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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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sind hellblau, weiß, roth und lichtbraun. Als Hauptcontraste erscheinen auf
den Wellen deS Stromes schmuzstarrende, fetzenumhangene Armuth gegenüber
prunkvollen in Seide und Gold einherrauschendcm Reichthum und Erinne¬
rungen an das unmittelbar vor dem östlichen Thore beginnende Wüstenleben
gegenüber dem Raffinement der Cultur einer morgenländischen Hauptstadt.
Ueberraschungen biegen beinahe jeden Augenblick um die Ecke, und wie in
einem Kaleidoskop bilden sich aus den bunten Elementen unablässig bald gro¬
teske, bald anmuthige Gruppen.

Aus der einen Seite des Platzes, hart unter unserm Erker, steht mit ihren
Granaden eine Schaar von Eselsbuben, den Fiakern und Fremdenführern der
ägyptischen Hauptstadt. Während ihre Thiere nach Vermögen herausgeputzt,
mit rochen Polstersättel" versehe", mit Troddeln und Messingzierathen behän¬
gen, am ganzen Leibe rasirt und bisweilen sogar bunt bemalt sind, sehen sie
selbst wie wandelnde Lumpensammlungeu aus. Keiner trägt Schuhe, kaum
einer mehr auf dem Leibe als den blauen Baumwollenkittel des gemeinen
Volks, über den einer und der andere eine alte Militärjacke oder einen euro¬
päischen Rock gezogen hat, dem Aermel und Kragen verloren gegangen sind.
Fast immer sich zankend und ranfend, beginnt der ganze Haufe bei jeder An¬
näherung eines zu Fuß daher kommenden Franken wie ein Bienenstock zu
schwärmen, stößt sich, drängt sich, schließt den Fremden ein, preist ihm in ge¬
brochenem Englisch, Französisch, Italienisch oder Deutsch die verschiedenen
Esel an, schwingt sich in den Sattel und jagt mit zurückgelegtem Oberkörper
und weit vorgestreckten nackten Beinen wie wüthend im Kreise umher, bis der
auf solche Weise Angefallene entweder eines der Thiere herausgreift und be¬
steigt oder sich mit Püffen dnrch daS Getümmel der Zudringlichen Bahn bricht.

Auf der andern Seite, unter der vorhin erwähnten großen Akazie, welche
vor der Posthalterei der Transttgesellschaft steht, hat sich eine nicht weniger
interessante Gruppe, ein Bild für Murillo, zusammengefunden. Neben einem
Tschibnckmachcr, der sein Handwerk unter freiem Himmel betreibt, hocken
Fellahweiber mit runden fladenförmigen Broden, die sie den Vorübergehenden
mit gellender Stimme anbieten. Gleich bei ihnen liegt ein halbgeschorener
Kopf im Schoß eines beturbanten Barbiers, der, die Paradieslocke des Kunden
in der Linken, daS blinkende Messer in der Rechten die landesübliche Glatze
zu vervollständigen bemüht ist, während hinter ihm die flinken Finger eines
Mädchens in den Haarstoppeln eines schmuzigen Brüderchens eine Operation
vollziehen, die eine ähnliche Lage erfordert, zu der eS aber nicht des Bar¬
biers bedarf.

Zwischen diesen bleibenden Gruppen des Vordergrundes hindurch wimmelt
ein Gewühl von Männer- und Weibertrachten, von Fußgängern und Reitern
zu Esel, zu Pferd, zu Kamee!, von weißen, gelben, dunkelbraunen und


GrenzbotenIII. 18S7. 47

sind hellblau, weiß, roth und lichtbraun. Als Hauptcontraste erscheinen auf
den Wellen deS Stromes schmuzstarrende, fetzenumhangene Armuth gegenüber
prunkvollen in Seide und Gold einherrauschendcm Reichthum und Erinne¬
rungen an das unmittelbar vor dem östlichen Thore beginnende Wüstenleben
gegenüber dem Raffinement der Cultur einer morgenländischen Hauptstadt.
Ueberraschungen biegen beinahe jeden Augenblick um die Ecke, und wie in
einem Kaleidoskop bilden sich aus den bunten Elementen unablässig bald gro¬
teske, bald anmuthige Gruppen.

Aus der einen Seite des Platzes, hart unter unserm Erker, steht mit ihren
Granaden eine Schaar von Eselsbuben, den Fiakern und Fremdenführern der
ägyptischen Hauptstadt. Während ihre Thiere nach Vermögen herausgeputzt,
mit rochen Polstersättel» versehe», mit Troddeln und Messingzierathen behän¬
gen, am ganzen Leibe rasirt und bisweilen sogar bunt bemalt sind, sehen sie
selbst wie wandelnde Lumpensammlungeu aus. Keiner trägt Schuhe, kaum
einer mehr auf dem Leibe als den blauen Baumwollenkittel des gemeinen
Volks, über den einer und der andere eine alte Militärjacke oder einen euro¬
päischen Rock gezogen hat, dem Aermel und Kragen verloren gegangen sind.
Fast immer sich zankend und ranfend, beginnt der ganze Haufe bei jeder An¬
näherung eines zu Fuß daher kommenden Franken wie ein Bienenstock zu
schwärmen, stößt sich, drängt sich, schließt den Fremden ein, preist ihm in ge¬
brochenem Englisch, Französisch, Italienisch oder Deutsch die verschiedenen
Esel an, schwingt sich in den Sattel und jagt mit zurückgelegtem Oberkörper
und weit vorgestreckten nackten Beinen wie wüthend im Kreise umher, bis der
auf solche Weise Angefallene entweder eines der Thiere herausgreift und be¬
steigt oder sich mit Püffen dnrch daS Getümmel der Zudringlichen Bahn bricht.

Auf der andern Seite, unter der vorhin erwähnten großen Akazie, welche
vor der Posthalterei der Transttgesellschaft steht, hat sich eine nicht weniger
interessante Gruppe, ein Bild für Murillo, zusammengefunden. Neben einem
Tschibnckmachcr, der sein Handwerk unter freiem Himmel betreibt, hocken
Fellahweiber mit runden fladenförmigen Broden, die sie den Vorübergehenden
mit gellender Stimme anbieten. Gleich bei ihnen liegt ein halbgeschorener
Kopf im Schoß eines beturbanten Barbiers, der, die Paradieslocke des Kunden
in der Linken, daS blinkende Messer in der Rechten die landesübliche Glatze
zu vervollständigen bemüht ist, während hinter ihm die flinken Finger eines
Mädchens in den Haarstoppeln eines schmuzigen Brüderchens eine Operation
vollziehen, die eine ähnliche Lage erfordert, zu der eS aber nicht des Bar¬
biers bedarf.

Zwischen diesen bleibenden Gruppen des Vordergrundes hindurch wimmelt
ein Gewühl von Männer- und Weibertrachten, von Fußgängern und Reitern
zu Esel, zu Pferd, zu Kamee!, von weißen, gelben, dunkelbraunen und


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[0377] sind hellblau, weiß, roth und lichtbraun. Als Hauptcontraste erscheinen auf den Wellen deS Stromes schmuzstarrende, fetzenumhangene Armuth gegenüber prunkvollen in Seide und Gold einherrauschendcm Reichthum und Erinne¬ rungen an das unmittelbar vor dem östlichen Thore beginnende Wüstenleben gegenüber dem Raffinement der Cultur einer morgenländischen Hauptstadt. Ueberraschungen biegen beinahe jeden Augenblick um die Ecke, und wie in einem Kaleidoskop bilden sich aus den bunten Elementen unablässig bald gro¬ teske, bald anmuthige Gruppen. Aus der einen Seite des Platzes, hart unter unserm Erker, steht mit ihren Granaden eine Schaar von Eselsbuben, den Fiakern und Fremdenführern der ägyptischen Hauptstadt. Während ihre Thiere nach Vermögen herausgeputzt, mit rochen Polstersättel» versehe», mit Troddeln und Messingzierathen behän¬ gen, am ganzen Leibe rasirt und bisweilen sogar bunt bemalt sind, sehen sie selbst wie wandelnde Lumpensammlungeu aus. Keiner trägt Schuhe, kaum einer mehr auf dem Leibe als den blauen Baumwollenkittel des gemeinen Volks, über den einer und der andere eine alte Militärjacke oder einen euro¬ päischen Rock gezogen hat, dem Aermel und Kragen verloren gegangen sind. Fast immer sich zankend und ranfend, beginnt der ganze Haufe bei jeder An¬ näherung eines zu Fuß daher kommenden Franken wie ein Bienenstock zu schwärmen, stößt sich, drängt sich, schließt den Fremden ein, preist ihm in ge¬ brochenem Englisch, Französisch, Italienisch oder Deutsch die verschiedenen Esel an, schwingt sich in den Sattel und jagt mit zurückgelegtem Oberkörper und weit vorgestreckten nackten Beinen wie wüthend im Kreise umher, bis der auf solche Weise Angefallene entweder eines der Thiere herausgreift und be¬ steigt oder sich mit Püffen dnrch daS Getümmel der Zudringlichen Bahn bricht. Auf der andern Seite, unter der vorhin erwähnten großen Akazie, welche vor der Posthalterei der Transttgesellschaft steht, hat sich eine nicht weniger interessante Gruppe, ein Bild für Murillo, zusammengefunden. Neben einem Tschibnckmachcr, der sein Handwerk unter freiem Himmel betreibt, hocken Fellahweiber mit runden fladenförmigen Broden, die sie den Vorübergehenden mit gellender Stimme anbieten. Gleich bei ihnen liegt ein halbgeschorener Kopf im Schoß eines beturbanten Barbiers, der, die Paradieslocke des Kunden in der Linken, daS blinkende Messer in der Rechten die landesübliche Glatze zu vervollständigen bemüht ist, während hinter ihm die flinken Finger eines Mädchens in den Haarstoppeln eines schmuzigen Brüderchens eine Operation vollziehen, die eine ähnliche Lage erfordert, zu der eS aber nicht des Bar¬ biers bedarf. Zwischen diesen bleibenden Gruppen des Vordergrundes hindurch wimmelt ein Gewühl von Männer- und Weibertrachten, von Fußgängern und Reitern zu Esel, zu Pferd, zu Kamee!, von weißen, gelben, dunkelbraunen und GrenzbotenIII. 18S7. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/377>, abgerufen am 02.10.2024.