es dem Gläubigen, diese
Worte gegen einen Christen oder Juden zu brauchen, und ebensowenig soll
es geduldet werden, daß ein Ungläubiger einen Muselmann so begrüßt. Vor
wenigen Jahren noch wäre dies auch nimmer geschehen, und noch jetzt wird
nicht leicht ein Mann aus den höhern oder mittleren Ständen von Kairo
" einen Franken mit dieser Rede empfangen oder wenn dieser ihn zuerst mit dem:
"Es selam alejkum" begrüßt, anders darauf erwiedern als mit einem auswei¬
chenden: "Friede sei mit uns und allen rechtschaffnen Knechten Gottes!" Das
gemeine Volk aber, namentlich auf dem Lande, kehrt sich an jenes Verbot
nicht mehr. Es hat eben seinen Frieden mit den Fremden gemacht, und so
kann es ihnen auch den Friedensgruß bieten.

Die ägyptischen Araber sind ferner als undankbar geschildert worden.
Dies mag, so weit es begründet ist, darin seinen Grund haben, daß Schenken,
Mittheilen, hilfreicher Sinn und Gastfreiheit ihnen von Alters her etwas so
Natürliches ist, daß sie davon nicht viel Aufhebens machen, zum Theil mag es
Europäern gegenüber mit jenem Stolze zusammenhängen. Wir haben sie gegen
die Freundlichkeiten, die wir ihnen zu erweisen Gelegenheit hatten, stets dank¬
bar gefunden. Andere hatten die entgegengesetzte Erfahrung gemacht, und eine
von den Anekdoten, die uns in dieser Hinsicht erzählt wurden, ist ziemlich
charakteristisch.

Es ist bekannt, daß der Ausruf: "Bakschisch, pa Chowadsche!" (Ein
Trinkgeld, o Fremder!) dem Europäer, der Aegypten bereist, aus Schritt und
Tritt folgt und namentlich an den am meisten besuchten Orten, wo reiche


Kairenern ein übergroßes Maß von Stolz gegenüber den Christen zuschreibt.
„Ihr, die ihr den Glauben angenommen, wählt euch nicht Juden und Christen
zu Freunden; denn wer von euch ihrer einen zum Freunde macht, wahrlich der
ist einer von ihnen." So heißt es im Koran, und so denkt jeder echte Musel¬
mann. Von den Verhältnissen genöthigt, in der Furcht vor Schaden, in der
Hoffnung auf Gewinn, für den Augenblick wol auch von einem menschlichen
Gefühl übermannt, werden sie mit einem Franken artig verkehren, ihm ge¬
fällig sein, ihn gastfrei aufnehmen, bei längerer Bekanntschaft selbst ihn als
Freund behandeln; im Grunde aber verachten sie ihn, oder sehen wenigstens
eine Kluft zwischen sich und ihm, und wenn es die Polizei erlaubte, so würden
sie ihm dies auch thätlich beweisen. Die niedern Stände besitzen mit Aus¬
nahme derer, welche Derwische sind, diesen Hochmuth nicht. Sie sind unserer
Erfahrung nach empfänglich für rücksichtsvolle, gütige Behandlung, zuvor¬
kommend — freilich im steten Hinblick auf ein Backschisch — und im hohen
Grade gutmüthig. Religiöse Pflicht eines Muselmanns ist es, Seinesgleichen
zu grüßen und den ihm gebotenen Gruß zu erwiedern. Der Gruß lautet:
„Friede sei mit euch!" Die Antwort: „Mit Euch sei Friede und das Erbarmen
Gottes und sein Segen!" Ausdrücklich untersagt ist es dem Gläubigen, diese
Worte gegen einen Christen oder Juden zu brauchen, und ebensowenig soll
es geduldet werden, daß ein Ungläubiger einen Muselmann so begrüßt. Vor
wenigen Jahren noch wäre dies auch nimmer geschehen, und noch jetzt wird
nicht leicht ein Mann aus den höhern oder mittleren Ständen von Kairo
« einen Franken mit dieser Rede empfangen oder wenn dieser ihn zuerst mit dem:
„Es selam alejkum" begrüßt, anders darauf erwiedern als mit einem auswei¬
chenden: „Friede sei mit uns und allen rechtschaffnen Knechten Gottes!" Das
gemeine Volk aber, namentlich auf dem Lande, kehrt sich an jenes Verbot
nicht mehr. Es hat eben seinen Frieden mit den Fremden gemacht, und so
kann es ihnen auch den Friedensgruß bieten.

Die ägyptischen Araber sind ferner als undankbar geschildert worden.
Dies mag, so weit es begründet ist, darin seinen Grund haben, daß Schenken,
Mittheilen, hilfreicher Sinn und Gastfreiheit ihnen von Alters her etwas so
Natürliches ist, daß sie davon nicht viel Aufhebens machen, zum Theil mag es
Europäern gegenüber mit jenem Stolze zusammenhängen. Wir haben sie gegen
die Freundlichkeiten, die wir ihnen zu erweisen Gelegenheit hatten, stets dank¬
bar gefunden. Andere hatten die entgegengesetzte Erfahrung gemacht, und eine
von den Anekdoten, die uns in dieser Hinsicht erzählt wurden, ist ziemlich
charakteristisch.

Es ist bekannt, daß der Ausruf: „Bakschisch, pa Chowadsche!" (Ein
Trinkgeld, o Fremder!) dem Europäer, der Aegypten bereist, aus Schritt und
Tritt folgt und namentlich an den am meisten besuchten Orten, wo reiche


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[0464] Kairenern ein übergroßes Maß von Stolz gegenüber den Christen zuschreibt. „Ihr, die ihr den Glauben angenommen, wählt euch nicht Juden und Christen zu Freunden; denn wer von euch ihrer einen zum Freunde macht, wahrlich der ist einer von ihnen." So heißt es im Koran, und so denkt jeder echte Musel¬ mann. Von den Verhältnissen genöthigt, in der Furcht vor Schaden, in der Hoffnung auf Gewinn, für den Augenblick wol auch von einem menschlichen Gefühl übermannt, werden sie mit einem Franken artig verkehren, ihm ge¬ fällig sein, ihn gastfrei aufnehmen, bei längerer Bekanntschaft selbst ihn als Freund behandeln; im Grunde aber verachten sie ihn, oder sehen wenigstens eine Kluft zwischen sich und ihm, und wenn es die Polizei erlaubte, so würden sie ihm dies auch thätlich beweisen. Die niedern Stände besitzen mit Aus¬ nahme derer, welche Derwische sind, diesen Hochmuth nicht. Sie sind unserer Erfahrung nach empfänglich für rücksichtsvolle, gütige Behandlung, zuvor¬ kommend — freilich im steten Hinblick auf ein Backschisch — und im hohen Grade gutmüthig. Religiöse Pflicht eines Muselmanns ist es, Seinesgleichen zu grüßen und den ihm gebotenen Gruß zu erwiedern. Der Gruß lautet: „Friede sei mit euch!" Die Antwort: „Mit Euch sei Friede und das Erbarmen Gottes und sein Segen!" Ausdrücklich untersagt ist es dem Gläubigen, diese Worte gegen einen Christen oder Juden zu brauchen, und ebensowenig soll es geduldet werden, daß ein Ungläubiger einen Muselmann so begrüßt. Vor wenigen Jahren noch wäre dies auch nimmer geschehen, und noch jetzt wird nicht leicht ein Mann aus den höhern oder mittleren Ständen von Kairo « einen Franken mit dieser Rede empfangen oder wenn dieser ihn zuerst mit dem: „Es selam alejkum" begrüßt, anders darauf erwiedern als mit einem auswei¬ chenden: „Friede sei mit uns und allen rechtschaffnen Knechten Gottes!" Das gemeine Volk aber, namentlich auf dem Lande, kehrt sich an jenes Verbot nicht mehr. Es hat eben seinen Frieden mit den Fremden gemacht, und so kann es ihnen auch den Friedensgruß bieten. Die ägyptischen Araber sind ferner als undankbar geschildert worden. Dies mag, so weit es begründet ist, darin seinen Grund haben, daß Schenken, Mittheilen, hilfreicher Sinn und Gastfreiheit ihnen von Alters her etwas so Natürliches ist, daß sie davon nicht viel Aufhebens machen, zum Theil mag es Europäern gegenüber mit jenem Stolze zusammenhängen. Wir haben sie gegen die Freundlichkeiten, die wir ihnen zu erweisen Gelegenheit hatten, stets dank¬ bar gefunden. Andere hatten die entgegengesetzte Erfahrung gemacht, und eine von den Anekdoten, die uns in dieser Hinsicht erzählt wurden, ist ziemlich charakteristisch. Es ist bekannt, daß der Ausruf: „Bakschisch, pa Chowadsche!" (Ein Trinkgeld, o Fremder!) dem Europäer, der Aegypten bereist, aus Schritt und Tritt folgt und namentlich an den am meisten besuchten Orten, wo reiche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/464>, abgerufen am 24.08.2024.