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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Schuhe hervor; neben jeder geht ein Diener her, um sie im Sattel zu halten,
in dem sie in der Weise der Männer sitzen. Die Frauen weichen zur Seite
vor einem Läufer, der sie mit wiederholten: "Dahrak pa dire! --- Gembak, pa
sitt!" (Deinen Rücken in Acht nehmen, o Tochter! -- Deine Seite in Acht
nehmen, o gnädige Frau!) vor der Barouche hinter ihm warnt, in welcher der
armenische ol?er griechische Erzbischof späteren fährt. An der Stelle, wo vor¬
hin der Barbier saß, ruft jetzt ein halbnackter Nubier, dem ein dichter Haar¬
wulst vom Scheitel über Nacken und Ohren hängt, breite gerade Schwerter
aus, wie sie das Volk der Barabra an den Nilkatarakten trägt. Neben ihm
hat ein Beduine vom Sinai eine Art Würste, Datteln und Mandeln in
Gazellenhaut genäht, feil. Stolz reitet an ihm mit langer Lanze ein anderer
Wüstensohn vorüber, dessen schlichter brauner Kapuzenburnns und dessen
dürrer Klepper sehr gegen den prächtigen türkischen Bei absticht, der auf wohl¬
genährtem Rosse hinter ihm herkommt, und an dessen feintuchner brauner Jacke
man vor lauter Stickerei kaum den Grund sieht.

Ein Stück zur Seite begrüßen sich ein rother und ein weißer Turban.
Sie legen ihre rechten Hände ineinander, bringen sie dann an die Lippen und die
Stirn und legen sie hiernach auf die Brust, sich gegenseitig "Salamat" d. i.
Friede mit dir, und "Taibin" p. i. viel Gutes wünsche ich dir, zmnfend.
Eine Strecke weiterhin schwankt der Tod in Gestalt eines Leichenzuges durch
das Leben der Straße. Zuerst kommen sechs ärmlich gekleidete Männer in
blauen Kaftans, sogenannte Jemanijeh, die drei und drei zusammengehend, in
unablässiger Wiederholung: "La illaha illa las! Mohammed errossul ullah!"
das Glaubensbekenntniß deS Islam singen. Dann folgen die Verwandten des
Verstorbenen, seine Freunde und einige Derwische mit rothen Fahnen. Hinter
diesen gehen mehre Knaben, von denen einer auf einem Lesepulte von Palmen-
Holzstäben eine Abschrift des Koran trägt, die mit einem gestickten Tuche be¬
deckt ist. Sie singen mit Heller Stimme ein Loblied auf Gott:

"Gepriesen sei die Vollkommenheit dessen, der geschaffen hat alles, was
Gestalt hat, und unterworfen seine Knechte durch den Tod,, der da vernichtet
seine Geschöpfe sammt den Menschen. Sie werden alle in den Gräbern liegen.
(Gepriesen sei) die Vollkommenheit des Herrn im Osten, die Vollkommenheit
des Herrn im Westen, die Vollkommenheit dessen, der die beiden Lichter an¬
gezündet hat, die Sonne und den Mond. Seine Vollkommenheit -- wie gütig
ist er! Seine Vollkommenheit -- wie groß ist er!"

Dann kommt der Todte auf der Bahre, den Kopf voran, die Hände auf
die Brust gelegt, mit bunten Shawls bedeckt, von vier Freunden getragen.
Hierauf folgt ein Trupp verschleierter Frauen, mit aufgelöstem Haar, weinend
und laute Klagerufe ausstoßend. Einige haben sich Kopf, Stirn und Busen
mit Koth und Staub beworfen. ES sind gemiethete Klageweiber, die von Zeit


Schuhe hervor; neben jeder geht ein Diener her, um sie im Sattel zu halten,
in dem sie in der Weise der Männer sitzen. Die Frauen weichen zur Seite
vor einem Läufer, der sie mit wiederholten: „Dahrak pa dire! —- Gembak, pa
sitt!" (Deinen Rücken in Acht nehmen, o Tochter! — Deine Seite in Acht
nehmen, o gnädige Frau!) vor der Barouche hinter ihm warnt, in welcher der
armenische ol?er griechische Erzbischof späteren fährt. An der Stelle, wo vor¬
hin der Barbier saß, ruft jetzt ein halbnackter Nubier, dem ein dichter Haar¬
wulst vom Scheitel über Nacken und Ohren hängt, breite gerade Schwerter
aus, wie sie das Volk der Barabra an den Nilkatarakten trägt. Neben ihm
hat ein Beduine vom Sinai eine Art Würste, Datteln und Mandeln in
Gazellenhaut genäht, feil. Stolz reitet an ihm mit langer Lanze ein anderer
Wüstensohn vorüber, dessen schlichter brauner Kapuzenburnns und dessen
dürrer Klepper sehr gegen den prächtigen türkischen Bei absticht, der auf wohl¬
genährtem Rosse hinter ihm herkommt, und an dessen feintuchner brauner Jacke
man vor lauter Stickerei kaum den Grund sieht.

Ein Stück zur Seite begrüßen sich ein rother und ein weißer Turban.
Sie legen ihre rechten Hände ineinander, bringen sie dann an die Lippen und die
Stirn und legen sie hiernach auf die Brust, sich gegenseitig „Salamat" d. i.
Friede mit dir, und „Taibin" p. i. viel Gutes wünsche ich dir, zmnfend.
Eine Strecke weiterhin schwankt der Tod in Gestalt eines Leichenzuges durch
das Leben der Straße. Zuerst kommen sechs ärmlich gekleidete Männer in
blauen Kaftans, sogenannte Jemanijeh, die drei und drei zusammengehend, in
unablässiger Wiederholung: „La illaha illa las! Mohammed errossul ullah!"
das Glaubensbekenntniß deS Islam singen. Dann folgen die Verwandten des
Verstorbenen, seine Freunde und einige Derwische mit rothen Fahnen. Hinter
diesen gehen mehre Knaben, von denen einer auf einem Lesepulte von Palmen-
Holzstäben eine Abschrift des Koran trägt, die mit einem gestickten Tuche be¬
deckt ist. Sie singen mit Heller Stimme ein Loblied auf Gott:

„Gepriesen sei die Vollkommenheit dessen, der geschaffen hat alles, was
Gestalt hat, und unterworfen seine Knechte durch den Tod,, der da vernichtet
seine Geschöpfe sammt den Menschen. Sie werden alle in den Gräbern liegen.
(Gepriesen sei) die Vollkommenheit des Herrn im Osten, die Vollkommenheit
des Herrn im Westen, die Vollkommenheit dessen, der die beiden Lichter an¬
gezündet hat, die Sonne und den Mond. Seine Vollkommenheit — wie gütig
ist er! Seine Vollkommenheit — wie groß ist er!"

Dann kommt der Todte auf der Bahre, den Kopf voran, die Hände auf
die Brust gelegt, mit bunten Shawls bedeckt, von vier Freunden getragen.
Hierauf folgt ein Trupp verschleierter Frauen, mit aufgelöstem Haar, weinend
und laute Klagerufe ausstoßend. Einige haben sich Kopf, Stirn und Busen
mit Koth und Staub beworfen. ES sind gemiethete Klageweiber, die von Zeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/380>, abgerufen am 02.10.2024.