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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Stelle die Eindrücke, die wir gesammelt, sich scheiden und abklären zu lassen,
wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, eins in das andere verschwimmen zu
sehen und so das Vermögen zur Feststellung des Details zu verlieren.

Die sehenswerthesten Bazars von Kairo sind der Gorijch- und der bereits
erwähnte Chan Chalilih-Bazar. Der erstere ist nach dem Sultan El Gori be¬
nannt, dessen Moschee und Grabmal von ihm eingeschlossen sind. Der letztere
nimmt die Stätte ein, wo einst die Kalifengräber sich befanden, deren Gebeine
von dem Erbauer des Bazars der Sage nach unter dem Vorgeben, sie an
einer passenderen Stelle beizusetzen, weggeschafft und aus die Kehrichthaufen vor
der Stadt geworfen wurden, ein Verfahren, welches dadurch seine Strafe fand,
daß der Todtenschänder, als er bald nachher in der Schlacht fiel, unbegraben blieb
und von Hunden gefressen wurde. Im Hamsaui-Bazar sind die Waaren meist
europäisches Fabrikat, die Verkäufer Christen. Nicht weit davon liegt ein
anderer, wo vorzüglich Rosenöl und ähnliche Parfümerieartikel zu haben sind,
und gleich daneben befindet sich ein vierter, wo Kaufleute der Berberei, sogenannte
Mvgrabin, tuneser Tarbusche, wollne Decken und verschiedene andere Erzeug-
ni.sse der nordafrikanischen Industrie feilhalten. Ferner mögen noch kurz der
Kassobct Nadwau, wo Schuhe, der Gohardschijch, wo Juwelierwaaren und der
Chordaschijeh, wo Eisenwaaren verkauft werden, Erwähnung finden.

Der"Kern eines Bazars ist in der Regel ein großer Speicher, welcher
Okkal genannt wird, und in dessen Mitte sich ein viereckiger Hof befindet.
Das' Erdgeschoß enthält lange Reihen von Läden. Ueber denselben find
Räume, die bisweilen als Herbergen, gewöhnlich aber als Waarenniederlagen
dienen, und zu denen man durch eine an den vier Seilen des Hofes hin¬
laufende Galerie gelangt. Die Läden unten sind, wie die Werkstätten der
Handwerker auf den Straßen, bloße Mauernischen, ungedielt, etwa drei Fuß
über dem Erdboden erhaben und im Vordergrunde mit einem Mastabah d. h.
einem Sitz von Backsteinen versehen. Vorn können sie mit einer Breterklappe
geschlossen werden, die, wenn man den Laden öffnet, zur Hälfte nach oben ge¬
schoben und zur andern Hälfte über den Mastabah gelegt wird.

Der obere Theil der Klappe, welcher wie eine Art Schirmdach über dem
Laden hängt, ist gewöhnlich mir einem buntfarbigen Bilde, einem Thiere,
einer Blume, noch häufiger mit einer Anrufung Gottes z. B. "O AbHelfer
unsrer Bedürfnisse!" -- "O du Gütiger", oder mit einem Koranspruche, z. B.:
"Fürwahr, wir haben dir einen offenbaren Sieg gewährt!" -- "Beistand von
Gott und ein rascher Sieg, bringe frohe Kunde den Gläubigen", am häufigsten
aber mit den Worten: "Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen, des Gnädi¬
ger" geschmückt, mit denen einem frommen Gebrauch zufolge viele der Kaufleute
des Morgens ihre Läden öffnen. Es ist das Luocl veus bene verUrt. unsrer alten
Diplome,'das "Mit Gott" auf der ersten Seite unsrer alten Handelsbücher.


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Stelle die Eindrücke, die wir gesammelt, sich scheiden und abklären zu lassen,
wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, eins in das andere verschwimmen zu
sehen und so das Vermögen zur Feststellung des Details zu verlieren.

Die sehenswerthesten Bazars von Kairo sind der Gorijch- und der bereits
erwähnte Chan Chalilih-Bazar. Der erstere ist nach dem Sultan El Gori be¬
nannt, dessen Moschee und Grabmal von ihm eingeschlossen sind. Der letztere
nimmt die Stätte ein, wo einst die Kalifengräber sich befanden, deren Gebeine
von dem Erbauer des Bazars der Sage nach unter dem Vorgeben, sie an
einer passenderen Stelle beizusetzen, weggeschafft und aus die Kehrichthaufen vor
der Stadt geworfen wurden, ein Verfahren, welches dadurch seine Strafe fand,
daß der Todtenschänder, als er bald nachher in der Schlacht fiel, unbegraben blieb
und von Hunden gefressen wurde. Im Hamsaui-Bazar sind die Waaren meist
europäisches Fabrikat, die Verkäufer Christen. Nicht weit davon liegt ein
anderer, wo vorzüglich Rosenöl und ähnliche Parfümerieartikel zu haben sind,
und gleich daneben befindet sich ein vierter, wo Kaufleute der Berberei, sogenannte
Mvgrabin, tuneser Tarbusche, wollne Decken und verschiedene andere Erzeug-
ni.sse der nordafrikanischen Industrie feilhalten. Ferner mögen noch kurz der
Kassobct Nadwau, wo Schuhe, der Gohardschijch, wo Juwelierwaaren und der
Chordaschijeh, wo Eisenwaaren verkauft werden, Erwähnung finden.

Der»Kern eines Bazars ist in der Regel ein großer Speicher, welcher
Okkal genannt wird, und in dessen Mitte sich ein viereckiger Hof befindet.
Das' Erdgeschoß enthält lange Reihen von Läden. Ueber denselben find
Räume, die bisweilen als Herbergen, gewöhnlich aber als Waarenniederlagen
dienen, und zu denen man durch eine an den vier Seilen des Hofes hin¬
laufende Galerie gelangt. Die Läden unten sind, wie die Werkstätten der
Handwerker auf den Straßen, bloße Mauernischen, ungedielt, etwa drei Fuß
über dem Erdboden erhaben und im Vordergrunde mit einem Mastabah d. h.
einem Sitz von Backsteinen versehen. Vorn können sie mit einer Breterklappe
geschlossen werden, die, wenn man den Laden öffnet, zur Hälfte nach oben ge¬
schoben und zur andern Hälfte über den Mastabah gelegt wird.

Der obere Theil der Klappe, welcher wie eine Art Schirmdach über dem
Laden hängt, ist gewöhnlich mir einem buntfarbigen Bilde, einem Thiere,
einer Blume, noch häufiger mit einer Anrufung Gottes z. B. „O AbHelfer
unsrer Bedürfnisse!" — „O du Gütiger", oder mit einem Koranspruche, z. B.:
„Fürwahr, wir haben dir einen offenbaren Sieg gewährt!" — „Beistand von
Gott und ein rascher Sieg, bringe frohe Kunde den Gläubigen", am häufigsten
aber mit den Worten: „Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen, des Gnädi¬
ger" geschmückt, mit denen einem frommen Gebrauch zufolge viele der Kaufleute
des Morgens ihre Läden öffnen. Es ist das Luocl veus bene verUrt. unsrer alten
Diplome,'das „Mit Gott" auf der ersten Seite unsrer alten Handelsbücher.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/427>, abgerufen am 01.10.2024.