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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Tücher befestigt waren. Die Braut trägt eine kleine Krone von vergoldeter
Pappe, von der man jedoch hier nichts sah, da die ganze Gestalt vom Kopf
bis zu den Knöcheln in einen rothen Shawl gehüllt war. Wahrscheinlich um
nicht zu fallen, wurde die junge Dame von zwei älteren Frauen geführt. Hin¬
ter dem Baldachin ginge" noch einige weibliche Anverwandte, die von Zeit
zu Zeit das Zagarit, ein durchdringendes zitterndes Freudengeschrei, dem Pferde-
gewieher ähnlich, ausstießen, welches, die Instrumente überkommt, auch bei
andern frohen Ereignissen häufig gehört wird, dann beschlossen vier Musikan¬
ten mit Pauken und Tambourins den Zug, der nicht weit von dem Hotel in
einer Nebengasse das Bad, welches sein Ziel war, erreichte.

Gegen Abend holte der Freund, der uns in den Pyramidengasthos gewie¬
sen, "us zu einem Spaziergang auf die Esbekieh ab. Dieser Platz, einst in
der einen Hälfte des Jahres ein See, in der andern ein Sumpf, ist durch
Mehemed Ali, der das Wasser, welches die Ueberschwemmungc" des Nil hier
einströmen ließen, durch einen Kanal ableitete, in eine der anmuthigsten Pro¬
menade" des Landes umgeschaffen worden. Alleen von prächtigen breitwipfe-
ligen Nilakazien, zwischen deren Stämmen die weißen Mauern und die grauen
zierlich geschnitzte" Gittercrker von arabischen Häusern, einzelne große Hotels
und Paläste und zwei oder drei Minarets sichtbar sind, umfasse" buschige An¬
lagen von Tamarisken, Sykomoren und süßduftenden Mimosen, zwischen denen
breite Fahrstraßen und schmalere Fußwege hindurchführen. An der einen Seite
haben Griechen mehre Lauben und Buden angelegt, vor denen die elegante
Welt den Tschibuck oder das Nargileh, die persische Wasserpfeife, raucht, aus
niedlichen Findjans Kaffee und, wenn die Polizei nicht hinsieht, anch ein und
daS andere Glas Raki trinkt. Weiter hinab vergnügt sich das niedere Volk
mit Schaukeln, oder ein Possenreißer mit einem abgerichtete" Esel oder Affen
versammelt einen Kreis von blauen Kaftanen und gelbe" Gesichtern um sich,
um ihnen seine Kunststücke zu zeigen.

Als wir hinauskamen und uns vor einer Kaffeelaube, welche ein großer
weißer Pelikan schmückte, niederzulassen anschickten, war über den Büschen noch
daS orangefarbene Licht ausgegossen, welches dem Laube sein Grün läßt. Bald
nachher hatte es sich i" ein blasses Rosenroth verwandelt, wo die tieferen
Partien in den Wipfeln schon schwarz erscheine". Endlich war auch dieser
letzte Schimmer erloschen, das Laubdach über uns ganz schwarz, die Federkrone
der Palme, die, der Sage nach von Napoleon gepflanzt, sich in einem Garten
zwischen dem französischen Generalconsulat und dem Hotel d'Orient erhebt,
gleichfalls schwarz. In der lauen Luft schwamm das berauschende Aroma der
Mimosenblüten. Neben uns verbreiteten die Blätter deS Tabaks von Schiras
ihren milde" Wohlgeruch. Auf der Straße zur Seite gaukelten wie Leuchtkäfer
einzelne weiße und rothe Papierlaternen. In den Fenstern wurden Lichter


Tücher befestigt waren. Die Braut trägt eine kleine Krone von vergoldeter
Pappe, von der man jedoch hier nichts sah, da die ganze Gestalt vom Kopf
bis zu den Knöcheln in einen rothen Shawl gehüllt war. Wahrscheinlich um
nicht zu fallen, wurde die junge Dame von zwei älteren Frauen geführt. Hin¬
ter dem Baldachin ginge» noch einige weibliche Anverwandte, die von Zeit
zu Zeit das Zagarit, ein durchdringendes zitterndes Freudengeschrei, dem Pferde-
gewieher ähnlich, ausstießen, welches, die Instrumente überkommt, auch bei
andern frohen Ereignissen häufig gehört wird, dann beschlossen vier Musikan¬
ten mit Pauken und Tambourins den Zug, der nicht weit von dem Hotel in
einer Nebengasse das Bad, welches sein Ziel war, erreichte.

Gegen Abend holte der Freund, der uns in den Pyramidengasthos gewie¬
sen, »us zu einem Spaziergang auf die Esbekieh ab. Dieser Platz, einst in
der einen Hälfte des Jahres ein See, in der andern ein Sumpf, ist durch
Mehemed Ali, der das Wasser, welches die Ueberschwemmungc» des Nil hier
einströmen ließen, durch einen Kanal ableitete, in eine der anmuthigsten Pro¬
menade» des Landes umgeschaffen worden. Alleen von prächtigen breitwipfe-
ligen Nilakazien, zwischen deren Stämmen die weißen Mauern und die grauen
zierlich geschnitzte» Gittercrker von arabischen Häusern, einzelne große Hotels
und Paläste und zwei oder drei Minarets sichtbar sind, umfasse» buschige An¬
lagen von Tamarisken, Sykomoren und süßduftenden Mimosen, zwischen denen
breite Fahrstraßen und schmalere Fußwege hindurchführen. An der einen Seite
haben Griechen mehre Lauben und Buden angelegt, vor denen die elegante
Welt den Tschibuck oder das Nargileh, die persische Wasserpfeife, raucht, aus
niedlichen Findjans Kaffee und, wenn die Polizei nicht hinsieht, anch ein und
daS andere Glas Raki trinkt. Weiter hinab vergnügt sich das niedere Volk
mit Schaukeln, oder ein Possenreißer mit einem abgerichtete» Esel oder Affen
versammelt einen Kreis von blauen Kaftanen und gelbe» Gesichtern um sich,
um ihnen seine Kunststücke zu zeigen.

Als wir hinauskamen und uns vor einer Kaffeelaube, welche ein großer
weißer Pelikan schmückte, niederzulassen anschickten, war über den Büschen noch
daS orangefarbene Licht ausgegossen, welches dem Laube sein Grün läßt. Bald
nachher hatte es sich i» ein blasses Rosenroth verwandelt, wo die tieferen
Partien in den Wipfeln schon schwarz erscheine». Endlich war auch dieser
letzte Schimmer erloschen, das Laubdach über uns ganz schwarz, die Federkrone
der Palme, die, der Sage nach von Napoleon gepflanzt, sich in einem Garten
zwischen dem französischen Generalconsulat und dem Hotel d'Orient erhebt,
gleichfalls schwarz. In der lauen Luft schwamm das berauschende Aroma der
Mimosenblüten. Neben uns verbreiteten die Blätter deS Tabaks von Schiras
ihren milde» Wohlgeruch. Auf der Straße zur Seite gaukelten wie Leuchtkäfer
einzelne weiße und rothe Papierlaternen. In den Fenstern wurden Lichter


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[0384] Tücher befestigt waren. Die Braut trägt eine kleine Krone von vergoldeter Pappe, von der man jedoch hier nichts sah, da die ganze Gestalt vom Kopf bis zu den Knöcheln in einen rothen Shawl gehüllt war. Wahrscheinlich um nicht zu fallen, wurde die junge Dame von zwei älteren Frauen geführt. Hin¬ ter dem Baldachin ginge» noch einige weibliche Anverwandte, die von Zeit zu Zeit das Zagarit, ein durchdringendes zitterndes Freudengeschrei, dem Pferde- gewieher ähnlich, ausstießen, welches, die Instrumente überkommt, auch bei andern frohen Ereignissen häufig gehört wird, dann beschlossen vier Musikan¬ ten mit Pauken und Tambourins den Zug, der nicht weit von dem Hotel in einer Nebengasse das Bad, welches sein Ziel war, erreichte. Gegen Abend holte der Freund, der uns in den Pyramidengasthos gewie¬ sen, »us zu einem Spaziergang auf die Esbekieh ab. Dieser Platz, einst in der einen Hälfte des Jahres ein See, in der andern ein Sumpf, ist durch Mehemed Ali, der das Wasser, welches die Ueberschwemmungc» des Nil hier einströmen ließen, durch einen Kanal ableitete, in eine der anmuthigsten Pro¬ menade» des Landes umgeschaffen worden. Alleen von prächtigen breitwipfe- ligen Nilakazien, zwischen deren Stämmen die weißen Mauern und die grauen zierlich geschnitzte» Gittercrker von arabischen Häusern, einzelne große Hotels und Paläste und zwei oder drei Minarets sichtbar sind, umfasse» buschige An¬ lagen von Tamarisken, Sykomoren und süßduftenden Mimosen, zwischen denen breite Fahrstraßen und schmalere Fußwege hindurchführen. An der einen Seite haben Griechen mehre Lauben und Buden angelegt, vor denen die elegante Welt den Tschibuck oder das Nargileh, die persische Wasserpfeife, raucht, aus niedlichen Findjans Kaffee und, wenn die Polizei nicht hinsieht, anch ein und daS andere Glas Raki trinkt. Weiter hinab vergnügt sich das niedere Volk mit Schaukeln, oder ein Possenreißer mit einem abgerichtete» Esel oder Affen versammelt einen Kreis von blauen Kaftanen und gelbe» Gesichtern um sich, um ihnen seine Kunststücke zu zeigen. Als wir hinauskamen und uns vor einer Kaffeelaube, welche ein großer weißer Pelikan schmückte, niederzulassen anschickten, war über den Büschen noch daS orangefarbene Licht ausgegossen, welches dem Laube sein Grün läßt. Bald nachher hatte es sich i» ein blasses Rosenroth verwandelt, wo die tieferen Partien in den Wipfeln schon schwarz erscheine». Endlich war auch dieser letzte Schimmer erloschen, das Laubdach über uns ganz schwarz, die Federkrone der Palme, die, der Sage nach von Napoleon gepflanzt, sich in einem Garten zwischen dem französischen Generalconsulat und dem Hotel d'Orient erhebt, gleichfalls schwarz. In der lauen Luft schwamm das berauschende Aroma der Mimosenblüten. Neben uns verbreiteten die Blätter deS Tabaks von Schiras ihren milde» Wohlgeruch. Auf der Straße zur Seite gaukelten wie Leuchtkäfer einzelne weiße und rothe Papierlaternen. In den Fenstern wurden Lichter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/384>, abgerufen am 24.08.2024.