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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Einkünfte aus. Wenig half es, daß 17K9 den einheimischen Beamten euro¬
päische Aufsicht beigegebe", oder daß eine Commission von London aus nach
Ostindien geschickt wurde, um Ordnung zu schaffen; erst Warren Hastings, der
neue Generalgouvemeur ergriff das rechte Mittel, und am 11. Mai 1772
ward auch nominell Besitz von den evoberte" Landschaften genommen. Und
mit diesem neuen Zustand der Dinge erwuchs denn der Compagnie auch die
Pflicht nach einer radicalen Umgestaltung 5er Verwaltung, eine Pflicht, die
sie indeß nur in den engsten Grenzen ausgeführt hat, indem sie zwar nach
oben zu das Getriebe der Verwaltung vergrößerte, nach unten zu sich indeß
begnügte, ihre Angestellten zu Richtern und Steuereinnehmern mit fast un¬
beschränkter Gewalt über große Distncte zu erheben. Allein dennoch wollten
die Einkünfte sich nicht nach Wunsch vermehren, während die politische Stel¬
lung der Compagnie und namentlich die Aufrechthaltung und Erweiterung
ihres Besitzes die Ausgaben immer steige" ließ. In dieser Verlegenheit wandte
sich die Compagnie um ein Anleheu an das Parlament, das sofort eifrig die
Gelegenheit ergriff, um seinen Einfluß auf die neuerworbenen Besitzungen zu
sichern. Es erfolgte die sogenannte i-LFuwImx ac>. V, Jahre 1773, welche im
Wesentlichen das Regierungsgetriebe festgestellt hat, wie es bis auf den heu¬
tigen Tag geblieben ist. Sie hat eine Dreitheilung der Gewalten geschaffen,
freilich nicht in dem gebräuchlichen Sinne, sondern indem sie drei Gewalten
herstellte, welche weder vollständig neben- noch über- und untereinander stehen.

Die dem Ursprung uach erste und dem Namen nach wichtigste Gewalt
beruht bei den Actionären (pr"t>rietvl8) der ostindischen Gesellschaft; doch
sind nur solche stimmberechtigt, welche 1000 Pf. Se. Nominalcapilal an Actien
besitzen. Mit sehr unwesentlichen Ausnahmen ist es indeß der coule ot? clireo-
tors (Vorstand), der die gesammten Angelegenheiten der Gesellschaft leitet. Die
Directoren sind von den stimmberechtigten Actionären gewählt, doch steht der
Krone das Bestätigungsrecht und seit 185i auch das Ernenuungsrecht von sechs
Mitgliedern zu. Seitdem mit dem I. 183S daS Handelsmonopol der ostin-
dischen Gesellschaft aufgehört hat, ist dieser Vorstand einer Handelsfirma zu
einem rein politischen Körper geworden, eine der wunderlichsten Anomalien deS
öffentlichen Rechts Englands. Diese Zwitterstellung wurde gewiß nicht dadurch
vermindert, daß der directe und der indirecte Einfluß der Krone ihn seiner
eigentlichen Bestimmung, die pecunicnen Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen,
immer mehr entfremdete. Aus diesem Zustande ist denn ein bemerkenswerthes
Schwanken hervorgegangen, indem die Direktoren daS eine Mal ihr ganzes
Augenmerk auf Zinsen und Dividenden lenkten, ein anderes Mal sich baun wieder
als Negierung fühlten. Namentlich gibt die Korrespondenz des Directorialhofes,
so weit sie der Oeffentlichkeit zugänglich geworden ist, ein deutliches Bild dieser
Doppelstellung. Wir finden darin ebenso viel Beweise der kleinlichste" Auf-


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Einkünfte aus. Wenig half es, daß 17K9 den einheimischen Beamten euro¬
päische Aufsicht beigegebe», oder daß eine Commission von London aus nach
Ostindien geschickt wurde, um Ordnung zu schaffen; erst Warren Hastings, der
neue Generalgouvemeur ergriff das rechte Mittel, und am 11. Mai 1772
ward auch nominell Besitz von den evoberte« Landschaften genommen. Und
mit diesem neuen Zustand der Dinge erwuchs denn der Compagnie auch die
Pflicht nach einer radicalen Umgestaltung 5er Verwaltung, eine Pflicht, die
sie indeß nur in den engsten Grenzen ausgeführt hat, indem sie zwar nach
oben zu das Getriebe der Verwaltung vergrößerte, nach unten zu sich indeß
begnügte, ihre Angestellten zu Richtern und Steuereinnehmern mit fast un¬
beschränkter Gewalt über große Distncte zu erheben. Allein dennoch wollten
die Einkünfte sich nicht nach Wunsch vermehren, während die politische Stel¬
lung der Compagnie und namentlich die Aufrechthaltung und Erweiterung
ihres Besitzes die Ausgaben immer steige» ließ. In dieser Verlegenheit wandte
sich die Compagnie um ein Anleheu an das Parlament, das sofort eifrig die
Gelegenheit ergriff, um seinen Einfluß auf die neuerworbenen Besitzungen zu
sichern. Es erfolgte die sogenannte i-LFuwImx ac>. V, Jahre 1773, welche im
Wesentlichen das Regierungsgetriebe festgestellt hat, wie es bis auf den heu¬
tigen Tag geblieben ist. Sie hat eine Dreitheilung der Gewalten geschaffen,
freilich nicht in dem gebräuchlichen Sinne, sondern indem sie drei Gewalten
herstellte, welche weder vollständig neben- noch über- und untereinander stehen.

Die dem Ursprung uach erste und dem Namen nach wichtigste Gewalt
beruht bei den Actionären (pr»t>rietvl8) der ostindischen Gesellschaft; doch
sind nur solche stimmberechtigt, welche 1000 Pf. Se. Nominalcapilal an Actien
besitzen. Mit sehr unwesentlichen Ausnahmen ist es indeß der coule ot? clireo-
tors (Vorstand), der die gesammten Angelegenheiten der Gesellschaft leitet. Die
Directoren sind von den stimmberechtigten Actionären gewählt, doch steht der
Krone das Bestätigungsrecht und seit 185i auch das Ernenuungsrecht von sechs
Mitgliedern zu. Seitdem mit dem I. 183S daS Handelsmonopol der ostin-
dischen Gesellschaft aufgehört hat, ist dieser Vorstand einer Handelsfirma zu
einem rein politischen Körper geworden, eine der wunderlichsten Anomalien deS
öffentlichen Rechts Englands. Diese Zwitterstellung wurde gewiß nicht dadurch
vermindert, daß der directe und der indirecte Einfluß der Krone ihn seiner
eigentlichen Bestimmung, die pecunicnen Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen,
immer mehr entfremdete. Aus diesem Zustande ist denn ein bemerkenswerthes
Schwanken hervorgegangen, indem die Direktoren daS eine Mal ihr ganzes
Augenmerk auf Zinsen und Dividenden lenkten, ein anderes Mal sich baun wieder
als Negierung fühlten. Namentlich gibt die Korrespondenz des Directorialhofes,
so weit sie der Oeffentlichkeit zugänglich geworden ist, ein deutliches Bild dieser
Doppelstellung. Wir finden darin ebenso viel Beweise der kleinlichste» Auf-


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[0387] Einkünfte aus. Wenig half es, daß 17K9 den einheimischen Beamten euro¬ päische Aufsicht beigegebe», oder daß eine Commission von London aus nach Ostindien geschickt wurde, um Ordnung zu schaffen; erst Warren Hastings, der neue Generalgouvemeur ergriff das rechte Mittel, und am 11. Mai 1772 ward auch nominell Besitz von den evoberte« Landschaften genommen. Und mit diesem neuen Zustand der Dinge erwuchs denn der Compagnie auch die Pflicht nach einer radicalen Umgestaltung 5er Verwaltung, eine Pflicht, die sie indeß nur in den engsten Grenzen ausgeführt hat, indem sie zwar nach oben zu das Getriebe der Verwaltung vergrößerte, nach unten zu sich indeß begnügte, ihre Angestellten zu Richtern und Steuereinnehmern mit fast un¬ beschränkter Gewalt über große Distncte zu erheben. Allein dennoch wollten die Einkünfte sich nicht nach Wunsch vermehren, während die politische Stel¬ lung der Compagnie und namentlich die Aufrechthaltung und Erweiterung ihres Besitzes die Ausgaben immer steige» ließ. In dieser Verlegenheit wandte sich die Compagnie um ein Anleheu an das Parlament, das sofort eifrig die Gelegenheit ergriff, um seinen Einfluß auf die neuerworbenen Besitzungen zu sichern. Es erfolgte die sogenannte i-LFuwImx ac>. V, Jahre 1773, welche im Wesentlichen das Regierungsgetriebe festgestellt hat, wie es bis auf den heu¬ tigen Tag geblieben ist. Sie hat eine Dreitheilung der Gewalten geschaffen, freilich nicht in dem gebräuchlichen Sinne, sondern indem sie drei Gewalten herstellte, welche weder vollständig neben- noch über- und untereinander stehen. Die dem Ursprung uach erste und dem Namen nach wichtigste Gewalt beruht bei den Actionären (pr»t>rietvl8) der ostindischen Gesellschaft; doch sind nur solche stimmberechtigt, welche 1000 Pf. Se. Nominalcapilal an Actien besitzen. Mit sehr unwesentlichen Ausnahmen ist es indeß der coule ot? clireo- tors (Vorstand), der die gesammten Angelegenheiten der Gesellschaft leitet. Die Directoren sind von den stimmberechtigten Actionären gewählt, doch steht der Krone das Bestätigungsrecht und seit 185i auch das Ernenuungsrecht von sechs Mitgliedern zu. Seitdem mit dem I. 183S daS Handelsmonopol der ostin- dischen Gesellschaft aufgehört hat, ist dieser Vorstand einer Handelsfirma zu einem rein politischen Körper geworden, eine der wunderlichsten Anomalien deS öffentlichen Rechts Englands. Diese Zwitterstellung wurde gewiß nicht dadurch vermindert, daß der directe und der indirecte Einfluß der Krone ihn seiner eigentlichen Bestimmung, die pecunicnen Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, immer mehr entfremdete. Aus diesem Zustande ist denn ein bemerkenswerthes Schwanken hervorgegangen, indem die Direktoren daS eine Mal ihr ganzes Augenmerk auf Zinsen und Dividenden lenkten, ein anderes Mal sich baun wieder als Negierung fühlten. Namentlich gibt die Korrespondenz des Directorialhofes, so weit sie der Oeffentlichkeit zugänglich geworden ist, ein deutliches Bild dieser Doppelstellung. Wir finden darin ebenso viel Beweise der kleinlichste» Auf- 48 '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/387>, abgerufen am 24.08.2024.