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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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wird. Indem sie die beiden Gegensätze, zwischen denen sich daS Leben deS
Menschen bewegt, Mühe und Genuß, deren Trennung und willkürliche Ver¬
schiebung sich hier durch Blasirtheit, dort durch Verkümmerung rächt, wiederum
in dem einen und ganze" Menschen, als sich gegenseitig bedingend, zur Er¬
scheinung bringt, entfernt sie eine der Hauptursachen des blutige" Bruder¬
zwistes und stellt uns die Annäherung an die höchsten Ziele unseres Geschlechts
in friedlicher Aussicht hin. Insbesondere wird aus solche Weise aber auch
einer schlimmen Consequenz des Jndustrialismus vorgebeugt, aufweiche Prou-
dhon in seiner Weise aufmerksam gemacht hat. Unleugbar wirkt die von der
Großindustrie unzertrennliche Arbeitstheilung insofern ungünstig auf die intel-
lectuelle und sittliche Haltung der Arbeiter ein, als sie dieselben auf wenige,
ganz specielle mechanische Verrichtungen beschränkt, bei denen sie ihre Fertig¬
keit nur höchst einseitig ausbilden, die Totalität der Production völlig aus
dem Auge verlieren und sich gewöhnen, ohne weiteres Nachdenken, gleich den
seelenlosen Rädern einer Maschine ihr Tagewerk zu verrichten. Von einer
solchen Apathie kann bei einer Association gar nicht die Rede sein, indem das
Unbewußte, Vlindmechanische, wozu den Arbeiter sonst wol die Wiederholung
einer und derselben Geschäftsoperation incliniren könnte, durch das lebhafte
Interesse desselben für das Geschäftsganze aufgewogen wird, für dessen Pros¬
perität ja ein jeder mit durch Rath und That zu sorgen, seine ganze Existenz
mit eingesetzt hat. Dadurch entsteht ein ganz neuer Impuls, in den Geist
so wie alle Details der Unternehmung einzudringen und sich so bei dem hö¬
hern, geistigen Theile der Gesammtarbeitsaufgabe zu betheiligen, worauf die
Berathung, die Debatte unter den Genossen fördernd einwirkt. ES kann aber
nicht fehlen, daß die Erweiterung deS geschäftlichen Gesichtskreises die Einsicht
und Erfahrung des Einzelnen, sein ganzes intellectuelles Niveau erhöht, und
ebenso vortheilhaft auf seinen sittlichen Standpunkt zurückwirkt. Denn mit
dem gesteigerten Selbstgefühl einer gehobenen Stellung wird zugleich das Be¬
wußtsein dessen, waS er sich und Andern schuldig ist, mehr und mehr rege,
und der ganze Mensch nimmt in einem solchen Läuterungsprocesse allmäli'g eine
andere Gestalt an^

Daß die Früchte einer solchen Hebung der arbeitenden Classen für die
ganze Gesellschaft, für alle übrigen Classen der Bürger nicht ausbleiben, ver¬
steht sich von selbst. Zunächst werden durch ein solches System, wo die
Arbeiter das lebhafteste Interesse an den Erfolgen deö Geschäfts haben, die
Leistungen derselben außerordentlich gesteigert und dadurch die Gesammtmasse
der Güter natürlich immer reichlicher und billiger hergestellt, was dem ganzen
consumirenden Publicum zu statten kommt. Sodann aber gewinnen wir auch
auf diesem Wege die Erhaltung und Kräftigung eines tüchtigen Mittel¬
standes, dieses unentbehrlichen Trägers jeder gesunden politischen wie socialen,


Grenzboten. III. 18Ü7. S7

wird. Indem sie die beiden Gegensätze, zwischen denen sich daS Leben deS
Menschen bewegt, Mühe und Genuß, deren Trennung und willkürliche Ver¬
schiebung sich hier durch Blasirtheit, dort durch Verkümmerung rächt, wiederum
in dem einen und ganze» Menschen, als sich gegenseitig bedingend, zur Er¬
scheinung bringt, entfernt sie eine der Hauptursachen des blutige» Bruder¬
zwistes und stellt uns die Annäherung an die höchsten Ziele unseres Geschlechts
in friedlicher Aussicht hin. Insbesondere wird aus solche Weise aber auch
einer schlimmen Consequenz des Jndustrialismus vorgebeugt, aufweiche Prou-
dhon in seiner Weise aufmerksam gemacht hat. Unleugbar wirkt die von der
Großindustrie unzertrennliche Arbeitstheilung insofern ungünstig auf die intel-
lectuelle und sittliche Haltung der Arbeiter ein, als sie dieselben auf wenige,
ganz specielle mechanische Verrichtungen beschränkt, bei denen sie ihre Fertig¬
keit nur höchst einseitig ausbilden, die Totalität der Production völlig aus
dem Auge verlieren und sich gewöhnen, ohne weiteres Nachdenken, gleich den
seelenlosen Rädern einer Maschine ihr Tagewerk zu verrichten. Von einer
solchen Apathie kann bei einer Association gar nicht die Rede sein, indem das
Unbewußte, Vlindmechanische, wozu den Arbeiter sonst wol die Wiederholung
einer und derselben Geschäftsoperation incliniren könnte, durch das lebhafte
Interesse desselben für das Geschäftsganze aufgewogen wird, für dessen Pros¬
perität ja ein jeder mit durch Rath und That zu sorgen, seine ganze Existenz
mit eingesetzt hat. Dadurch entsteht ein ganz neuer Impuls, in den Geist
so wie alle Details der Unternehmung einzudringen und sich so bei dem hö¬
hern, geistigen Theile der Gesammtarbeitsaufgabe zu betheiligen, worauf die
Berathung, die Debatte unter den Genossen fördernd einwirkt. ES kann aber
nicht fehlen, daß die Erweiterung deS geschäftlichen Gesichtskreises die Einsicht
und Erfahrung des Einzelnen, sein ganzes intellectuelles Niveau erhöht, und
ebenso vortheilhaft auf seinen sittlichen Standpunkt zurückwirkt. Denn mit
dem gesteigerten Selbstgefühl einer gehobenen Stellung wird zugleich das Be¬
wußtsein dessen, waS er sich und Andern schuldig ist, mehr und mehr rege,
und der ganze Mensch nimmt in einem solchen Läuterungsprocesse allmäli'g eine
andere Gestalt an^

Daß die Früchte einer solchen Hebung der arbeitenden Classen für die
ganze Gesellschaft, für alle übrigen Classen der Bürger nicht ausbleiben, ver¬
steht sich von selbst. Zunächst werden durch ein solches System, wo die
Arbeiter das lebhafteste Interesse an den Erfolgen deö Geschäfts haben, die
Leistungen derselben außerordentlich gesteigert und dadurch die Gesammtmasse
der Güter natürlich immer reichlicher und billiger hergestellt, was dem ganzen
consumirenden Publicum zu statten kommt. Sodann aber gewinnen wir auch
auf diesem Wege die Erhaltung und Kräftigung eines tüchtigen Mittel¬
standes, dieses unentbehrlichen Trägers jeder gesunden politischen wie socialen,


Grenzboten. III. 18Ü7. S7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/457>, abgerufen am 25.08.2024.