Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Was nun die zweite der obenerwähnten Resolutionen betrifft, so ist es
trotz derselben den Missionären eigentlich niemals gelungen, die Neigung der
Compagniebeamten zu erwerben. Zwar vermehrte sich ihre Zahl um ein Be¬
deutendes, von 1i7 im Jahre -1830 auf 403 im Jahre -1850, allein der ganze
Zuwachs an christlichen Proselyten unter einer Bevölkerung von -> 30 Mill. Ein¬
wohnern betrug in demselben Zeitraum nur etwa 2000 für alle christlichen Con-
fessionen. Die ganze Anzahl von zum Christenthum Bekehrten mag sich auf
nicht viel mehr als etwa 3000--4000 belaufen, und hiervon sind über 300 als
Prediger unter ihren Stammgenossen aufgestellt. Solche winzige Resultate
waren daher ganz gewiß wenig geeignet, daS Mißtrauen der AlthinduS
>et dem Grade zu erregen, wie die Einflüsse der weltlichen Erziehung. Die
Missionäre selbst haben endlich herausgefühlt, wie gerin.g ihre Fortschritte waren
und in einer beim jetzigen Generalgouvemeur eingereichten Vorstellung eine kräfti¬
gere Unterstützung von Seiten der Verwaltung gefordert. Lord Canning soll, wie
im Unterhause berichtet worden, zur großen Unzufriedenheit der Hindus folgen¬
dermaßen geantwortet haben: "Die Fortschritte, welche in den beiden letzten
Jahren gemacht worden sind, mögen nicht der Art sein, um den Wünschen
eifriger Männer zu genügen, welche bestrebt sind, wahre Kenntniß in dem
unglücklichen Volke zu fördern, dessen Erleuchtung der Gegenstand ihrer täg¬
lichen Sorgen und Mühen ist. Ich ladete ihre Ungeduld nicht; daß sie die
Verwaltung Indiens in der Ausführung des großen Werkes indischer Erziehung
beaufsichtigen und drängen, ist nicht blos natürlich, sondern verdient selbst Lob."
Unvorsichtige Worte von einem höchsten Beamten, ohne Zweifel; aber wir
gestehen, eS wird uns schwer, das darin zu finden, waS die Hindueiferer daraus
haben herauslesen wollen, die Absicht der Regierung nämlich, in directer Weise
das Streben der Misstonäre nach allgemeiner Bekehrung zu fördern. Viel
schlimmer war dagegen der Eifer einzelner Beamten, namentlich auch von Mi¬
litärs, wie denn von einem Oberst Wheeler berichtet wird, welcher selbst in
seinem Regimente Bibeln und Tractätlein vertheilte. Es war ganz unzweifelhaft ein
Fehler der Negierung, einen solchen Mißbrauch einer militärischen Stellung
Zu dulden.

Faßt man aber alles Gesagte unparteiisch zusammen, so wird man selbst
"" schlimmsten Falle nicht mehr darin erblicken, als was aus dem Zusammen¬
treffen zweier so verschiedener Civilisationen hervorgehen mußte. ES wäre
eigentlich mehr als wunderbar, falls die Engländer gar keine Anstrengungen
gemacht hätten, um ihren sittlichen oder religiösen Ansichten Eingang bei den
Ostindien zu verschaffen, und wir zweifeln keinen Augenblick, daß ein solches
Verfahren, wäre e5 eingeschlagen worden, von den so wachsamen Gegnern der
englische" Politik als ein neuer Beweis einer nichtswürdigen Krämerengherzig¬
keit hingestellt worden wäre. Man hätte vielleicht selbst mit Triumph daS


Was nun die zweite der obenerwähnten Resolutionen betrifft, so ist es
trotz derselben den Missionären eigentlich niemals gelungen, die Neigung der
Compagniebeamten zu erwerben. Zwar vermehrte sich ihre Zahl um ein Be¬
deutendes, von 1i7 im Jahre -1830 auf 403 im Jahre -1850, allein der ganze
Zuwachs an christlichen Proselyten unter einer Bevölkerung von -> 30 Mill. Ein¬
wohnern betrug in demselben Zeitraum nur etwa 2000 für alle christlichen Con-
fessionen. Die ganze Anzahl von zum Christenthum Bekehrten mag sich auf
nicht viel mehr als etwa 3000—4000 belaufen, und hiervon sind über 300 als
Prediger unter ihren Stammgenossen aufgestellt. Solche winzige Resultate
waren daher ganz gewiß wenig geeignet, daS Mißtrauen der AlthinduS
>et dem Grade zu erregen, wie die Einflüsse der weltlichen Erziehung. Die
Missionäre selbst haben endlich herausgefühlt, wie gerin.g ihre Fortschritte waren
und in einer beim jetzigen Generalgouvemeur eingereichten Vorstellung eine kräfti¬
gere Unterstützung von Seiten der Verwaltung gefordert. Lord Canning soll, wie
im Unterhause berichtet worden, zur großen Unzufriedenheit der Hindus folgen¬
dermaßen geantwortet haben: „Die Fortschritte, welche in den beiden letzten
Jahren gemacht worden sind, mögen nicht der Art sein, um den Wünschen
eifriger Männer zu genügen, welche bestrebt sind, wahre Kenntniß in dem
unglücklichen Volke zu fördern, dessen Erleuchtung der Gegenstand ihrer täg¬
lichen Sorgen und Mühen ist. Ich ladete ihre Ungeduld nicht; daß sie die
Verwaltung Indiens in der Ausführung des großen Werkes indischer Erziehung
beaufsichtigen und drängen, ist nicht blos natürlich, sondern verdient selbst Lob."
Unvorsichtige Worte von einem höchsten Beamten, ohne Zweifel; aber wir
gestehen, eS wird uns schwer, das darin zu finden, waS die Hindueiferer daraus
haben herauslesen wollen, die Absicht der Regierung nämlich, in directer Weise
das Streben der Misstonäre nach allgemeiner Bekehrung zu fördern. Viel
schlimmer war dagegen der Eifer einzelner Beamten, namentlich auch von Mi¬
litärs, wie denn von einem Oberst Wheeler berichtet wird, welcher selbst in
seinem Regimente Bibeln und Tractätlein vertheilte. Es war ganz unzweifelhaft ein
Fehler der Negierung, einen solchen Mißbrauch einer militärischen Stellung
Zu dulden.

Faßt man aber alles Gesagte unparteiisch zusammen, so wird man selbst
»» schlimmsten Falle nicht mehr darin erblicken, als was aus dem Zusammen¬
treffen zweier so verschiedener Civilisationen hervorgehen mußte. ES wäre
eigentlich mehr als wunderbar, falls die Engländer gar keine Anstrengungen
gemacht hätten, um ihren sittlichen oder religiösen Ansichten Eingang bei den
Ostindien zu verschaffen, und wir zweifeln keinen Augenblick, daß ein solches
Verfahren, wäre e5 eingeschlagen worden, von den so wachsamen Gegnern der
englische» Politik als ein neuer Beweis einer nichtswürdigen Krämerengherzig¬
keit hingestellt worden wäre. Man hätte vielleicht selbst mit Triumph daS


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104544"/>
            <p xml:id="ID_890"> Was nun die zweite der obenerwähnten Resolutionen betrifft, so ist es<lb/>
trotz derselben den Missionären eigentlich niemals gelungen, die Neigung der<lb/>
Compagniebeamten zu erwerben. Zwar vermehrte sich ihre Zahl um ein Be¬<lb/>
deutendes, von 1i7 im Jahre -1830 auf 403 im Jahre -1850, allein der ganze<lb/>
Zuwachs an christlichen Proselyten unter einer Bevölkerung von -&gt; 30 Mill. Ein¬<lb/>
wohnern betrug in demselben Zeitraum nur etwa 2000 für alle christlichen Con-<lb/>
fessionen. Die ganze Anzahl von zum Christenthum Bekehrten mag sich auf<lb/>
nicht viel mehr als etwa 3000&#x2014;4000 belaufen, und hiervon sind über 300 als<lb/>
Prediger unter ihren Stammgenossen aufgestellt. Solche winzige Resultate<lb/>
waren daher ganz gewiß wenig geeignet, daS Mißtrauen der AlthinduS<lb/>
&gt;et dem Grade zu erregen, wie die Einflüsse der weltlichen Erziehung. Die<lb/>
Missionäre selbst haben endlich herausgefühlt, wie gerin.g ihre Fortschritte waren<lb/>
und in einer beim jetzigen Generalgouvemeur eingereichten Vorstellung eine kräfti¬<lb/>
gere Unterstützung von Seiten der Verwaltung gefordert. Lord Canning soll, wie<lb/>
im Unterhause berichtet worden, zur großen Unzufriedenheit der Hindus folgen¬<lb/>
dermaßen geantwortet haben: &#x201E;Die Fortschritte, welche in den beiden letzten<lb/>
Jahren gemacht worden sind, mögen nicht der Art sein, um den Wünschen<lb/>
eifriger Männer zu genügen, welche bestrebt sind, wahre Kenntniß in dem<lb/>
unglücklichen Volke zu fördern, dessen Erleuchtung der Gegenstand ihrer täg¬<lb/>
lichen Sorgen und Mühen ist. Ich ladete ihre Ungeduld nicht; daß sie die<lb/>
Verwaltung Indiens in der Ausführung des großen Werkes indischer Erziehung<lb/>
beaufsichtigen und drängen, ist nicht blos natürlich, sondern verdient selbst Lob."<lb/>
Unvorsichtige Worte von einem höchsten Beamten, ohne Zweifel; aber wir<lb/>
gestehen, eS wird uns schwer, das darin zu finden, waS die Hindueiferer daraus<lb/>
haben herauslesen wollen, die Absicht der Regierung nämlich, in directer Weise<lb/>
das Streben der Misstonäre nach allgemeiner Bekehrung zu fördern. Viel<lb/>
schlimmer war dagegen der Eifer einzelner Beamten, namentlich auch von Mi¬<lb/>
litärs, wie denn von einem Oberst Wheeler berichtet wird, welcher selbst in<lb/>
seinem Regimente Bibeln und Tractätlein vertheilte. Es war ganz unzweifelhaft ein<lb/>
Fehler der Negierung, einen solchen Mißbrauch einer militärischen Stellung<lb/>
Zu dulden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_891" next="#ID_892"> Faßt man aber alles Gesagte unparteiisch zusammen, so wird man selbst<lb/>
»» schlimmsten Falle nicht mehr darin erblicken, als was aus dem Zusammen¬<lb/>
treffen zweier so verschiedener Civilisationen hervorgehen mußte. ES wäre<lb/>
eigentlich mehr als wunderbar, falls die Engländer gar keine Anstrengungen<lb/>
gemacht hätten, um ihren sittlichen oder religiösen Ansichten Eingang bei den<lb/>
Ostindien zu verschaffen, und wir zweifeln keinen Augenblick, daß ein solches<lb/>
Verfahren, wäre e5 eingeschlagen worden, von den so wachsamen Gegnern der<lb/>
englische» Politik als ein neuer Beweis einer nichtswürdigen Krämerengherzig¬<lb/>
keit hingestellt worden wäre.  Man hätte vielleicht selbst mit Triumph daS</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0343] Was nun die zweite der obenerwähnten Resolutionen betrifft, so ist es trotz derselben den Missionären eigentlich niemals gelungen, die Neigung der Compagniebeamten zu erwerben. Zwar vermehrte sich ihre Zahl um ein Be¬ deutendes, von 1i7 im Jahre -1830 auf 403 im Jahre -1850, allein der ganze Zuwachs an christlichen Proselyten unter einer Bevölkerung von -> 30 Mill. Ein¬ wohnern betrug in demselben Zeitraum nur etwa 2000 für alle christlichen Con- fessionen. Die ganze Anzahl von zum Christenthum Bekehrten mag sich auf nicht viel mehr als etwa 3000—4000 belaufen, und hiervon sind über 300 als Prediger unter ihren Stammgenossen aufgestellt. Solche winzige Resultate waren daher ganz gewiß wenig geeignet, daS Mißtrauen der AlthinduS >et dem Grade zu erregen, wie die Einflüsse der weltlichen Erziehung. Die Missionäre selbst haben endlich herausgefühlt, wie gerin.g ihre Fortschritte waren und in einer beim jetzigen Generalgouvemeur eingereichten Vorstellung eine kräfti¬ gere Unterstützung von Seiten der Verwaltung gefordert. Lord Canning soll, wie im Unterhause berichtet worden, zur großen Unzufriedenheit der Hindus folgen¬ dermaßen geantwortet haben: „Die Fortschritte, welche in den beiden letzten Jahren gemacht worden sind, mögen nicht der Art sein, um den Wünschen eifriger Männer zu genügen, welche bestrebt sind, wahre Kenntniß in dem unglücklichen Volke zu fördern, dessen Erleuchtung der Gegenstand ihrer täg¬ lichen Sorgen und Mühen ist. Ich ladete ihre Ungeduld nicht; daß sie die Verwaltung Indiens in der Ausführung des großen Werkes indischer Erziehung beaufsichtigen und drängen, ist nicht blos natürlich, sondern verdient selbst Lob." Unvorsichtige Worte von einem höchsten Beamten, ohne Zweifel; aber wir gestehen, eS wird uns schwer, das darin zu finden, waS die Hindueiferer daraus haben herauslesen wollen, die Absicht der Regierung nämlich, in directer Weise das Streben der Misstonäre nach allgemeiner Bekehrung zu fördern. Viel schlimmer war dagegen der Eifer einzelner Beamten, namentlich auch von Mi¬ litärs, wie denn von einem Oberst Wheeler berichtet wird, welcher selbst in seinem Regimente Bibeln und Tractätlein vertheilte. Es war ganz unzweifelhaft ein Fehler der Negierung, einen solchen Mißbrauch einer militärischen Stellung Zu dulden. Faßt man aber alles Gesagte unparteiisch zusammen, so wird man selbst »» schlimmsten Falle nicht mehr darin erblicken, als was aus dem Zusammen¬ treffen zweier so verschiedener Civilisationen hervorgehen mußte. ES wäre eigentlich mehr als wunderbar, falls die Engländer gar keine Anstrengungen gemacht hätten, um ihren sittlichen oder religiösen Ansichten Eingang bei den Ostindien zu verschaffen, und wir zweifeln keinen Augenblick, daß ein solches Verfahren, wäre e5 eingeschlagen worden, von den so wachsamen Gegnern der englische» Politik als ein neuer Beweis einer nichtswürdigen Krämerengherzig¬ keit hingestellt worden wäre. Man hätte vielleicht selbst mit Triumph daS

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/343
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/343>, abgerufen am 22.07.2024.