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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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gemäßeste, den Forderungen der Gerechtigkeit und Humanität gleich entspre¬
chende anerkannt ist, und welches unter den bisherigen Umständen ein from¬
mer Wunsch blieb: daß nämlich der Arbeiter, außer dem gewöhnlichen nach
den marktgängigen Sätzen regulirten Lohne, einen wenn auch noch so be¬
scheidenen Antheil am Reingewinne des Geschäfts erhalte. Die großen Vor¬
züge einer solchen Einrichtung gegen bloße Lohnerhöhungen springen in die
Augen. Eben weil das Maß der Löhne von dem Gange der Geschäfte, den
Conjuneturcn des Marktes und allen Umständen, welche anf die Höhe des
disponibel" Lohnfonds influiren, nothwendig berührt wird, und man z. B.
dem Unternehmer nicht zumuthen kann, in flauen Perioden, wo ihn schon
ohnehin empfindliche Verluste treffen, den kaum halb beschäftigten Arbeitern die
volle Gage zu gewähren: eben deshalb ist es billig, daß, wenn jene Perio¬
den durch andere von desto reichlicherem Gewinn aufgewogen werden, dem
Arbeiter auch von dieser Gunst der Umstände etwas zu gut komme, wie er
von der Ungunst derselben mit betroffen wurde. Nicht nur, daß er dadurch
in den Stand gesetzt wird, die letztern eher mit zu übertragen, ist auch nichts
so geeignet, sein Interesse mit dem des Arbeitgebers zu verschmelzen, als in¬
dem man den Geschäftsgewinn, den Gewinn des letzter" zu seinem eignen
macht. Es kann nicht fehlen, daß dies seinen Eifer, seine Wachsamkeit und
Umsicht bei seinen geschäftlichen Operationen außerordentlich steigern muß,
und dem Unternehmer wird das gebrachte Opfer mit guten Zinsen vergütet,
und die Unbequemlichkeit oder das Unliebsame, das für ihn in der Darlegung
seines Geschäftsstandes vor den Arbeitern etwa liegen möchte, reichlich auf¬
gewogen.

Daß sich die Stellung der Handwerker und Arbeiter durch Gründung
eines Associationsgeschäfts nicht dergestalt ändert, daß ans jedem Einzelnen
nunmehr ein Fabrikherr, ein großer Unternehmer wird, brauchen wir wol kaum
anzudeuten. Im Gegentheil bleibt jeder für seine Person Arbeiter und erhält
aus der Geschästskasse den gewöhnlichen Lohn, und selbst die an die Spitze
des Ganzen oder einzelner Geschäftsbranchen gestellten Personen stehen immer
nur im Dienste der Association, von welcher sie besoldet werden. Allein da
die Gesammtheit der Genossen Inhaberin des Geschäfts ist, so trägt sich ein
Theil dieser Inhaberschaft auch wieder auf die Einzelnen über, und jeder erhält
dem gemäß seinen Antheil am Geschäftsgewinn in Gestalt einer Dividende
noch über den Lohn für die wirklich geleistete Arbeit, wie er denn eben deshalb
auch bei dem Risiko, bei eintretenden Verlusten mit hasten muß. Grade in
dieser Doppelstellung, vermöge deren jeder als Unternehmer und Arbeiter, als
Herr und Diener zugleich in Betracht kommt, finden wir den größten Segen,
indem einzig dadurch die wahre Versöhnung zwischen Arbeit und Capital, die
gerechte Nertheilung der Früchte der Production zwischen beiden angebahnt


gemäßeste, den Forderungen der Gerechtigkeit und Humanität gleich entspre¬
chende anerkannt ist, und welches unter den bisherigen Umständen ein from¬
mer Wunsch blieb: daß nämlich der Arbeiter, außer dem gewöhnlichen nach
den marktgängigen Sätzen regulirten Lohne, einen wenn auch noch so be¬
scheidenen Antheil am Reingewinne des Geschäfts erhalte. Die großen Vor¬
züge einer solchen Einrichtung gegen bloße Lohnerhöhungen springen in die
Augen. Eben weil das Maß der Löhne von dem Gange der Geschäfte, den
Conjuneturcn des Marktes und allen Umständen, welche anf die Höhe des
disponibel» Lohnfonds influiren, nothwendig berührt wird, und man z. B.
dem Unternehmer nicht zumuthen kann, in flauen Perioden, wo ihn schon
ohnehin empfindliche Verluste treffen, den kaum halb beschäftigten Arbeitern die
volle Gage zu gewähren: eben deshalb ist es billig, daß, wenn jene Perio¬
den durch andere von desto reichlicherem Gewinn aufgewogen werden, dem
Arbeiter auch von dieser Gunst der Umstände etwas zu gut komme, wie er
von der Ungunst derselben mit betroffen wurde. Nicht nur, daß er dadurch
in den Stand gesetzt wird, die letztern eher mit zu übertragen, ist auch nichts
so geeignet, sein Interesse mit dem des Arbeitgebers zu verschmelzen, als in¬
dem man den Geschäftsgewinn, den Gewinn des letzter» zu seinem eignen
macht. Es kann nicht fehlen, daß dies seinen Eifer, seine Wachsamkeit und
Umsicht bei seinen geschäftlichen Operationen außerordentlich steigern muß,
und dem Unternehmer wird das gebrachte Opfer mit guten Zinsen vergütet,
und die Unbequemlichkeit oder das Unliebsame, das für ihn in der Darlegung
seines Geschäftsstandes vor den Arbeitern etwa liegen möchte, reichlich auf¬
gewogen.

Daß sich die Stellung der Handwerker und Arbeiter durch Gründung
eines Associationsgeschäfts nicht dergestalt ändert, daß ans jedem Einzelnen
nunmehr ein Fabrikherr, ein großer Unternehmer wird, brauchen wir wol kaum
anzudeuten. Im Gegentheil bleibt jeder für seine Person Arbeiter und erhält
aus der Geschästskasse den gewöhnlichen Lohn, und selbst die an die Spitze
des Ganzen oder einzelner Geschäftsbranchen gestellten Personen stehen immer
nur im Dienste der Association, von welcher sie besoldet werden. Allein da
die Gesammtheit der Genossen Inhaberin des Geschäfts ist, so trägt sich ein
Theil dieser Inhaberschaft auch wieder auf die Einzelnen über, und jeder erhält
dem gemäß seinen Antheil am Geschäftsgewinn in Gestalt einer Dividende
noch über den Lohn für die wirklich geleistete Arbeit, wie er denn eben deshalb
auch bei dem Risiko, bei eintretenden Verlusten mit hasten muß. Grade in
dieser Doppelstellung, vermöge deren jeder als Unternehmer und Arbeiter, als
Herr und Diener zugleich in Betracht kommt, finden wir den größten Segen,
indem einzig dadurch die wahre Versöhnung zwischen Arbeit und Capital, die
gerechte Nertheilung der Früchte der Production zwischen beiden angebahnt


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[0456] gemäßeste, den Forderungen der Gerechtigkeit und Humanität gleich entspre¬ chende anerkannt ist, und welches unter den bisherigen Umständen ein from¬ mer Wunsch blieb: daß nämlich der Arbeiter, außer dem gewöhnlichen nach den marktgängigen Sätzen regulirten Lohne, einen wenn auch noch so be¬ scheidenen Antheil am Reingewinne des Geschäfts erhalte. Die großen Vor¬ züge einer solchen Einrichtung gegen bloße Lohnerhöhungen springen in die Augen. Eben weil das Maß der Löhne von dem Gange der Geschäfte, den Conjuneturcn des Marktes und allen Umständen, welche anf die Höhe des disponibel» Lohnfonds influiren, nothwendig berührt wird, und man z. B. dem Unternehmer nicht zumuthen kann, in flauen Perioden, wo ihn schon ohnehin empfindliche Verluste treffen, den kaum halb beschäftigten Arbeitern die volle Gage zu gewähren: eben deshalb ist es billig, daß, wenn jene Perio¬ den durch andere von desto reichlicherem Gewinn aufgewogen werden, dem Arbeiter auch von dieser Gunst der Umstände etwas zu gut komme, wie er von der Ungunst derselben mit betroffen wurde. Nicht nur, daß er dadurch in den Stand gesetzt wird, die letztern eher mit zu übertragen, ist auch nichts so geeignet, sein Interesse mit dem des Arbeitgebers zu verschmelzen, als in¬ dem man den Geschäftsgewinn, den Gewinn des letzter» zu seinem eignen macht. Es kann nicht fehlen, daß dies seinen Eifer, seine Wachsamkeit und Umsicht bei seinen geschäftlichen Operationen außerordentlich steigern muß, und dem Unternehmer wird das gebrachte Opfer mit guten Zinsen vergütet, und die Unbequemlichkeit oder das Unliebsame, das für ihn in der Darlegung seines Geschäftsstandes vor den Arbeitern etwa liegen möchte, reichlich auf¬ gewogen. Daß sich die Stellung der Handwerker und Arbeiter durch Gründung eines Associationsgeschäfts nicht dergestalt ändert, daß ans jedem Einzelnen nunmehr ein Fabrikherr, ein großer Unternehmer wird, brauchen wir wol kaum anzudeuten. Im Gegentheil bleibt jeder für seine Person Arbeiter und erhält aus der Geschästskasse den gewöhnlichen Lohn, und selbst die an die Spitze des Ganzen oder einzelner Geschäftsbranchen gestellten Personen stehen immer nur im Dienste der Association, von welcher sie besoldet werden. Allein da die Gesammtheit der Genossen Inhaberin des Geschäfts ist, so trägt sich ein Theil dieser Inhaberschaft auch wieder auf die Einzelnen über, und jeder erhält dem gemäß seinen Antheil am Geschäftsgewinn in Gestalt einer Dividende noch über den Lohn für die wirklich geleistete Arbeit, wie er denn eben deshalb auch bei dem Risiko, bei eintretenden Verlusten mit hasten muß. Grade in dieser Doppelstellung, vermöge deren jeder als Unternehmer und Arbeiter, als Herr und Diener zugleich in Betracht kommt, finden wir den größten Segen, indem einzig dadurch die wahre Versöhnung zwischen Arbeit und Capital, die gerechte Nertheilung der Früchte der Production zwischen beiden angebahnt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/456>, abgerufen am 25.08.2024.