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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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und rührt somit unmittelbar an die Grundlagen der Gesellschaft, die er mit
den verderblichsten socialistischen Träumereien bedroht. "Wenn wir arbeiten"
-- sagen die Handwerker -- "so haben wir auch den Anspruch auf angemes¬
senen Lohn, auf einen Preis unserer Producte, bei welchem wir bestehen
können. DaS ist das Recht des Arbeiters, und deshalb die Pflicht des
Staats, einer solchen Concurrenz, wie der der Fabrikanten Einhalt zu thun,
mit denen wir beim besten Willen nicht Preis halten können, und die in uns
eine ganze Classe von Bürgern ruiniren." -- Hiergegen bleibt uns nur
übrig, die Forderungen der Handwerker, nachdem wir deren Unausführbarst
gezeigt haben, auch noch von Seiten ihrer Gerechtigkeit zu prüfen, und
zugleich ihre Rückwirkung auf die wirthschaftlichen Zustände des ganzen Vol¬
kes, auf das Wohlbefinden aller Classen der Gesellschaft in das Auge zu
fassen. Daß in dieser Hinsicht für die Handwerker kein anderer Maßstab
angelegt werden kann, wie für alle übrigen Arbeiter, welchem Fache sie auch
angehören, versteht sich von selbst, weil jeder Unterschied hierbei, jede Bevor¬
zugung einer Classe vor der andern, eben eine Ungerechtigkeit wäre. Dieser
einzig gerechte, für Alle gleiche Maßstab, wornach sich der Lohn jeder Arbeit,
der Preis jedes Productes bestimmt, ist aber kein anderer als der Werth
derselben für die menschliche Gesellschaft. Bei der großen praktischen
Wichtigkeit dieses Satzes und der Masse verworrener Vorstellungen darüber
wird es nothwendig, der Sache, auf den Grund zu gehen und etwas länger
dabei zu verweilen.

Das Dasein der Menschen ist an vielfache Bedürfnisse geknüpft, welche
zu befriedigen eine zahllose Menge von Dingen erfordert wird, die zu unserer
Existenz entweder nothwendig, oder nützlich oder angenehm sind. Diese Dinge
herzustellen ist die Aufgabe der menschlichen Arbeit, und nur in dem Grade,
in welchem sie diesen Zweck erfüllt, hat die Arbeit überhaupt einen Werth
für die Gesellschaft. Nach diesem obersten Grundsatz, aus dessen Verkennung
sich fast alle Verkehrtheiten auf dem vorliegenden Felde ableiten lassen, kann
es niemals darauf ankommen, wie thätig jemand überhaupt ist, sondern
nur darauf, was er mit seiner Thätigkeit schafft: auf das Resultat der
Arbeit also, nicht auf den Act des Arbeitens. Denn nur die Producte
der Arbeit dienen zur Befriedigung unserer Bedürfnisse, nicht das bloße Be-
schäftiglsein jemandes an sich. Dadurch z. B. daß der Bäcker seinen Ofen
heizt, den Teig knetet u. s. w. wird noch niemand satt, sondern nur erst durch
das Brot, das er liefert, und wenn ihm dieses Brot vor der Vollendung ver¬
unglückt, so wird ihm niemand etwas für seine gehabten Kosten und Mühe
bezahlen. Daß jemand also nicht müßig gehe, seine Kräfte übe, etwas lerne
(ein Schüler z. B.), mag für ihn selbst von Nutzen sein, aber für die Ge¬
sellschaft hat es keinen Werth, weil durch eine.solche Thätigkeit nichts geschafft


und rührt somit unmittelbar an die Grundlagen der Gesellschaft, die er mit
den verderblichsten socialistischen Träumereien bedroht. „Wenn wir arbeiten"
— sagen die Handwerker — „so haben wir auch den Anspruch auf angemes¬
senen Lohn, auf einen Preis unserer Producte, bei welchem wir bestehen
können. DaS ist das Recht des Arbeiters, und deshalb die Pflicht des
Staats, einer solchen Concurrenz, wie der der Fabrikanten Einhalt zu thun,
mit denen wir beim besten Willen nicht Preis halten können, und die in uns
eine ganze Classe von Bürgern ruiniren." — Hiergegen bleibt uns nur
übrig, die Forderungen der Handwerker, nachdem wir deren Unausführbarst
gezeigt haben, auch noch von Seiten ihrer Gerechtigkeit zu prüfen, und
zugleich ihre Rückwirkung auf die wirthschaftlichen Zustände des ganzen Vol¬
kes, auf das Wohlbefinden aller Classen der Gesellschaft in das Auge zu
fassen. Daß in dieser Hinsicht für die Handwerker kein anderer Maßstab
angelegt werden kann, wie für alle übrigen Arbeiter, welchem Fache sie auch
angehören, versteht sich von selbst, weil jeder Unterschied hierbei, jede Bevor¬
zugung einer Classe vor der andern, eben eine Ungerechtigkeit wäre. Dieser
einzig gerechte, für Alle gleiche Maßstab, wornach sich der Lohn jeder Arbeit,
der Preis jedes Productes bestimmt, ist aber kein anderer als der Werth
derselben für die menschliche Gesellschaft. Bei der großen praktischen
Wichtigkeit dieses Satzes und der Masse verworrener Vorstellungen darüber
wird es nothwendig, der Sache, auf den Grund zu gehen und etwas länger
dabei zu verweilen.

Das Dasein der Menschen ist an vielfache Bedürfnisse geknüpft, welche
zu befriedigen eine zahllose Menge von Dingen erfordert wird, die zu unserer
Existenz entweder nothwendig, oder nützlich oder angenehm sind. Diese Dinge
herzustellen ist die Aufgabe der menschlichen Arbeit, und nur in dem Grade,
in welchem sie diesen Zweck erfüllt, hat die Arbeit überhaupt einen Werth
für die Gesellschaft. Nach diesem obersten Grundsatz, aus dessen Verkennung
sich fast alle Verkehrtheiten auf dem vorliegenden Felde ableiten lassen, kann
es niemals darauf ankommen, wie thätig jemand überhaupt ist, sondern
nur darauf, was er mit seiner Thätigkeit schafft: auf das Resultat der
Arbeit also, nicht auf den Act des Arbeitens. Denn nur die Producte
der Arbeit dienen zur Befriedigung unserer Bedürfnisse, nicht das bloße Be-
schäftiglsein jemandes an sich. Dadurch z. B. daß der Bäcker seinen Ofen
heizt, den Teig knetet u. s. w. wird noch niemand satt, sondern nur erst durch
das Brot, das er liefert, und wenn ihm dieses Brot vor der Vollendung ver¬
unglückt, so wird ihm niemand etwas für seine gehabten Kosten und Mühe
bezahlen. Daß jemand also nicht müßig gehe, seine Kräfte übe, etwas lerne
(ein Schüler z. B.), mag für ihn selbst von Nutzen sein, aber für die Ge¬
sellschaft hat es keinen Werth, weil durch eine.solche Thätigkeit nichts geschafft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/269>, abgerufen am 12.12.2024.