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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Hältnissen der Compagnie begründet waren. Sie hat bei der Erwerbung neuer
Gebiete von Anfang an ihr erstes Augenmerk auf die Steuereinnahme ge¬
richtet, und der Regulirung derselben alle weitern Zwecke untergeordnet.

Da die Jndier vorzugsweise ein Ackerbau treibendes Volk sind, so war
zum Zweck der Steuererhebung die Anordnung der Besitzvcrhältnisse von Grund
und Boden die nächste Aufgabe und haben die Engländer in dieser Beziehung
gar wunderlich erperimentirt. AIS sie daS südliche Bengalen in Besitz nahmen,
glaubte" sie nach Analogie der einheimischen Verhältnisse dort große Guts¬
besitzer und kleine Zeilpächter zu erblicken, wo in Wahrheit in den meisten Fällen
eS nur das Verhältniß des Steuereinnehmers über kleinere Districte oder deS
Feudalbesitzers mit gewissen Verpflichtungen war. Aber diese irrthümliche An¬
schauung erhoben die Engländer, denen sie sich obendrein durch die Bequem¬
lichkeit der Steuererhebung empfahl, zur gesetzlichen Einrichtung und der
Zemindar erhielt die Stellung eines englffcheu Gutsbesitzers den Nyots, den
eigentlichen Lautbebauern, gegenüber, eine Stellung, die in der Regel ebenso
und noch mehr mißbraucht wurde, als die der irischen Abseutenlords; auch
standen fast nach allen Begebungen der Zemindar und der Ryve einander fern.
So schlecht aber auch dieses System war. und so sehr eS bei seiner Einführung
fast alle bestehenden Besitzverhälinisse umwarf, so war eS doch -- ein IraurigeS
Zeugniß für Hie bahinlerliegeiide Zeit -- ein Fortschritt gegen die Vergangenheit.
Einige Regel war doch da, wahrend unter der mohammedanischen Henschasl jede
Art von Aufsaugung und Bednlckuug ungestraft von Statten ging, auch da¬
mals von öffentlicher Sicheiheit nicht die Rede sein konnte; diese hergestellt
und den verheerenden innern Kriegen ein Ende gemacht zu haben, ist vielleicht
daS größte Verdienst der englischen Herrschaft.

I" der Präsidentschaft Madras begann man zuerst die Verhältnisse auf
denselben Fuß mit Bengalen zu stellen; doch wollte dort die Sache nicht recht
vorwärts rücken. Als man dann spater den Resultaten des bengalischen
Zemindarsystems zu mißtrauen anfing, gelang eS einigen energischen Männern,
dem Nyotwarsystem Eingang zu verschaffen: sie erklärten die Compagnie selbst
als Eigenthümer deS Bodens uno schlössen mit den einzelnen Ackerbauern, Ryots,
direct über die alljährlich zu bezahlende Pacht oder Steuer ab. Ehe sie aber
diese wichtige Verbesserung durchzusetzen vermochten, waren noch große Schwierig¬
keiten zu besiegen; der Directorialhof hielt den Grundsatz fest, die Steuer all¬
jährlich nach dem Ertrage der Ernte und der Größe des bebauten Areals fest¬
zusetzen, kehrte auch hin und wieder zum Zemindarsystem zurück, freilich mit
dem unmögliche" Verlangen, daß es die bisherige Ryotabgabe aufdringe. Doch
"rat schon nach Verlauf eines Jahrzehnt das Nyotwarsystem, da wo eS durch¬
gerungen war, mit so viel besserm Erfolge heraus, daß eS sich wieder die
Gunst der heimischen Behörden erwarb, die selbst später die Hand dazu boten,


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Hältnissen der Compagnie begründet waren. Sie hat bei der Erwerbung neuer
Gebiete von Anfang an ihr erstes Augenmerk auf die Steuereinnahme ge¬
richtet, und der Regulirung derselben alle weitern Zwecke untergeordnet.

Da die Jndier vorzugsweise ein Ackerbau treibendes Volk sind, so war
zum Zweck der Steuererhebung die Anordnung der Besitzvcrhältnisse von Grund
und Boden die nächste Aufgabe und haben die Engländer in dieser Beziehung
gar wunderlich erperimentirt. AIS sie daS südliche Bengalen in Besitz nahmen,
glaubte» sie nach Analogie der einheimischen Verhältnisse dort große Guts¬
besitzer und kleine Zeilpächter zu erblicken, wo in Wahrheit in den meisten Fällen
eS nur das Verhältniß des Steuereinnehmers über kleinere Districte oder deS
Feudalbesitzers mit gewissen Verpflichtungen war. Aber diese irrthümliche An¬
schauung erhoben die Engländer, denen sie sich obendrein durch die Bequem¬
lichkeit der Steuererhebung empfahl, zur gesetzlichen Einrichtung und der
Zemindar erhielt die Stellung eines englffcheu Gutsbesitzers den Nyots, den
eigentlichen Lautbebauern, gegenüber, eine Stellung, die in der Regel ebenso
und noch mehr mißbraucht wurde, als die der irischen Abseutenlords; auch
standen fast nach allen Begebungen der Zemindar und der Ryve einander fern.
So schlecht aber auch dieses System war. und so sehr eS bei seiner Einführung
fast alle bestehenden Besitzverhälinisse umwarf, so war eS doch — ein IraurigeS
Zeugniß für Hie bahinlerliegeiide Zeit — ein Fortschritt gegen die Vergangenheit.
Einige Regel war doch da, wahrend unter der mohammedanischen Henschasl jede
Art von Aufsaugung und Bednlckuug ungestraft von Statten ging, auch da¬
mals von öffentlicher Sicheiheit nicht die Rede sein konnte; diese hergestellt
und den verheerenden innern Kriegen ein Ende gemacht zu haben, ist vielleicht
daS größte Verdienst der englischen Herrschaft.

I» der Präsidentschaft Madras begann man zuerst die Verhältnisse auf
denselben Fuß mit Bengalen zu stellen; doch wollte dort die Sache nicht recht
vorwärts rücken. Als man dann spater den Resultaten des bengalischen
Zemindarsystems zu mißtrauen anfing, gelang eS einigen energischen Männern,
dem Nyotwarsystem Eingang zu verschaffen: sie erklärten die Compagnie selbst
als Eigenthümer deS Bodens uno schlössen mit den einzelnen Ackerbauern, Ryots,
direct über die alljährlich zu bezahlende Pacht oder Steuer ab. Ehe sie aber
diese wichtige Verbesserung durchzusetzen vermochten, waren noch große Schwierig¬
keiten zu besiegen; der Directorialhof hielt den Grundsatz fest, die Steuer all¬
jährlich nach dem Ertrage der Ernte und der Größe des bebauten Areals fest¬
zusetzen, kehrte auch hin und wieder zum Zemindarsystem zurück, freilich mit
dem unmögliche» Verlangen, daß es die bisherige Ryotabgabe aufdringe. Doch
«rat schon nach Verlauf eines Jahrzehnt das Nyotwarsystem, da wo eS durch¬
gerungen war, mit so viel besserm Erfolge heraus, daß eS sich wieder die
Gunst der heimischen Behörden erwarb, die selbst später die Hand dazu boten,


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[0395] Hältnissen der Compagnie begründet waren. Sie hat bei der Erwerbung neuer Gebiete von Anfang an ihr erstes Augenmerk auf die Steuereinnahme ge¬ richtet, und der Regulirung derselben alle weitern Zwecke untergeordnet. Da die Jndier vorzugsweise ein Ackerbau treibendes Volk sind, so war zum Zweck der Steuererhebung die Anordnung der Besitzvcrhältnisse von Grund und Boden die nächste Aufgabe und haben die Engländer in dieser Beziehung gar wunderlich erperimentirt. AIS sie daS südliche Bengalen in Besitz nahmen, glaubte» sie nach Analogie der einheimischen Verhältnisse dort große Guts¬ besitzer und kleine Zeilpächter zu erblicken, wo in Wahrheit in den meisten Fällen eS nur das Verhältniß des Steuereinnehmers über kleinere Districte oder deS Feudalbesitzers mit gewissen Verpflichtungen war. Aber diese irrthümliche An¬ schauung erhoben die Engländer, denen sie sich obendrein durch die Bequem¬ lichkeit der Steuererhebung empfahl, zur gesetzlichen Einrichtung und der Zemindar erhielt die Stellung eines englffcheu Gutsbesitzers den Nyots, den eigentlichen Lautbebauern, gegenüber, eine Stellung, die in der Regel ebenso und noch mehr mißbraucht wurde, als die der irischen Abseutenlords; auch standen fast nach allen Begebungen der Zemindar und der Ryve einander fern. So schlecht aber auch dieses System war. und so sehr eS bei seiner Einführung fast alle bestehenden Besitzverhälinisse umwarf, so war eS doch — ein IraurigeS Zeugniß für Hie bahinlerliegeiide Zeit — ein Fortschritt gegen die Vergangenheit. Einige Regel war doch da, wahrend unter der mohammedanischen Henschasl jede Art von Aufsaugung und Bednlckuug ungestraft von Statten ging, auch da¬ mals von öffentlicher Sicheiheit nicht die Rede sein konnte; diese hergestellt und den verheerenden innern Kriegen ein Ende gemacht zu haben, ist vielleicht daS größte Verdienst der englischen Herrschaft. I» der Präsidentschaft Madras begann man zuerst die Verhältnisse auf denselben Fuß mit Bengalen zu stellen; doch wollte dort die Sache nicht recht vorwärts rücken. Als man dann spater den Resultaten des bengalischen Zemindarsystems zu mißtrauen anfing, gelang eS einigen energischen Männern, dem Nyotwarsystem Eingang zu verschaffen: sie erklärten die Compagnie selbst als Eigenthümer deS Bodens uno schlössen mit den einzelnen Ackerbauern, Ryots, direct über die alljährlich zu bezahlende Pacht oder Steuer ab. Ehe sie aber diese wichtige Verbesserung durchzusetzen vermochten, waren noch große Schwierig¬ keiten zu besiegen; der Directorialhof hielt den Grundsatz fest, die Steuer all¬ jährlich nach dem Ertrage der Ernte und der Größe des bebauten Areals fest¬ zusetzen, kehrte auch hin und wieder zum Zemindarsystem zurück, freilich mit dem unmögliche» Verlangen, daß es die bisherige Ryotabgabe aufdringe. Doch «rat schon nach Verlauf eines Jahrzehnt das Nyotwarsystem, da wo eS durch¬ gerungen war, mit so viel besserm Erfolge heraus, daß eS sich wieder die Gunst der heimischen Behörden erwarb, die selbst später die Hand dazu boten, i9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/395>, abgerufen am 12.12.2024.