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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Auf den unteren Theil der Klappe breitet der Kaufmann eine Matte oder einen
Teppich, auf dem er mit der unvermeidlichen Pfeife Platz nimmt, während sich
eine Waaren im Hintergrunde der Nische befinden. Auf dem Mastabah nimmt
er sein Mittagsessen und seinen Kaffee ein, sagt er zu gebührender Zeit stehend,
knieend, aufs Antlitz sich werfend seine Gebete her, empfängt er die Besuche
seiner Freunde. Ein regelmäßiger Kunde oder jemand, der bedeutende Ein¬
käufe macht, wird hier von ihm mit Kaffee und einer Pfeife bewirthet. Dies
mag ein Zug arabischer Gastfreundlichkeit oder ein Gebot der Etikette sein.
Es ist in der Regel aber auch nothwendig. Kaufen und Verkaufen sind unter
diesen Semiten ungemein umständliche, viel Zeit und viel Athem kostende Ge¬
schäfte. Der Türke ist als Kaufmann sehr kurz angebunden, er enthält sich
alles Anpreisens, nennt einfach, was er fordern zu können meint, und läßt
sich selten oder nie auf eine geringere Zahlung als die verlangte ein. Ganz
anders der Araber, der in dieser Beziehung seine Verwandtschaft mit dem Juden
sehr deutlich kund gibt. In der Regel schlägt er, um den Preis einer Waare
gefragt, sehr bedeutend, bisweilen das Doppelte des wirklichen Werthes vor.
Der Käufer weiß das, aber statt zu sage", was er geben zu könne" glaubt,
bietet er ein Drittel deS Geforderten. Dies wird natürlich verworfen, und nun
beginnt ein Feilschen, mit dem man sich, indem von der einen Seite in weiten
Zwischenräumen eine Kleinigkeit nachgelassen, von der andern ebenso' zäh und
tropfenweise ein paar Piaster oder Para mehr bewilligt werden, allmälig der
Mitte zwischen der ersten Forderung und dem ersten Gebote nähert, worauf
der Handel abgeschlossen wird. Zuweilen dauert dieses Hinundherreden eine
halbe Stunde und länger. Wir glauben aber, daß es mehr Freude am
Makeln und Schächern, als die Sucht zu Übervortheilen ist, welche die Leute
so verfahren läßt; denn häufig verkauft der Araber, auch hierin dem Juden
unsrer Messen ähnlich, wenn er nicht mehr erlangen kann, einen Artikel mit
einem, ja mit einem halben Procent Gewinn.

Leute der bessern Stände bedienen sich beim Handel fast mehr der Ge¬
berden als der Worte. Bei dem niedern Volke dagegen gewinnt der un¬
bedeutendste Kauf oft das Aussehen eines Zanks, der dem Fremden, welcher
an solches Geschrei, solches schlenkern der Arme und solches Rollen der
Augen, an einen solchen Aufwand von Maschallahs, JnschallahS, BismillahS
und HamdulillahS*) uoch nicht gewöhnt ist, die Befürchtung erweckt, eS werde
im nächsten Augenblick zu Faustschlägen und Fußtritten kvmmmen. Eigen¬
thümlich ist, daß Kleinhändler auch hier einen gewissen Werth aus das erste
Geld, das ihnen den Tag über gezahlt wird, legen; denn mehr als einmal



") Maschallah und Inschallah. wie>Gott will. Bismillah, in Gottes Namen, Hamdultllah
Gott Lob -- außerordentlich häufige Betheuerungen und Ausrufe.

Auf den unteren Theil der Klappe breitet der Kaufmann eine Matte oder einen
Teppich, auf dem er mit der unvermeidlichen Pfeife Platz nimmt, während sich
eine Waaren im Hintergrunde der Nische befinden. Auf dem Mastabah nimmt
er sein Mittagsessen und seinen Kaffee ein, sagt er zu gebührender Zeit stehend,
knieend, aufs Antlitz sich werfend seine Gebete her, empfängt er die Besuche
seiner Freunde. Ein regelmäßiger Kunde oder jemand, der bedeutende Ein¬
käufe macht, wird hier von ihm mit Kaffee und einer Pfeife bewirthet. Dies
mag ein Zug arabischer Gastfreundlichkeit oder ein Gebot der Etikette sein.
Es ist in der Regel aber auch nothwendig. Kaufen und Verkaufen sind unter
diesen Semiten ungemein umständliche, viel Zeit und viel Athem kostende Ge¬
schäfte. Der Türke ist als Kaufmann sehr kurz angebunden, er enthält sich
alles Anpreisens, nennt einfach, was er fordern zu können meint, und läßt
sich selten oder nie auf eine geringere Zahlung als die verlangte ein. Ganz
anders der Araber, der in dieser Beziehung seine Verwandtschaft mit dem Juden
sehr deutlich kund gibt. In der Regel schlägt er, um den Preis einer Waare
gefragt, sehr bedeutend, bisweilen das Doppelte des wirklichen Werthes vor.
Der Käufer weiß das, aber statt zu sage«, was er geben zu könne» glaubt,
bietet er ein Drittel deS Geforderten. Dies wird natürlich verworfen, und nun
beginnt ein Feilschen, mit dem man sich, indem von der einen Seite in weiten
Zwischenräumen eine Kleinigkeit nachgelassen, von der andern ebenso' zäh und
tropfenweise ein paar Piaster oder Para mehr bewilligt werden, allmälig der
Mitte zwischen der ersten Forderung und dem ersten Gebote nähert, worauf
der Handel abgeschlossen wird. Zuweilen dauert dieses Hinundherreden eine
halbe Stunde und länger. Wir glauben aber, daß es mehr Freude am
Makeln und Schächern, als die Sucht zu Übervortheilen ist, welche die Leute
so verfahren läßt; denn häufig verkauft der Araber, auch hierin dem Juden
unsrer Messen ähnlich, wenn er nicht mehr erlangen kann, einen Artikel mit
einem, ja mit einem halben Procent Gewinn.

Leute der bessern Stände bedienen sich beim Handel fast mehr der Ge¬
berden als der Worte. Bei dem niedern Volke dagegen gewinnt der un¬
bedeutendste Kauf oft das Aussehen eines Zanks, der dem Fremden, welcher
an solches Geschrei, solches schlenkern der Arme und solches Rollen der
Augen, an einen solchen Aufwand von Maschallahs, JnschallahS, BismillahS
und HamdulillahS*) uoch nicht gewöhnt ist, die Befürchtung erweckt, eS werde
im nächsten Augenblick zu Faustschlägen und Fußtritten kvmmmen. Eigen¬
thümlich ist, daß Kleinhändler auch hier einen gewissen Werth aus das erste
Geld, das ihnen den Tag über gezahlt wird, legen; denn mehr als einmal



») Maschallah und Inschallah. wie>Gott will. Bismillah, in Gottes Namen, Hamdultllah
Gott Lob — außerordentlich häufige Betheuerungen und Ausrufe.
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[0428] Auf den unteren Theil der Klappe breitet der Kaufmann eine Matte oder einen Teppich, auf dem er mit der unvermeidlichen Pfeife Platz nimmt, während sich eine Waaren im Hintergrunde der Nische befinden. Auf dem Mastabah nimmt er sein Mittagsessen und seinen Kaffee ein, sagt er zu gebührender Zeit stehend, knieend, aufs Antlitz sich werfend seine Gebete her, empfängt er die Besuche seiner Freunde. Ein regelmäßiger Kunde oder jemand, der bedeutende Ein¬ käufe macht, wird hier von ihm mit Kaffee und einer Pfeife bewirthet. Dies mag ein Zug arabischer Gastfreundlichkeit oder ein Gebot der Etikette sein. Es ist in der Regel aber auch nothwendig. Kaufen und Verkaufen sind unter diesen Semiten ungemein umständliche, viel Zeit und viel Athem kostende Ge¬ schäfte. Der Türke ist als Kaufmann sehr kurz angebunden, er enthält sich alles Anpreisens, nennt einfach, was er fordern zu können meint, und läßt sich selten oder nie auf eine geringere Zahlung als die verlangte ein. Ganz anders der Araber, der in dieser Beziehung seine Verwandtschaft mit dem Juden sehr deutlich kund gibt. In der Regel schlägt er, um den Preis einer Waare gefragt, sehr bedeutend, bisweilen das Doppelte des wirklichen Werthes vor. Der Käufer weiß das, aber statt zu sage«, was er geben zu könne» glaubt, bietet er ein Drittel deS Geforderten. Dies wird natürlich verworfen, und nun beginnt ein Feilschen, mit dem man sich, indem von der einen Seite in weiten Zwischenräumen eine Kleinigkeit nachgelassen, von der andern ebenso' zäh und tropfenweise ein paar Piaster oder Para mehr bewilligt werden, allmälig der Mitte zwischen der ersten Forderung und dem ersten Gebote nähert, worauf der Handel abgeschlossen wird. Zuweilen dauert dieses Hinundherreden eine halbe Stunde und länger. Wir glauben aber, daß es mehr Freude am Makeln und Schächern, als die Sucht zu Übervortheilen ist, welche die Leute so verfahren läßt; denn häufig verkauft der Araber, auch hierin dem Juden unsrer Messen ähnlich, wenn er nicht mehr erlangen kann, einen Artikel mit einem, ja mit einem halben Procent Gewinn. Leute der bessern Stände bedienen sich beim Handel fast mehr der Ge¬ berden als der Worte. Bei dem niedern Volke dagegen gewinnt der un¬ bedeutendste Kauf oft das Aussehen eines Zanks, der dem Fremden, welcher an solches Geschrei, solches schlenkern der Arme und solches Rollen der Augen, an einen solchen Aufwand von Maschallahs, JnschallahS, BismillahS und HamdulillahS*) uoch nicht gewöhnt ist, die Befürchtung erweckt, eS werde im nächsten Augenblick zu Faustschlägen und Fußtritten kvmmmen. Eigen¬ thümlich ist, daß Kleinhändler auch hier einen gewissen Werth aus das erste Geld, das ihnen den Tag über gezahlt wird, legen; denn mehr als einmal ») Maschallah und Inschallah. wie>Gott will. Bismillah, in Gottes Namen, Hamdultllah Gott Lob — außerordentlich häufige Betheuerungen und Ausrufe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/428>, abgerufen am 12.12.2024.