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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Soldat an Beute gewonnen, was der Dieb aus der Kirche gestohlen hatte,
wurde von den Hehlern zu flachen Kuchen oder kegelförmigen Massen ver¬
schmolzen, welche in der Kunstsprache "Plantschen" und "Könige" hießen,
was dem Gelde durchs Beschneiden abgekippt war oder was sonst unter fal¬
schem Namen vorsichtig versandt werden mußte, das wurde aus dem Schmelz¬
tiegel über nasse Besenreiser gegossen und so granulirt. Außerdem aber wurde
von den Ausläufern das gut geprägte Geld mit größter Industrie gegen schlech¬
teres eingetauscht; kleine Wechsler, meist wandernde Juden zogen von Dorf zu
Dorf, bis weit über die Grenzen deS deutschen Reiches und sammelten ähnlich,
wie jetzt die Lumpensammler, ihre Waare von dem Landmann, dem Kriegs-
knechte, dem Bettler. Aller Herrn Angesicht, alle Wappen und Umschriften,
Roß und Mann, Löwe, Schaf und Bär, Thaler und Heller, die Heiligen
von Köln und Trier und die Denkmünzen deS Ketzers Luther wurden für die
Münzen zusammengekauft, getauscht, gesammelt. Die heimliche Waare wurde
dann in Fässer mit Ingwer, Pfeffer, Weinstein gepackt, als Bleiweiß verzollt,
in Tuchballen und Rauchwerk geschlagen. Es gab damals Reisewagen mit
doppeltem Boden, welche besonders zu solchem Transport eingerichtet waren.
Noch besserer Schutz war als Reisegefährte ein Geistlicher, für den allerbesten
galt ein Trompeter, welcher dem Händler den Anschein eines fürstlichen Cou¬
riers gab. Traf sichs, daß ein vornehmer Herr nach derselben Gegend reiste,
so war es am bequemsten, diesen zu bestechen, denn er. und sein Gefolge, ihre
Wagen und Pferde wurden an den Stadtthoren nicht untersucht. Oder der
Agent verkleidete sich selbst in einen vornehmen Herrn oder Soldaten und ließ
die Last durch die Reitpferde oder seine Knechte fortschaffen. Zuweilen mußte
der Münzmeister unter dem Vorwande eines Besuches bei guten Freunden dem
Agenten bis an die Grenze entgegenfahren, dann gingen fern von Menschen¬
wohnungen auf einsamer Haide oder in einer WaldeSlichtung die kostbaren
Waaren auf Kaufmanns Parole aus einer Hand in die andere.

Unterdeß trug der kleine jüdische Händler seinen Ledersack mit alten Gro¬
schen bei Nacht auf Seitenwegen über die Grenze in zwiefacher Furcht, vor
den Räubern und vor den Hütern des Gesetzes. Der lederne Sack, sein breit-
krämpiger Hut und der gelbe Tuchring am Rocke, das Abzeichen des Juden,
wurde am häufigsten in der Münze gesehen. Und eS bestand zwischen dem
Händler und dem Münzmeister ein vertrauliches Geschäftsverhältniß, allerdings
nicht ohne kleine Reserven. Denn dem Juden begegnete eS wol, daß ihm un¬
ter hundert Mark, die er in Thalern lieferte, eine Mark falscher Thaler unter¬
lief, oder daß ihm die Säcke mit sammt den Münzen unterwegs naß geworden
waren, was ihrer Schwere einige Loth zusetzte, oder daß ihm zwischen granu-
lirtes Silber seiner, weißer Uhrensand gekommen war, der doch mitwog. Dafür
entschädigte sich der Münzmeister, indem er die Wagschalen so zu hängen


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Soldat an Beute gewonnen, was der Dieb aus der Kirche gestohlen hatte,
wurde von den Hehlern zu flachen Kuchen oder kegelförmigen Massen ver¬
schmolzen, welche in der Kunstsprache „Plantschen" und „Könige" hießen,
was dem Gelde durchs Beschneiden abgekippt war oder was sonst unter fal¬
schem Namen vorsichtig versandt werden mußte, das wurde aus dem Schmelz¬
tiegel über nasse Besenreiser gegossen und so granulirt. Außerdem aber wurde
von den Ausläufern das gut geprägte Geld mit größter Industrie gegen schlech¬
teres eingetauscht; kleine Wechsler, meist wandernde Juden zogen von Dorf zu
Dorf, bis weit über die Grenzen deS deutschen Reiches und sammelten ähnlich,
wie jetzt die Lumpensammler, ihre Waare von dem Landmann, dem Kriegs-
knechte, dem Bettler. Aller Herrn Angesicht, alle Wappen und Umschriften,
Roß und Mann, Löwe, Schaf und Bär, Thaler und Heller, die Heiligen
von Köln und Trier und die Denkmünzen deS Ketzers Luther wurden für die
Münzen zusammengekauft, getauscht, gesammelt. Die heimliche Waare wurde
dann in Fässer mit Ingwer, Pfeffer, Weinstein gepackt, als Bleiweiß verzollt,
in Tuchballen und Rauchwerk geschlagen. Es gab damals Reisewagen mit
doppeltem Boden, welche besonders zu solchem Transport eingerichtet waren.
Noch besserer Schutz war als Reisegefährte ein Geistlicher, für den allerbesten
galt ein Trompeter, welcher dem Händler den Anschein eines fürstlichen Cou¬
riers gab. Traf sichs, daß ein vornehmer Herr nach derselben Gegend reiste,
so war es am bequemsten, diesen zu bestechen, denn er. und sein Gefolge, ihre
Wagen und Pferde wurden an den Stadtthoren nicht untersucht. Oder der
Agent verkleidete sich selbst in einen vornehmen Herrn oder Soldaten und ließ
die Last durch die Reitpferde oder seine Knechte fortschaffen. Zuweilen mußte
der Münzmeister unter dem Vorwande eines Besuches bei guten Freunden dem
Agenten bis an die Grenze entgegenfahren, dann gingen fern von Menschen¬
wohnungen auf einsamer Haide oder in einer WaldeSlichtung die kostbaren
Waaren auf Kaufmanns Parole aus einer Hand in die andere.

Unterdeß trug der kleine jüdische Händler seinen Ledersack mit alten Gro¬
schen bei Nacht auf Seitenwegen über die Grenze in zwiefacher Furcht, vor
den Räubern und vor den Hütern des Gesetzes. Der lederne Sack, sein breit-
krämpiger Hut und der gelbe Tuchring am Rocke, das Abzeichen des Juden,
wurde am häufigsten in der Münze gesehen. Und eS bestand zwischen dem
Händler und dem Münzmeister ein vertrauliches Geschäftsverhältniß, allerdings
nicht ohne kleine Reserven. Denn dem Juden begegnete eS wol, daß ihm un¬
ter hundert Mark, die er in Thalern lieferte, eine Mark falscher Thaler unter¬
lief, oder daß ihm die Säcke mit sammt den Münzen unterwegs naß geworden
waren, was ihrer Schwere einige Loth zusetzte, oder daß ihm zwischen granu-
lirtes Silber seiner, weißer Uhrensand gekommen war, der doch mitwog. Dafür
entschädigte sich der Münzmeister, indem er die Wagschalen so zu hängen


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[0293] ...,...../ Soldat an Beute gewonnen, was der Dieb aus der Kirche gestohlen hatte, wurde von den Hehlern zu flachen Kuchen oder kegelförmigen Massen ver¬ schmolzen, welche in der Kunstsprache „Plantschen" und „Könige" hießen, was dem Gelde durchs Beschneiden abgekippt war oder was sonst unter fal¬ schem Namen vorsichtig versandt werden mußte, das wurde aus dem Schmelz¬ tiegel über nasse Besenreiser gegossen und so granulirt. Außerdem aber wurde von den Ausläufern das gut geprägte Geld mit größter Industrie gegen schlech¬ teres eingetauscht; kleine Wechsler, meist wandernde Juden zogen von Dorf zu Dorf, bis weit über die Grenzen deS deutschen Reiches und sammelten ähnlich, wie jetzt die Lumpensammler, ihre Waare von dem Landmann, dem Kriegs- knechte, dem Bettler. Aller Herrn Angesicht, alle Wappen und Umschriften, Roß und Mann, Löwe, Schaf und Bär, Thaler und Heller, die Heiligen von Köln und Trier und die Denkmünzen deS Ketzers Luther wurden für die Münzen zusammengekauft, getauscht, gesammelt. Die heimliche Waare wurde dann in Fässer mit Ingwer, Pfeffer, Weinstein gepackt, als Bleiweiß verzollt, in Tuchballen und Rauchwerk geschlagen. Es gab damals Reisewagen mit doppeltem Boden, welche besonders zu solchem Transport eingerichtet waren. Noch besserer Schutz war als Reisegefährte ein Geistlicher, für den allerbesten galt ein Trompeter, welcher dem Händler den Anschein eines fürstlichen Cou¬ riers gab. Traf sichs, daß ein vornehmer Herr nach derselben Gegend reiste, so war es am bequemsten, diesen zu bestechen, denn er. und sein Gefolge, ihre Wagen und Pferde wurden an den Stadtthoren nicht untersucht. Oder der Agent verkleidete sich selbst in einen vornehmen Herrn oder Soldaten und ließ die Last durch die Reitpferde oder seine Knechte fortschaffen. Zuweilen mußte der Münzmeister unter dem Vorwande eines Besuches bei guten Freunden dem Agenten bis an die Grenze entgegenfahren, dann gingen fern von Menschen¬ wohnungen auf einsamer Haide oder in einer WaldeSlichtung die kostbaren Waaren auf Kaufmanns Parole aus einer Hand in die andere. Unterdeß trug der kleine jüdische Händler seinen Ledersack mit alten Gro¬ schen bei Nacht auf Seitenwegen über die Grenze in zwiefacher Furcht, vor den Räubern und vor den Hütern des Gesetzes. Der lederne Sack, sein breit- krämpiger Hut und der gelbe Tuchring am Rocke, das Abzeichen des Juden, wurde am häufigsten in der Münze gesehen. Und eS bestand zwischen dem Händler und dem Münzmeister ein vertrauliches Geschäftsverhältniß, allerdings nicht ohne kleine Reserven. Denn dem Juden begegnete eS wol, daß ihm un¬ ter hundert Mark, die er in Thalern lieferte, eine Mark falscher Thaler unter¬ lief, oder daß ihm die Säcke mit sammt den Münzen unterwegs naß geworden waren, was ihrer Schwere einige Loth zusetzte, oder daß ihm zwischen granu- lirtes Silber seiner, weißer Uhrensand gekommen war, der doch mitwog. Dafür entschädigte sich der Münzmeister, indem er die Wagschalen so zu hängen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/293>, abgerufen am 12.12.2024.