Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

anzufechten wagt, so ist er bereit, gleich dem Ritter von La Mancha, den
Degen zu ziehen. Trotz aller Lobsprüche, die er über seine Helden und Um¬
gebungen aufgespeichert hat, gelingt es ihm doch nicht, ein anschauliches Bild
zu geben, weil er seinem Gegenstände nickt mit Freiheit gegenüber steht und
daher die richtige Perspektive verfehlt. Auch die Kunst des Stils, deren er
als Redner in so hohem Grade Meister ist, verläßt ihn hier, die Sprache
einer unreifen Galainerie mischt sich mit trockner pedantischer Metaphysik, die
Bilder verlaufen ineinander, Farben und Linien sind nicht deutlich zu er¬
kennen. Diese Studien über die berühmten Frauen des 17. Jahrhunderts
werden von keinem späteren Geschichtschreiber übergangen werden können;
aber sie werden stets als die seltsame Vernrung eines gelehrten und feingebil¬
deten Mannes betrachtet werden.

1830 nahm ihn die Akademie zum Mitglied? auf, und als nach der Juli¬
revolution sein Freund Guizot ans Staatsruder kam, wurde er Director der
Normalschule, Generalinspector des öffentlichen Unterrichtswesens, Staatsrath
und 1832 Mitglied der Pairskammer. Im Mai 1831 unternahm er im Aus¬
trag deö öffentlichen Unterrichtsministeriums eine Reise nach Deutschland, um
das Unternchtswescn, vornehmlich in Preußen, kennen zu lernen und authentische
Documente darüber zu sammeln. Zu gleichem Zweck bereiste er später die
Niederlande. In dem Ministerium Thiers vom 1. März 1840 übernahm er
das Unterrichtsministerium, und wenn diese Stellung auch nur kurze Zeit
währte und er bald in die Opposition zurückgedrängt wurde, stand er doch
trotz aller Anfechtungen zu den wissenschaftlichen Bearbeitern der Philosophie
ungefähr so, wie Hegel in Deutschland. Um das französische Unterrichtswesen
hat er sich außerordentlich verdient gemacht, obgleich er zu wenig für die
Primärschulen that: seine Aufgabe war, die höhere Classe des Volks zu fördern,
den geistigen Vertretern der Nation eine Erziehung zu geben, die sie ebenbürtig
neben die anderen Völker stellte. Auf den Wechselverkehr der Nationen hatte
er beständig sein Augenmerk gerichtet; er stellte Mickiewitz an und suchte auch
Grimm zu gewinnen.

Der Uebergang von der Opposition zur Regierung wirkte wider sein
Wissen und Willen auf seine philosophische Ueberzeugung ein. Seit 1828
hatte er sich so tief mit den Nebelbildern der neuesten deutschen Speculation
eingelassen, daß man ihn als einen Schüler Schillings und Hegels bezeichnen
durfte und daß er sehr bedenkliche Sätze seiner Meister über daS Wesen Gottes,
die man leicht des Pantheismus bezüchtigen konnte, ungescheut als seine Ueber¬
zeugung unterschrieb.*) Um das Jahr 1833 änderte sich die Sache. Damals



1.0 Dien <Is Is, con8eien<z<z i>'<Z8t xas ,IN visu ab8ti'Ä,it, um roi 8<zue!"irs, rslsxiis par
Ja ol-salium fiir Is 'trüns 6ssert sternito 8ileneieu8s se 6'uns sxi8thres absolus,
>Z'u r>Z88>zirMs an neant meng 6<z l'sxistenoe; o'v8t un visu 's ig, K>is vrs,i se rsel, "n se

anzufechten wagt, so ist er bereit, gleich dem Ritter von La Mancha, den
Degen zu ziehen. Trotz aller Lobsprüche, die er über seine Helden und Um¬
gebungen aufgespeichert hat, gelingt es ihm doch nicht, ein anschauliches Bild
zu geben, weil er seinem Gegenstände nickt mit Freiheit gegenüber steht und
daher die richtige Perspektive verfehlt. Auch die Kunst des Stils, deren er
als Redner in so hohem Grade Meister ist, verläßt ihn hier, die Sprache
einer unreifen Galainerie mischt sich mit trockner pedantischer Metaphysik, die
Bilder verlaufen ineinander, Farben und Linien sind nicht deutlich zu er¬
kennen. Diese Studien über die berühmten Frauen des 17. Jahrhunderts
werden von keinem späteren Geschichtschreiber übergangen werden können;
aber sie werden stets als die seltsame Vernrung eines gelehrten und feingebil¬
deten Mannes betrachtet werden.

1830 nahm ihn die Akademie zum Mitglied? auf, und als nach der Juli¬
revolution sein Freund Guizot ans Staatsruder kam, wurde er Director der
Normalschule, Generalinspector des öffentlichen Unterrichtswesens, Staatsrath
und 1832 Mitglied der Pairskammer. Im Mai 1831 unternahm er im Aus¬
trag deö öffentlichen Unterrichtsministeriums eine Reise nach Deutschland, um
das Unternchtswescn, vornehmlich in Preußen, kennen zu lernen und authentische
Documente darüber zu sammeln. Zu gleichem Zweck bereiste er später die
Niederlande. In dem Ministerium Thiers vom 1. März 1840 übernahm er
das Unterrichtsministerium, und wenn diese Stellung auch nur kurze Zeit
währte und er bald in die Opposition zurückgedrängt wurde, stand er doch
trotz aller Anfechtungen zu den wissenschaftlichen Bearbeitern der Philosophie
ungefähr so, wie Hegel in Deutschland. Um das französische Unterrichtswesen
hat er sich außerordentlich verdient gemacht, obgleich er zu wenig für die
Primärschulen that: seine Aufgabe war, die höhere Classe des Volks zu fördern,
den geistigen Vertretern der Nation eine Erziehung zu geben, die sie ebenbürtig
neben die anderen Völker stellte. Auf den Wechselverkehr der Nationen hatte
er beständig sein Augenmerk gerichtet; er stellte Mickiewitz an und suchte auch
Grimm zu gewinnen.

Der Uebergang von der Opposition zur Regierung wirkte wider sein
Wissen und Willen auf seine philosophische Ueberzeugung ein. Seit 1828
hatte er sich so tief mit den Nebelbildern der neuesten deutschen Speculation
eingelassen, daß man ihn als einen Schüler Schillings und Hegels bezeichnen
durfte und daß er sehr bedenkliche Sätze seiner Meister über daS Wesen Gottes,
die man leicht des Pantheismus bezüchtigen konnte, ungescheut als seine Ueber¬
zeugung unterschrieb.*) Um das Jahr 1833 änderte sich die Sache. Damals



1.0 Dien <Is Is, con8eien<z<z i>'<Z8t xas ,IN visu ab8ti'Ä,it, um roi 8<zue!»irs, rslsxiis par
Ja ol-salium fiir Is 'trüns 6ssert sternito 8ileneieu8s se 6'uns sxi8thres absolus,
>Z'u r>Z88>zirMs an neant meng 6<z l'sxistenoe; o'v8t un visu 's ig, K>is vrs,i se rsel, »n se
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0357" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104558"/>
              <p xml:id="ID_915" prev="#ID_914"> anzufechten wagt, so ist er bereit, gleich dem Ritter von La Mancha, den<lb/>
Degen zu ziehen. Trotz aller Lobsprüche, die er über seine Helden und Um¬<lb/>
gebungen aufgespeichert hat, gelingt es ihm doch nicht, ein anschauliches Bild<lb/>
zu geben, weil er seinem Gegenstände nickt mit Freiheit gegenüber steht und<lb/>
daher die richtige Perspektive verfehlt. Auch die Kunst des Stils, deren er<lb/>
als Redner in so hohem Grade Meister ist, verläßt ihn hier, die Sprache<lb/>
einer unreifen Galainerie mischt sich mit trockner pedantischer Metaphysik, die<lb/>
Bilder verlaufen ineinander, Farben und Linien sind nicht deutlich zu er¬<lb/>
kennen. Diese Studien über die berühmten Frauen des 17. Jahrhunderts<lb/>
werden von keinem späteren Geschichtschreiber übergangen werden können;<lb/>
aber sie werden stets als die seltsame Vernrung eines gelehrten und feingebil¬<lb/>
deten Mannes betrachtet werden.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_916"> 1830 nahm ihn die Akademie zum Mitglied? auf, und als nach der Juli¬<lb/>
revolution sein Freund Guizot ans Staatsruder kam, wurde er Director der<lb/>
Normalschule, Generalinspector des öffentlichen Unterrichtswesens, Staatsrath<lb/>
und 1832 Mitglied der Pairskammer. Im Mai 1831 unternahm er im Aus¬<lb/>
trag deö öffentlichen Unterrichtsministeriums eine Reise nach Deutschland, um<lb/>
das Unternchtswescn, vornehmlich in Preußen, kennen zu lernen und authentische<lb/>
Documente darüber zu sammeln. Zu gleichem Zweck bereiste er später die<lb/>
Niederlande. In dem Ministerium Thiers vom 1. März 1840 übernahm er<lb/>
das Unterrichtsministerium, und wenn diese Stellung auch nur kurze Zeit<lb/>
währte und er bald in die Opposition zurückgedrängt wurde, stand er doch<lb/>
trotz aller Anfechtungen zu den wissenschaftlichen Bearbeitern der Philosophie<lb/>
ungefähr so, wie Hegel in Deutschland. Um das französische Unterrichtswesen<lb/>
hat er sich außerordentlich verdient gemacht, obgleich er zu wenig für die<lb/>
Primärschulen that: seine Aufgabe war, die höhere Classe des Volks zu fördern,<lb/>
den geistigen Vertretern der Nation eine Erziehung zu geben, die sie ebenbürtig<lb/>
neben die anderen Völker stellte. Auf den Wechselverkehr der Nationen hatte<lb/>
er beständig sein Augenmerk gerichtet; er stellte Mickiewitz an und suchte auch<lb/>
Grimm zu gewinnen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_917"> Der Uebergang von der Opposition zur Regierung wirkte wider sein<lb/>
Wissen und Willen auf seine philosophische Ueberzeugung ein. Seit 1828<lb/>
hatte er sich so tief mit den Nebelbildern der neuesten deutschen Speculation<lb/>
eingelassen, daß man ihn als einen Schüler Schillings und Hegels bezeichnen<lb/>
durfte und daß er sehr bedenkliche Sätze seiner Meister über daS Wesen Gottes,<lb/>
die man leicht des Pantheismus bezüchtigen konnte, ungescheut als seine Ueber¬<lb/>
zeugung unterschrieb.*)  Um das Jahr 1833 änderte sich die Sache. Damals</p><lb/>
              <note xml:id="FID_30" place="foot" next="#FID_31"> 1.0 Dien &lt;Is Is, con8eien&lt;z&lt;z i&gt;'&lt;Z8t xas ,IN visu ab8ti'Ä,it, um roi 8&lt;zue!»irs, rslsxiis par<lb/>
Ja ol-salium fiir Is 'trüns 6ssert sternito 8ileneieu8s se 6'uns sxi8thres absolus,<lb/>
&gt;Z'u r&gt;Z88&gt;zirMs an neant meng 6&lt;z l'sxistenoe; o'v8t un visu 's ig, K&gt;is vrs,i se rsel, »n se</note><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0357] anzufechten wagt, so ist er bereit, gleich dem Ritter von La Mancha, den Degen zu ziehen. Trotz aller Lobsprüche, die er über seine Helden und Um¬ gebungen aufgespeichert hat, gelingt es ihm doch nicht, ein anschauliches Bild zu geben, weil er seinem Gegenstände nickt mit Freiheit gegenüber steht und daher die richtige Perspektive verfehlt. Auch die Kunst des Stils, deren er als Redner in so hohem Grade Meister ist, verläßt ihn hier, die Sprache einer unreifen Galainerie mischt sich mit trockner pedantischer Metaphysik, die Bilder verlaufen ineinander, Farben und Linien sind nicht deutlich zu er¬ kennen. Diese Studien über die berühmten Frauen des 17. Jahrhunderts werden von keinem späteren Geschichtschreiber übergangen werden können; aber sie werden stets als die seltsame Vernrung eines gelehrten und feingebil¬ deten Mannes betrachtet werden. 1830 nahm ihn die Akademie zum Mitglied? auf, und als nach der Juli¬ revolution sein Freund Guizot ans Staatsruder kam, wurde er Director der Normalschule, Generalinspector des öffentlichen Unterrichtswesens, Staatsrath und 1832 Mitglied der Pairskammer. Im Mai 1831 unternahm er im Aus¬ trag deö öffentlichen Unterrichtsministeriums eine Reise nach Deutschland, um das Unternchtswescn, vornehmlich in Preußen, kennen zu lernen und authentische Documente darüber zu sammeln. Zu gleichem Zweck bereiste er später die Niederlande. In dem Ministerium Thiers vom 1. März 1840 übernahm er das Unterrichtsministerium, und wenn diese Stellung auch nur kurze Zeit währte und er bald in die Opposition zurückgedrängt wurde, stand er doch trotz aller Anfechtungen zu den wissenschaftlichen Bearbeitern der Philosophie ungefähr so, wie Hegel in Deutschland. Um das französische Unterrichtswesen hat er sich außerordentlich verdient gemacht, obgleich er zu wenig für die Primärschulen that: seine Aufgabe war, die höhere Classe des Volks zu fördern, den geistigen Vertretern der Nation eine Erziehung zu geben, die sie ebenbürtig neben die anderen Völker stellte. Auf den Wechselverkehr der Nationen hatte er beständig sein Augenmerk gerichtet; er stellte Mickiewitz an und suchte auch Grimm zu gewinnen. Der Uebergang von der Opposition zur Regierung wirkte wider sein Wissen und Willen auf seine philosophische Ueberzeugung ein. Seit 1828 hatte er sich so tief mit den Nebelbildern der neuesten deutschen Speculation eingelassen, daß man ihn als einen Schüler Schillings und Hegels bezeichnen durfte und daß er sehr bedenkliche Sätze seiner Meister über daS Wesen Gottes, die man leicht des Pantheismus bezüchtigen konnte, ungescheut als seine Ueber¬ zeugung unterschrieb.*) Um das Jahr 1833 änderte sich die Sache. Damals 1.0 Dien <Is Is, con8eien<z<z i>'<Z8t xas ,IN visu ab8ti'Ä,it, um roi 8<zue!»irs, rslsxiis par Ja ol-salium fiir Is 'trüns 6ssert sternito 8ileneieu8s se 6'uns sxi8thres absolus, >Z'u r>Z88>zirMs an neant meng 6<z l'sxistenoe; o'v8t un visu 's ig, K>is vrs,i se rsel, »n se

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/357
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/357>, abgerufen am 22.07.2024.