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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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derselben vorüberzugehen, und daß noch jetzt die Frommen scheele Blicke wer¬
fen, wenn ein Franke ein solches Heiligthum betritt.

An jeder größern Dschami sind zwei Imaus angestellt, von denen der
eine denen, welche sich zu den fünf täglichen Gebetszeiten einfinden, die vor¬
geschriebenen Gebete vorrecitirt, während der andere, Chatib genannt, Freitags
zu predigen oder vielmehr eine Predigt vorzulesen bat. Kleinere Moscheen
haben nur einen Imam. Andere Kirchendiener sind die Mueddin, die von
den Madnehs den Ruf zum Gebet singen, die Bauab, welche die Thür be¬
wachen, darauf sehen, daß jeder Eintretende die Schuhe auszieht, die Lampen
anzünden, die Matten ausbreiten, mit denen der Boden bedeckt ist, und da¬
für sorgen, daß in dem Wasserbehälter stets das zu den Waschungen erfor¬
derliche Wasser vorhanden ist. Alle diese Beamten stehen unter dem Nasir,
der sie anstellt und sie ans dem Vermögen der Moschee, dessen Verwalter
er ist, zu besolden hat. Mit unsern Geistlichen sind die Imaus kaum zu ver¬
gleichen, am wenigsten mit denen der katholischen Kirche. Wie bekannt, weiß
der Islam nichts von dem Begriff des Priesterthums und nichts von einem
besonderen geistlichen Stande. Jeder Imam, der sich als unbrauchbar erweist,
kann ohne Weiteres abgesetzt werden, keiner, der sich nicht durch Gelehrsamkeit
oder Frömmigkeit vor andern auszeichnet, genießt eine größere Achtung als
diese andern. Dazu kommt, daß sie infolge einer Gewaltmaßregel Mehemed
Alis, mit der dieser den größten Theil deö Vermögens der ägyptischen Mo¬
scheen einzog, einen sehr geringen Gehalt beziehen, der selten zehn Piaster
(20 Silbergroschen) monatlich übersteigt und sie natürlich nöthigt, auf andern
W^gen ihren Unterhalt zu suchen. Manche Imaus sind Kaufleute, die
Mehrzahl erwirbt sich ihr Brot als Schullehrer und zugleich als Kvransänger
bei feierlichen Ereignissen in Privathäusern, z. B. bei Geburtsfesten, Hoch¬
zeiten und Begräbnissen.

Die vornehmsten Dschamien Kairos sind die Azher, die Tulun, die El
Haken, die Hassanin, die Sultan Hassan, die El Gori und die Sejdi Senab.
Früher hatte kein Franke Zutritt, später beschränkte sich das Verbot auf die
Azhermoschee, jetzt betritt man unbehindert auch diese, wenn man sich von
einem Kawassen seines Consuls begleiten läßt, ja nach einigen sehen die Thür¬
hüter gegen ein Bakschisch in der Regel selbst von dieser Begleitung gb. Wir
waren mit einem preußischen Offizier und mehren Damen zunächst in der
Sejdi Senab und der Sultan Hassanmoschee und später mit andern in den
übrigen, ohne irgendwie behelligt zu werden. Man zieht an der Pforte die
Stiefel aus und geht entweder in Strümpfen oder in Bastschuhen hinein, welche
der Thürhüter gegen eine Kleinigkeit an Fremde verleiht. Die Kopfbedeckung
kann man nach Belieben abnehmen oder aufbehalten.

Die Azhermoschee ist weniger durch ihre Bauart, als dadurch von Interesse,


derselben vorüberzugehen, und daß noch jetzt die Frommen scheele Blicke wer¬
fen, wenn ein Franke ein solches Heiligthum betritt.

An jeder größern Dschami sind zwei Imaus angestellt, von denen der
eine denen, welche sich zu den fünf täglichen Gebetszeiten einfinden, die vor¬
geschriebenen Gebete vorrecitirt, während der andere, Chatib genannt, Freitags
zu predigen oder vielmehr eine Predigt vorzulesen bat. Kleinere Moscheen
haben nur einen Imam. Andere Kirchendiener sind die Mueddin, die von
den Madnehs den Ruf zum Gebet singen, die Bauab, welche die Thür be¬
wachen, darauf sehen, daß jeder Eintretende die Schuhe auszieht, die Lampen
anzünden, die Matten ausbreiten, mit denen der Boden bedeckt ist, und da¬
für sorgen, daß in dem Wasserbehälter stets das zu den Waschungen erfor¬
derliche Wasser vorhanden ist. Alle diese Beamten stehen unter dem Nasir,
der sie anstellt und sie ans dem Vermögen der Moschee, dessen Verwalter
er ist, zu besolden hat. Mit unsern Geistlichen sind die Imaus kaum zu ver¬
gleichen, am wenigsten mit denen der katholischen Kirche. Wie bekannt, weiß
der Islam nichts von dem Begriff des Priesterthums und nichts von einem
besonderen geistlichen Stande. Jeder Imam, der sich als unbrauchbar erweist,
kann ohne Weiteres abgesetzt werden, keiner, der sich nicht durch Gelehrsamkeit
oder Frömmigkeit vor andern auszeichnet, genießt eine größere Achtung als
diese andern. Dazu kommt, daß sie infolge einer Gewaltmaßregel Mehemed
Alis, mit der dieser den größten Theil deö Vermögens der ägyptischen Mo¬
scheen einzog, einen sehr geringen Gehalt beziehen, der selten zehn Piaster
(20 Silbergroschen) monatlich übersteigt und sie natürlich nöthigt, auf andern
W^gen ihren Unterhalt zu suchen. Manche Imaus sind Kaufleute, die
Mehrzahl erwirbt sich ihr Brot als Schullehrer und zugleich als Kvransänger
bei feierlichen Ereignissen in Privathäusern, z. B. bei Geburtsfesten, Hoch¬
zeiten und Begräbnissen.

Die vornehmsten Dschamien Kairos sind die Azher, die Tulun, die El
Haken, die Hassanin, die Sultan Hassan, die El Gori und die Sejdi Senab.
Früher hatte kein Franke Zutritt, später beschränkte sich das Verbot auf die
Azhermoschee, jetzt betritt man unbehindert auch diese, wenn man sich von
einem Kawassen seines Consuls begleiten läßt, ja nach einigen sehen die Thür¬
hüter gegen ein Bakschisch in der Regel selbst von dieser Begleitung gb. Wir
waren mit einem preußischen Offizier und mehren Damen zunächst in der
Sejdi Senab und der Sultan Hassanmoschee und später mit andern in den
übrigen, ohne irgendwie behelligt zu werden. Man zieht an der Pforte die
Stiefel aus und geht entweder in Strümpfen oder in Bastschuhen hinein, welche
der Thürhüter gegen eine Kleinigkeit an Fremde verleiht. Die Kopfbedeckung
kann man nach Belieben abnehmen oder aufbehalten.

Die Azhermoschee ist weniger durch ihre Bauart, als dadurch von Interesse,


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[0432] derselben vorüberzugehen, und daß noch jetzt die Frommen scheele Blicke wer¬ fen, wenn ein Franke ein solches Heiligthum betritt. An jeder größern Dschami sind zwei Imaus angestellt, von denen der eine denen, welche sich zu den fünf täglichen Gebetszeiten einfinden, die vor¬ geschriebenen Gebete vorrecitirt, während der andere, Chatib genannt, Freitags zu predigen oder vielmehr eine Predigt vorzulesen bat. Kleinere Moscheen haben nur einen Imam. Andere Kirchendiener sind die Mueddin, die von den Madnehs den Ruf zum Gebet singen, die Bauab, welche die Thür be¬ wachen, darauf sehen, daß jeder Eintretende die Schuhe auszieht, die Lampen anzünden, die Matten ausbreiten, mit denen der Boden bedeckt ist, und da¬ für sorgen, daß in dem Wasserbehälter stets das zu den Waschungen erfor¬ derliche Wasser vorhanden ist. Alle diese Beamten stehen unter dem Nasir, der sie anstellt und sie ans dem Vermögen der Moschee, dessen Verwalter er ist, zu besolden hat. Mit unsern Geistlichen sind die Imaus kaum zu ver¬ gleichen, am wenigsten mit denen der katholischen Kirche. Wie bekannt, weiß der Islam nichts von dem Begriff des Priesterthums und nichts von einem besonderen geistlichen Stande. Jeder Imam, der sich als unbrauchbar erweist, kann ohne Weiteres abgesetzt werden, keiner, der sich nicht durch Gelehrsamkeit oder Frömmigkeit vor andern auszeichnet, genießt eine größere Achtung als diese andern. Dazu kommt, daß sie infolge einer Gewaltmaßregel Mehemed Alis, mit der dieser den größten Theil deö Vermögens der ägyptischen Mo¬ scheen einzog, einen sehr geringen Gehalt beziehen, der selten zehn Piaster (20 Silbergroschen) monatlich übersteigt und sie natürlich nöthigt, auf andern W^gen ihren Unterhalt zu suchen. Manche Imaus sind Kaufleute, die Mehrzahl erwirbt sich ihr Brot als Schullehrer und zugleich als Kvransänger bei feierlichen Ereignissen in Privathäusern, z. B. bei Geburtsfesten, Hoch¬ zeiten und Begräbnissen. Die vornehmsten Dschamien Kairos sind die Azher, die Tulun, die El Haken, die Hassanin, die Sultan Hassan, die El Gori und die Sejdi Senab. Früher hatte kein Franke Zutritt, später beschränkte sich das Verbot auf die Azhermoschee, jetzt betritt man unbehindert auch diese, wenn man sich von einem Kawassen seines Consuls begleiten läßt, ja nach einigen sehen die Thür¬ hüter gegen ein Bakschisch in der Regel selbst von dieser Begleitung gb. Wir waren mit einem preußischen Offizier und mehren Damen zunächst in der Sejdi Senab und der Sultan Hassanmoschee und später mit andern in den übrigen, ohne irgendwie behelligt zu werden. Man zieht an der Pforte die Stiefel aus und geht entweder in Strümpfen oder in Bastschuhen hinein, welche der Thürhüter gegen eine Kleinigkeit an Fremde verleiht. Die Kopfbedeckung kann man nach Belieben abnehmen oder aufbehalten. Die Azhermoschee ist weniger durch ihre Bauart, als dadurch von Interesse,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/432>, abgerufen am 12.12.2024.