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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Blöcken deS im nahen Mokattamgebirge gebrochnen Muschelkalksteins, der, wenn
er frisch aus dem Steinbruch kommt, eine hellgelbe Farbe hat, aber sehr rasch
grau wird. An manchen Gebäuden, vorzüglich an den Moscheen, sind diese
Quaberlagen abwechselnd roth und weiß getüncht, eine Geschmacklosigkeit, welche
die Araber den Türken verdanken. Der Oberbau, der über die untere Hälfte
meist einige Fuß weiter in die Gasse hineinragt und von ausgeschweiften und
geschnitzten Balkenköpfen getragen wird, ist von rothen Ziegeln und mit einem
erdfahlen Gemisch von Kalk und Lehm beworfen, das platte Dach mit einer
Decke von weißem Mörtel belegt. Besondere Sorgfalt verwenden die Aegypter
auf die Ausschmückung ihrer Thürgewände, welche stets Rundbogen bilden und
häufig wahre Meisterstücke der Bildhauerkunst sind. Die Thür selbst besteht
nur aus rohen Bretern und wird mit einem plumpen Riegel aus Holz ge¬
schlossen. Wie bei uns an altbürgerlichen Häusern oft ein "Kuli occ" Kloria,"
liest man hier über oder an der Thür gewöhnlich die Worte: "O Gott!" oder:
"Der vortreffliche Schöpfer, der Ewige!" Sie sollen ein Talisman gegen den
bösen Blick und gegen Nachtgespcnster sein, und vielleicht haben die Aloeranken,
die man über manchen Thüren angebracht sieht, und die roh gemalten Abbil¬
dungen von Schiffen und Blumen, denen man auf den Wänden einzelner
Häuser begegnet, eine ähnliche Bedeutung.

Die Fenster im Erdgeschoß sind sehr klein, vergittert und, des Harems-
geheimnisseS wegen, in solcher Höhe über dem Boden angebracht, daß es selbst
einem Reiter nicht möglich ist, hineinzusehen. Die obern Stockwerke haben
keine Fenster in unserm Sinne, sondern jedes einen oder , zwei schrankartige
E>ter, die mit Gitterwerk ausgesetzt sind. Letzteres ist von Holz, bisweilen
roth und grün angestrichen, in der Regel aber grau gelassen, und so zart und
fein gemustert, t>aß eS aus der Ferne mehr wie gewebt oder gestickt, als wie
DrechSlerarbeit aussieht. Solche Erkerkasten, die-den Gassen ein höchst eigen¬
thümliches Gepräge verleihen und oft einander so nahe gegenüberstehen, daß
die Nachbarn sich aus ihnen über die Straße die Hände reichen könnten, werden,
da in ihnen ein steter Luftzug herrscht, zum Abkühlen deS Trinkwassers benutzt
und heißen davon Maschrebijeh, Ort für Getränk. An manchen Häusern be¬
findet sich unmittelbar über dem Haupterker ein mit Hvlzgcflecht oder buntem
Glas geschlossenes Fenster, dessen Muster einen Löwen oder ein anderes Thier
oder auch einen frommen Spruch, z. B. "Gott ist meine Zuversicht" darstellt.
Glasscheiben trifft man nur in den Palästen deS Vicekönigs und seiner Familie,
in einigen andern vornehmen Häusern, in den Fabriken außerhalb der Stadt
und im Frankenquartier. Die Fenster der Hauptgemächer, namentlich die des
Harems, gehen übrigens stets auf den Hof, so daß die Erwartung neugieriger
Europäer, in den Zwischenräumen deS Gitterwerks- der Maschrebijeh den schwar¬
zen Augen eines entschleierten Frauenanllitzes zu begegnen, nur vaun unum-


Blöcken deS im nahen Mokattamgebirge gebrochnen Muschelkalksteins, der, wenn
er frisch aus dem Steinbruch kommt, eine hellgelbe Farbe hat, aber sehr rasch
grau wird. An manchen Gebäuden, vorzüglich an den Moscheen, sind diese
Quaberlagen abwechselnd roth und weiß getüncht, eine Geschmacklosigkeit, welche
die Araber den Türken verdanken. Der Oberbau, der über die untere Hälfte
meist einige Fuß weiter in die Gasse hineinragt und von ausgeschweiften und
geschnitzten Balkenköpfen getragen wird, ist von rothen Ziegeln und mit einem
erdfahlen Gemisch von Kalk und Lehm beworfen, das platte Dach mit einer
Decke von weißem Mörtel belegt. Besondere Sorgfalt verwenden die Aegypter
auf die Ausschmückung ihrer Thürgewände, welche stets Rundbogen bilden und
häufig wahre Meisterstücke der Bildhauerkunst sind. Die Thür selbst besteht
nur aus rohen Bretern und wird mit einem plumpen Riegel aus Holz ge¬
schlossen. Wie bei uns an altbürgerlichen Häusern oft ein „Kuli occ» Kloria,"
liest man hier über oder an der Thür gewöhnlich die Worte: „O Gott!" oder:
„Der vortreffliche Schöpfer, der Ewige!" Sie sollen ein Talisman gegen den
bösen Blick und gegen Nachtgespcnster sein, und vielleicht haben die Aloeranken,
die man über manchen Thüren angebracht sieht, und die roh gemalten Abbil¬
dungen von Schiffen und Blumen, denen man auf den Wänden einzelner
Häuser begegnet, eine ähnliche Bedeutung.

Die Fenster im Erdgeschoß sind sehr klein, vergittert und, des Harems-
geheimnisseS wegen, in solcher Höhe über dem Boden angebracht, daß es selbst
einem Reiter nicht möglich ist, hineinzusehen. Die obern Stockwerke haben
keine Fenster in unserm Sinne, sondern jedes einen oder , zwei schrankartige
E>ter, die mit Gitterwerk ausgesetzt sind. Letzteres ist von Holz, bisweilen
roth und grün angestrichen, in der Regel aber grau gelassen, und so zart und
fein gemustert, t>aß eS aus der Ferne mehr wie gewebt oder gestickt, als wie
DrechSlerarbeit aussieht. Solche Erkerkasten, die-den Gassen ein höchst eigen¬
thümliches Gepräge verleihen und oft einander so nahe gegenüberstehen, daß
die Nachbarn sich aus ihnen über die Straße die Hände reichen könnten, werden,
da in ihnen ein steter Luftzug herrscht, zum Abkühlen deS Trinkwassers benutzt
und heißen davon Maschrebijeh, Ort für Getränk. An manchen Häusern be¬
findet sich unmittelbar über dem Haupterker ein mit Hvlzgcflecht oder buntem
Glas geschlossenes Fenster, dessen Muster einen Löwen oder ein anderes Thier
oder auch einen frommen Spruch, z. B. „Gott ist meine Zuversicht" darstellt.
Glasscheiben trifft man nur in den Palästen deS Vicekönigs und seiner Familie,
in einigen andern vornehmen Häusern, in den Fabriken außerhalb der Stadt
und im Frankenquartier. Die Fenster der Hauptgemächer, namentlich die des
Harems, gehen übrigens stets auf den Hof, so daß die Erwartung neugieriger
Europäer, in den Zwischenräumen deS Gitterwerks- der Maschrebijeh den schwar¬
zen Augen eines entschleierten Frauenanllitzes zu begegnen, nur vaun unum-


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[0424] Blöcken deS im nahen Mokattamgebirge gebrochnen Muschelkalksteins, der, wenn er frisch aus dem Steinbruch kommt, eine hellgelbe Farbe hat, aber sehr rasch grau wird. An manchen Gebäuden, vorzüglich an den Moscheen, sind diese Quaberlagen abwechselnd roth und weiß getüncht, eine Geschmacklosigkeit, welche die Araber den Türken verdanken. Der Oberbau, der über die untere Hälfte meist einige Fuß weiter in die Gasse hineinragt und von ausgeschweiften und geschnitzten Balkenköpfen getragen wird, ist von rothen Ziegeln und mit einem erdfahlen Gemisch von Kalk und Lehm beworfen, das platte Dach mit einer Decke von weißem Mörtel belegt. Besondere Sorgfalt verwenden die Aegypter auf die Ausschmückung ihrer Thürgewände, welche stets Rundbogen bilden und häufig wahre Meisterstücke der Bildhauerkunst sind. Die Thür selbst besteht nur aus rohen Bretern und wird mit einem plumpen Riegel aus Holz ge¬ schlossen. Wie bei uns an altbürgerlichen Häusern oft ein „Kuli occ» Kloria," liest man hier über oder an der Thür gewöhnlich die Worte: „O Gott!" oder: „Der vortreffliche Schöpfer, der Ewige!" Sie sollen ein Talisman gegen den bösen Blick und gegen Nachtgespcnster sein, und vielleicht haben die Aloeranken, die man über manchen Thüren angebracht sieht, und die roh gemalten Abbil¬ dungen von Schiffen und Blumen, denen man auf den Wänden einzelner Häuser begegnet, eine ähnliche Bedeutung. Die Fenster im Erdgeschoß sind sehr klein, vergittert und, des Harems- geheimnisseS wegen, in solcher Höhe über dem Boden angebracht, daß es selbst einem Reiter nicht möglich ist, hineinzusehen. Die obern Stockwerke haben keine Fenster in unserm Sinne, sondern jedes einen oder , zwei schrankartige E>ter, die mit Gitterwerk ausgesetzt sind. Letzteres ist von Holz, bisweilen roth und grün angestrichen, in der Regel aber grau gelassen, und so zart und fein gemustert, t>aß eS aus der Ferne mehr wie gewebt oder gestickt, als wie DrechSlerarbeit aussieht. Solche Erkerkasten, die-den Gassen ein höchst eigen¬ thümliches Gepräge verleihen und oft einander so nahe gegenüberstehen, daß die Nachbarn sich aus ihnen über die Straße die Hände reichen könnten, werden, da in ihnen ein steter Luftzug herrscht, zum Abkühlen deS Trinkwassers benutzt und heißen davon Maschrebijeh, Ort für Getränk. An manchen Häusern be¬ findet sich unmittelbar über dem Haupterker ein mit Hvlzgcflecht oder buntem Glas geschlossenes Fenster, dessen Muster einen Löwen oder ein anderes Thier oder auch einen frommen Spruch, z. B. „Gott ist meine Zuversicht" darstellt. Glasscheiben trifft man nur in den Palästen deS Vicekönigs und seiner Familie, in einigen andern vornehmen Häusern, in den Fabriken außerhalb der Stadt und im Frankenquartier. Die Fenster der Hauptgemächer, namentlich die des Harems, gehen übrigens stets auf den Hof, so daß die Erwartung neugieriger Europäer, in den Zwischenräumen deS Gitterwerks- der Maschrebijeh den schwar¬ zen Augen eines entschleierten Frauenanllitzes zu begegnen, nur vaun unum-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/424>, abgerufen am 12.12.2024.