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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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hat vielmehr von jeher stattgefunden und war durchschnittlich von den günstig¬
sten Resultaten begleitet, da die gedienten Militärs mit der größern Kenntniß
der einheimischen Verhältnisse jenes kräftigere Auftreten vereinten, das den
geschulten Bureaukraten meist abging. Der Fehler lag auch nicht in diesen
Verwendungen, sondern in dem Nachschub, der von England kam, oft junge
unbärtige Leute, die durch Gunst emporgekommen waren, den Dienst nicht
kannten, die Eingeborenen verachteten und dafür von den Sipoys mit sehr
natürlicher Mißachtung belohnt wurden.

Was ein militärisch geschulter Mann am rechten Platze bedeutet, davon
hat Sir Henry Lawrence, der von Lord Dalhouste eingesetzte Proconsul
des eben erst eroberten Landes der Seikhs, des Pendschab, die vollgiltigster
Beweise gegeben. Bekannt ist, wie furchtbar erbittert die SeikhS gegen die
Engländer kämpften, so daß sie nur mit genauer Noth besiegt wurden, nach¬
dem ihrer weit über hunderttausend gefallen waren; und doch nicht zehn Jahre
"ach ihrer Unterjochung durch die Engländer ist es gelungen, sie mit wenigen
Aufnahmen vom Aufstande in ihrer unmittelbaren Nähe fern zu halten, ohne
europäische Truppen, blos weil Lawrence mit militärischer Diktatur nach seinem
besten Ermessen verfahren, dem hart mitgenommenen Lande Ruhe und Frieden
geschenkt und zugleich el" den Gewohnheiten und Verhältnissen des Landes
einsprechendes Steuersystem, unterstützt dabei von seinem Bruder John Law¬
rence, eingeführt hatte. Ebenso entwickelte er im ganzen nördlichen Indien, er
allein, sofort beim Beginn des Aufstandes alle Energie zur Sicherung seiner
Provinz und sie ist ihm gelungen. Man kann nnr sagen, daß, wenn das
Pendschab auch meer kurze Zeit -- denn auf die Dauer hätten sich SeikhS und
Hindus nicht vertragen -- sich der Bewegung angeschlossen hätte, die Aufgabe
der Engländer ganz unendlich erschwert worden wäre.

Was indeß die englische Herrschaft in Ostindien zu einer der größten Wohl¬
thaten gemacht, ist die endliche Besiegung jener von Raub und Mord lebenden,
fast über die ganze Halbinsel verbreitete" Sekten der Thngs und DakoitS.
E" ist für europäische Auffassungen gradezu unbegreiflich, nicht blos, daß es
durch Jahrhunderte religiöse, wenn auch wahrscheinlich auf nationaler Grund¬
lage beruhende Sekten geben konnte, denen Todtschlag und Beraubung ein
Glaubensartikel war, sondern noch mehr, daß nicht der ganze Staat, der
ganze öffentliche Gesellschaftszustand dagegen aufs heftigste reagirte, und nichts
mehr als dieser Umstand dürfte die Zerfahrenheit der indischen Zustände und
den losen Zusammenhang der Bevölkerung untereinander begreiflich machen.
Es dauerte auch lange Zeit, ehe die Engländer das Vorhandensein solcher
Sekte" begriffe", aber einmal ihnen auf die Spur gekommen, haben sie mit
gewohnter Energie dem Unwesen ein Ende gemacht.

Faßt man alles Gesagte zusammen, so erblickt man in Ostindien zwar


hat vielmehr von jeher stattgefunden und war durchschnittlich von den günstig¬
sten Resultaten begleitet, da die gedienten Militärs mit der größern Kenntniß
der einheimischen Verhältnisse jenes kräftigere Auftreten vereinten, das den
geschulten Bureaukraten meist abging. Der Fehler lag auch nicht in diesen
Verwendungen, sondern in dem Nachschub, der von England kam, oft junge
unbärtige Leute, die durch Gunst emporgekommen waren, den Dienst nicht
kannten, die Eingeborenen verachteten und dafür von den Sipoys mit sehr
natürlicher Mißachtung belohnt wurden.

Was ein militärisch geschulter Mann am rechten Platze bedeutet, davon
hat Sir Henry Lawrence, der von Lord Dalhouste eingesetzte Proconsul
des eben erst eroberten Landes der Seikhs, des Pendschab, die vollgiltigster
Beweise gegeben. Bekannt ist, wie furchtbar erbittert die SeikhS gegen die
Engländer kämpften, so daß sie nur mit genauer Noth besiegt wurden, nach¬
dem ihrer weit über hunderttausend gefallen waren; und doch nicht zehn Jahre
»ach ihrer Unterjochung durch die Engländer ist es gelungen, sie mit wenigen
Aufnahmen vom Aufstande in ihrer unmittelbaren Nähe fern zu halten, ohne
europäische Truppen, blos weil Lawrence mit militärischer Diktatur nach seinem
besten Ermessen verfahren, dem hart mitgenommenen Lande Ruhe und Frieden
geschenkt und zugleich el» den Gewohnheiten und Verhältnissen des Landes
einsprechendes Steuersystem, unterstützt dabei von seinem Bruder John Law¬
rence, eingeführt hatte. Ebenso entwickelte er im ganzen nördlichen Indien, er
allein, sofort beim Beginn des Aufstandes alle Energie zur Sicherung seiner
Provinz und sie ist ihm gelungen. Man kann nnr sagen, daß, wenn das
Pendschab auch meer kurze Zeit — denn auf die Dauer hätten sich SeikhS und
Hindus nicht vertragen — sich der Bewegung angeschlossen hätte, die Aufgabe
der Engländer ganz unendlich erschwert worden wäre.

Was indeß die englische Herrschaft in Ostindien zu einer der größten Wohl¬
thaten gemacht, ist die endliche Besiegung jener von Raub und Mord lebenden,
fast über die ganze Halbinsel verbreitete» Sekten der Thngs und DakoitS.
E« ist für europäische Auffassungen gradezu unbegreiflich, nicht blos, daß es
durch Jahrhunderte religiöse, wenn auch wahrscheinlich auf nationaler Grund¬
lage beruhende Sekten geben konnte, denen Todtschlag und Beraubung ein
Glaubensartikel war, sondern noch mehr, daß nicht der ganze Staat, der
ganze öffentliche Gesellschaftszustand dagegen aufs heftigste reagirte, und nichts
mehr als dieser Umstand dürfte die Zerfahrenheit der indischen Zustände und
den losen Zusammenhang der Bevölkerung untereinander begreiflich machen.
Es dauerte auch lange Zeit, ehe die Engländer das Vorhandensein solcher
Sekte» begriffe», aber einmal ihnen auf die Spur gekommen, haben sie mit
gewohnter Energie dem Unwesen ein Ende gemacht.

Faßt man alles Gesagte zusammen, so erblickt man in Ostindien zwar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/397>, abgerufen am 12.12.2024.