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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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ter erfüllt wird, wenn ein Auszug oder ein Straßeuscandal die, Damen nach
vorn lockt. An den Hof, den gewöhnlich ein kleiner Springbrunnen ziert und
auf dessen Ausschmückung überhaupt mehr Sorgfalt als auf die Außenseite
verwendet wird, schließt sich zuweilen ein Gärtchen mit Palmen, Svkomoren
und wohlriechenden Sträuchern.

In ter Muskih, dem europäischen Viertel, haben nur die Häuser in den
Seilenstraßen und einige wenige an der Esbekieh die beschriebene Gestalt.
Etwas mehr Streben nach Schutz vor der Sonne, etwas mehr Oeffentlichkeit
der Arbeit in den Werkstätten und des Handels in den Schnittwaarenläden
und Taboksboutiken, welche beide Seiten der Hauptdurchfahrt besäumen, oben
platte Dächer, über denen sich gleich großen schiefgestellten Schornsteinen höl¬
zerne Windfänge erheben, unten daS Gewimmel morgenländischer Trachten,
Gesichter und Thiergestalten -- im Uebrigen kann man hier beinahe durch die
Straße einer Handelsstadt im südlichen Europa zu gehen wähnen. Ueber den
Läden und Werkstätten lesen wir italienische, französische und englische Firmen.
Das Haus des griechischen Clubs könnte von Korfu oder Athen, daS deutsche
Caso von Wien, die deutsche Buchhandlung weiter hinauf, die den Umständen
gemäß freilich mehr französische und englische Werke als deutsche ausstellt und
nebenbei in Cigarren macht, von Leipzig hierher versetzt sein. Gegen das Ende
hin haben bereits Orientale" einige von den Gewölben inne, die sich hier zu
bloßen Nischen deS Erdgeschosses zu verkleinern beginnen. Dann hört plötzlich
die Straße auf, und in die nach rechts und links einbiegenden Gassen blickend,
gewahren wir kaum noch eine Erinnerung an den Einfluß deS Abendlandes.

Die Straße rechts ist eine der großen Durchfahrten; sie bringt uns nach
manchen Krümmungen, an einigen der schönsten und stolzesten Moscheen vor¬
bei auf den Numelijehplatz im Südosten der Stadt, über dem sich, weniger
ein Schutz, als eine Zwingburg, mit ihren Bastionen und Kanonen die Cita¬
delle erhebt. Die Straße links, schmaler und dunkler wie jene, führt mit
einigen ander", noch engern und dunkleren in das Labyrinth von Winkel-
gäßchen, desse" Kern die Gebäude und Höfe des Chan Chalilih-Bazars bilden,
wo vorzüglich türkische Kaufleute ihren Sitz haben. Wir betreten eine Gasse,
in der Laden an Laden mit Reihen von Pfeifenröhren uns sagt, daß hier der
Markt der Tschibuckmacher dieses Quartiers ist. An den Wänden der Werk-
^ stauen, welche in der Regel nur fünf bis sechs Fuß breite und etwa ebenso
hohe und tiefe Zellen in der Mauer sind, lehnen Haufen von Weichselstämm-
chen, von Ahornrohren, die zur Hälfte ihrer Länge mit rother, hellgrüner,
blauer oder blanrother Seide überzogen, mit Golddrath umwunden, mit Quasten
verziert oder mit Silberblech beschlagen sind, zuweilen auch einige Dutzend
JaSminpfeifen, welche der inmitten dieser bunten Schätze mit Ausbohren und
Abraspeln beschäftigte Turbauträger nicht unter einer Guinea das Stück ver-


GrenzbotenIII. 18Ü7. S3

ter erfüllt wird, wenn ein Auszug oder ein Straßeuscandal die, Damen nach
vorn lockt. An den Hof, den gewöhnlich ein kleiner Springbrunnen ziert und
auf dessen Ausschmückung überhaupt mehr Sorgfalt als auf die Außenseite
verwendet wird, schließt sich zuweilen ein Gärtchen mit Palmen, Svkomoren
und wohlriechenden Sträuchern.

In ter Muskih, dem europäischen Viertel, haben nur die Häuser in den
Seilenstraßen und einige wenige an der Esbekieh die beschriebene Gestalt.
Etwas mehr Streben nach Schutz vor der Sonne, etwas mehr Oeffentlichkeit
der Arbeit in den Werkstätten und des Handels in den Schnittwaarenläden
und Taboksboutiken, welche beide Seiten der Hauptdurchfahrt besäumen, oben
platte Dächer, über denen sich gleich großen schiefgestellten Schornsteinen höl¬
zerne Windfänge erheben, unten daS Gewimmel morgenländischer Trachten,
Gesichter und Thiergestalten — im Uebrigen kann man hier beinahe durch die
Straße einer Handelsstadt im südlichen Europa zu gehen wähnen. Ueber den
Läden und Werkstätten lesen wir italienische, französische und englische Firmen.
Das Haus des griechischen Clubs könnte von Korfu oder Athen, daS deutsche
Caso von Wien, die deutsche Buchhandlung weiter hinauf, die den Umständen
gemäß freilich mehr französische und englische Werke als deutsche ausstellt und
nebenbei in Cigarren macht, von Leipzig hierher versetzt sein. Gegen das Ende
hin haben bereits Orientale» einige von den Gewölben inne, die sich hier zu
bloßen Nischen deS Erdgeschosses zu verkleinern beginnen. Dann hört plötzlich
die Straße auf, und in die nach rechts und links einbiegenden Gassen blickend,
gewahren wir kaum noch eine Erinnerung an den Einfluß deS Abendlandes.

Die Straße rechts ist eine der großen Durchfahrten; sie bringt uns nach
manchen Krümmungen, an einigen der schönsten und stolzesten Moscheen vor¬
bei auf den Numelijehplatz im Südosten der Stadt, über dem sich, weniger
ein Schutz, als eine Zwingburg, mit ihren Bastionen und Kanonen die Cita¬
delle erhebt. Die Straße links, schmaler und dunkler wie jene, führt mit
einigen ander», noch engern und dunkleren in das Labyrinth von Winkel-
gäßchen, desse» Kern die Gebäude und Höfe des Chan Chalilih-Bazars bilden,
wo vorzüglich türkische Kaufleute ihren Sitz haben. Wir betreten eine Gasse,
in der Laden an Laden mit Reihen von Pfeifenröhren uns sagt, daß hier der
Markt der Tschibuckmacher dieses Quartiers ist. An den Wänden der Werk-
^ stauen, welche in der Regel nur fünf bis sechs Fuß breite und etwa ebenso
hohe und tiefe Zellen in der Mauer sind, lehnen Haufen von Weichselstämm-
chen, von Ahornrohren, die zur Hälfte ihrer Länge mit rother, hellgrüner,
blauer oder blanrother Seide überzogen, mit Golddrath umwunden, mit Quasten
verziert oder mit Silberblech beschlagen sind, zuweilen auch einige Dutzend
JaSminpfeifen, welche der inmitten dieser bunten Schätze mit Ausbohren und
Abraspeln beschäftigte Turbauträger nicht unter einer Guinea das Stück ver-


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[0425] ter erfüllt wird, wenn ein Auszug oder ein Straßeuscandal die, Damen nach vorn lockt. An den Hof, den gewöhnlich ein kleiner Springbrunnen ziert und auf dessen Ausschmückung überhaupt mehr Sorgfalt als auf die Außenseite verwendet wird, schließt sich zuweilen ein Gärtchen mit Palmen, Svkomoren und wohlriechenden Sträuchern. In ter Muskih, dem europäischen Viertel, haben nur die Häuser in den Seilenstraßen und einige wenige an der Esbekieh die beschriebene Gestalt. Etwas mehr Streben nach Schutz vor der Sonne, etwas mehr Oeffentlichkeit der Arbeit in den Werkstätten und des Handels in den Schnittwaarenläden und Taboksboutiken, welche beide Seiten der Hauptdurchfahrt besäumen, oben platte Dächer, über denen sich gleich großen schiefgestellten Schornsteinen höl¬ zerne Windfänge erheben, unten daS Gewimmel morgenländischer Trachten, Gesichter und Thiergestalten — im Uebrigen kann man hier beinahe durch die Straße einer Handelsstadt im südlichen Europa zu gehen wähnen. Ueber den Läden und Werkstätten lesen wir italienische, französische und englische Firmen. Das Haus des griechischen Clubs könnte von Korfu oder Athen, daS deutsche Caso von Wien, die deutsche Buchhandlung weiter hinauf, die den Umständen gemäß freilich mehr französische und englische Werke als deutsche ausstellt und nebenbei in Cigarren macht, von Leipzig hierher versetzt sein. Gegen das Ende hin haben bereits Orientale» einige von den Gewölben inne, die sich hier zu bloßen Nischen deS Erdgeschosses zu verkleinern beginnen. Dann hört plötzlich die Straße auf, und in die nach rechts und links einbiegenden Gassen blickend, gewahren wir kaum noch eine Erinnerung an den Einfluß deS Abendlandes. Die Straße rechts ist eine der großen Durchfahrten; sie bringt uns nach manchen Krümmungen, an einigen der schönsten und stolzesten Moscheen vor¬ bei auf den Numelijehplatz im Südosten der Stadt, über dem sich, weniger ein Schutz, als eine Zwingburg, mit ihren Bastionen und Kanonen die Cita¬ delle erhebt. Die Straße links, schmaler und dunkler wie jene, führt mit einigen ander», noch engern und dunkleren in das Labyrinth von Winkel- gäßchen, desse» Kern die Gebäude und Höfe des Chan Chalilih-Bazars bilden, wo vorzüglich türkische Kaufleute ihren Sitz haben. Wir betreten eine Gasse, in der Laden an Laden mit Reihen von Pfeifenröhren uns sagt, daß hier der Markt der Tschibuckmacher dieses Quartiers ist. An den Wänden der Werk- ^ stauen, welche in der Regel nur fünf bis sechs Fuß breite und etwa ebenso hohe und tiefe Zellen in der Mauer sind, lehnen Haufen von Weichselstämm- chen, von Ahornrohren, die zur Hälfte ihrer Länge mit rother, hellgrüner, blauer oder blanrother Seide überzogen, mit Golddrath umwunden, mit Quasten verziert oder mit Silberblech beschlagen sind, zuweilen auch einige Dutzend JaSminpfeifen, welche der inmitten dieser bunten Schätze mit Ausbohren und Abraspeln beschäftigte Turbauträger nicht unter einer Guinea das Stück ver- GrenzbotenIII. 18Ü7. S3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/425>, abgerufen am 12.12.2024.