Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch Gastfreundschaft und Freigebigkeit aus. Spricht ein Europäer bei einem
vornehmen Chinesen vor.und äußert: "Capitän, was haben Sie da für ein
schönes Pferd!" so antwortet der Chinese wol, ohne sich zu besinnen: "Es ist
gut, Herr, morgen soll es in Ihrem Stalle stehen," oder lobt er die ihm
vorgesetzten candirten Früchte, die einen wesentlichen Bestandtheil des chinesi¬
schen Gastmahles ausmachen, so fügt der Chinese hinzu: "Es ist gut, Herr,
morgen schicke ich eine Kiste für Ihre Frau und Kinder."

In den Städten von Britischostindien werden zu Beamten deS chinesischen
Stadtviertels, welche namentlich die kleinern Zwistigkeiten zu schlichten haben,
sechs der reichsten Chinesen, ein Major und ein Titularmajor, ein Capitän
und Titularcapitän und ebenso zwei Lieutenants ernannt. Diese Titel werden
hier der Mandarinenwürde gleich geachtet, obgleich auch einige Chinesen sich
diese Würde, die etwa mit unserm Doctortitcl zu vergleichen ist, aus China
holen, wofür sie freilich mehr, als wir Deutsche, nämlich etwa 30,000 Gulden
zu bezahlen haben. Unter sich sind die Chinesen infolge der geheimen Gesellschaften,
die hier, wie in ihrer Heimath, unter ihnen bestehen, fast stets im besten Ein¬
vernehmen, und helfen sich gegenseitig, wo sie können. Mit China stehen sie
theils durch den lebhaften Handelsverkehr, den sie mit eignen Schiffen unter
holländischer Flagge oder auch mit europäischen Schiffen dahin betreiben, so
wie'durch die zahlreichen Auswandrerschiffe, welche von dorther kommen, in
der innigsten Verbindung. Nachrichten erhalten sie daher durch Briefe ebenso
schnell als die Europäer, und wissen stets sehr gut, was dort vorgeht. Der
lebhafteste Verkehr besteht jedoch mit Singapore, wo die Chinesen sehr zahlreich
sind, und die meisten Nachrichten aus der Heimath fließen ihnen auf diesem
Wege zu. -- Was den Verkehr der Chinesen mit den Europäern betrifft, so
sind sie besonders bei den holländischen Offizieren beliebt, denen sie bereitwillig
Geld ohne Zinsen leihen und dabei auch leicht einen Verlust verschmerzen.
Einige von ihnen sino Mitglieder der Bürgersocietätcn. Von den Javanen
werben sie als vornehmerer Stand betrachtet, und daher mit Tuan (Herr)
angeredet. Uebrigens aber bekunden die häusig im Innern gefundenen Leichen
von Chinesen nicht das beste Einvernehmen mit den letzteren, was besonders
dem Umstände zuzuschreiben ist, daß die Chinesen die Pfandleiher der leicht¬
sinnigen und spielsüchtigen Javanen abgeben und ihre Forderungen rücksichts¬
los geltend zu machen suchen.

Das Verhältniß der Chinesen zur Negierung ist äußerlich sehr gut, doch
lastet auf ihnen ein furchtbarer Steuerdruck. Sie haben Steuer zu entrichten
von den Fingernägeln, dem Zopf, der Fußbekleidung, den Strümpfen, wenn
sic, wie die Mitglieder der Bürgergescllschaften, solche tragen u. s. w. DaS
Jahr 1848 sah daher auch hier einen Aufruhr, der indeß rasch gedämpft wurde.
Außerdem sind Geschenke an die hohen Beamten Sitte und tragen einem sol-


29*

durch Gastfreundschaft und Freigebigkeit aus. Spricht ein Europäer bei einem
vornehmen Chinesen vor.und äußert: „Capitän, was haben Sie da für ein
schönes Pferd!" so antwortet der Chinese wol, ohne sich zu besinnen: „Es ist
gut, Herr, morgen soll es in Ihrem Stalle stehen," oder lobt er die ihm
vorgesetzten candirten Früchte, die einen wesentlichen Bestandtheil des chinesi¬
schen Gastmahles ausmachen, so fügt der Chinese hinzu: „Es ist gut, Herr,
morgen schicke ich eine Kiste für Ihre Frau und Kinder."

In den Städten von Britischostindien werden zu Beamten deS chinesischen
Stadtviertels, welche namentlich die kleinern Zwistigkeiten zu schlichten haben,
sechs der reichsten Chinesen, ein Major und ein Titularmajor, ein Capitän
und Titularcapitän und ebenso zwei Lieutenants ernannt. Diese Titel werden
hier der Mandarinenwürde gleich geachtet, obgleich auch einige Chinesen sich
diese Würde, die etwa mit unserm Doctortitcl zu vergleichen ist, aus China
holen, wofür sie freilich mehr, als wir Deutsche, nämlich etwa 30,000 Gulden
zu bezahlen haben. Unter sich sind die Chinesen infolge der geheimen Gesellschaften,
die hier, wie in ihrer Heimath, unter ihnen bestehen, fast stets im besten Ein¬
vernehmen, und helfen sich gegenseitig, wo sie können. Mit China stehen sie
theils durch den lebhaften Handelsverkehr, den sie mit eignen Schiffen unter
holländischer Flagge oder auch mit europäischen Schiffen dahin betreiben, so
wie'durch die zahlreichen Auswandrerschiffe, welche von dorther kommen, in
der innigsten Verbindung. Nachrichten erhalten sie daher durch Briefe ebenso
schnell als die Europäer, und wissen stets sehr gut, was dort vorgeht. Der
lebhafteste Verkehr besteht jedoch mit Singapore, wo die Chinesen sehr zahlreich
sind, und die meisten Nachrichten aus der Heimath fließen ihnen auf diesem
Wege zu. — Was den Verkehr der Chinesen mit den Europäern betrifft, so
sind sie besonders bei den holländischen Offizieren beliebt, denen sie bereitwillig
Geld ohne Zinsen leihen und dabei auch leicht einen Verlust verschmerzen.
Einige von ihnen sino Mitglieder der Bürgersocietätcn. Von den Javanen
werben sie als vornehmerer Stand betrachtet, und daher mit Tuan (Herr)
angeredet. Uebrigens aber bekunden die häusig im Innern gefundenen Leichen
von Chinesen nicht das beste Einvernehmen mit den letzteren, was besonders
dem Umstände zuzuschreiben ist, daß die Chinesen die Pfandleiher der leicht¬
sinnigen und spielsüchtigen Javanen abgeben und ihre Forderungen rücksichts¬
los geltend zu machen suchen.

Das Verhältniß der Chinesen zur Negierung ist äußerlich sehr gut, doch
lastet auf ihnen ein furchtbarer Steuerdruck. Sie haben Steuer zu entrichten
von den Fingernägeln, dem Zopf, der Fußbekleidung, den Strümpfen, wenn
sic, wie die Mitglieder der Bürgergescllschaften, solche tragen u. s. w. DaS
Jahr 1848 sah daher auch hier einen Aufruhr, der indeß rasch gedämpft wurde.
Außerdem sind Geschenke an die hohen Beamten Sitte und tragen einem sol-


29*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104436"/>
          <p xml:id="ID_635" prev="#ID_634"> durch Gastfreundschaft und Freigebigkeit aus. Spricht ein Europäer bei einem<lb/>
vornehmen Chinesen vor.und äußert: &#x201E;Capitän, was haben Sie da für ein<lb/>
schönes Pferd!" so antwortet der Chinese wol, ohne sich zu besinnen: &#x201E;Es ist<lb/>
gut, Herr, morgen soll es in Ihrem Stalle stehen," oder lobt er die ihm<lb/>
vorgesetzten candirten Früchte, die einen wesentlichen Bestandtheil des chinesi¬<lb/>
schen Gastmahles ausmachen, so fügt der Chinese hinzu: &#x201E;Es ist gut, Herr,<lb/>
morgen schicke ich eine Kiste für Ihre Frau und Kinder."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_636"> In den Städten von Britischostindien werden zu Beamten deS chinesischen<lb/>
Stadtviertels, welche namentlich die kleinern Zwistigkeiten zu schlichten haben,<lb/>
sechs der reichsten Chinesen, ein Major und ein Titularmajor, ein Capitän<lb/>
und Titularcapitän und ebenso zwei Lieutenants ernannt. Diese Titel werden<lb/>
hier der Mandarinenwürde gleich geachtet, obgleich auch einige Chinesen sich<lb/>
diese Würde, die etwa mit unserm Doctortitcl zu vergleichen ist, aus China<lb/>
holen, wofür sie freilich mehr, als wir Deutsche, nämlich etwa 30,000 Gulden<lb/>
zu bezahlen haben. Unter sich sind die Chinesen infolge der geheimen Gesellschaften,<lb/>
die hier, wie in ihrer Heimath, unter ihnen bestehen, fast stets im besten Ein¬<lb/>
vernehmen, und helfen sich gegenseitig, wo sie können. Mit China stehen sie<lb/>
theils durch den lebhaften Handelsverkehr, den sie mit eignen Schiffen unter<lb/>
holländischer Flagge oder auch mit europäischen Schiffen dahin betreiben, so<lb/>
wie'durch die zahlreichen Auswandrerschiffe, welche von dorther kommen, in<lb/>
der innigsten Verbindung. Nachrichten erhalten sie daher durch Briefe ebenso<lb/>
schnell als die Europäer, und wissen stets sehr gut, was dort vorgeht. Der<lb/>
lebhafteste Verkehr besteht jedoch mit Singapore, wo die Chinesen sehr zahlreich<lb/>
sind, und die meisten Nachrichten aus der Heimath fließen ihnen auf diesem<lb/>
Wege zu. &#x2014; Was den Verkehr der Chinesen mit den Europäern betrifft, so<lb/>
sind sie besonders bei den holländischen Offizieren beliebt, denen sie bereitwillig<lb/>
Geld ohne Zinsen leihen und dabei auch leicht einen Verlust verschmerzen.<lb/>
Einige von ihnen sino Mitglieder der Bürgersocietätcn. Von den Javanen<lb/>
werben sie als vornehmerer Stand betrachtet, und daher mit Tuan (Herr)<lb/>
angeredet. Uebrigens aber bekunden die häusig im Innern gefundenen Leichen<lb/>
von Chinesen nicht das beste Einvernehmen mit den letzteren, was besonders<lb/>
dem Umstände zuzuschreiben ist, daß die Chinesen die Pfandleiher der leicht¬<lb/>
sinnigen und spielsüchtigen Javanen abgeben und ihre Forderungen rücksichts¬<lb/>
los geltend zu machen suchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_637" next="#ID_638"> Das Verhältniß der Chinesen zur Negierung ist äußerlich sehr gut, doch<lb/>
lastet auf ihnen ein furchtbarer Steuerdruck. Sie haben Steuer zu entrichten<lb/>
von den Fingernägeln, dem Zopf, der Fußbekleidung, den Strümpfen, wenn<lb/>
sic, wie die Mitglieder der Bürgergescllschaften, solche tragen u. s. w. DaS<lb/>
Jahr 1848 sah daher auch hier einen Aufruhr, der indeß rasch gedämpft wurde.<lb/>
Außerdem sind Geschenke an die hohen Beamten Sitte und tragen einem sol-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 29*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0235] durch Gastfreundschaft und Freigebigkeit aus. Spricht ein Europäer bei einem vornehmen Chinesen vor.und äußert: „Capitän, was haben Sie da für ein schönes Pferd!" so antwortet der Chinese wol, ohne sich zu besinnen: „Es ist gut, Herr, morgen soll es in Ihrem Stalle stehen," oder lobt er die ihm vorgesetzten candirten Früchte, die einen wesentlichen Bestandtheil des chinesi¬ schen Gastmahles ausmachen, so fügt der Chinese hinzu: „Es ist gut, Herr, morgen schicke ich eine Kiste für Ihre Frau und Kinder." In den Städten von Britischostindien werden zu Beamten deS chinesischen Stadtviertels, welche namentlich die kleinern Zwistigkeiten zu schlichten haben, sechs der reichsten Chinesen, ein Major und ein Titularmajor, ein Capitän und Titularcapitän und ebenso zwei Lieutenants ernannt. Diese Titel werden hier der Mandarinenwürde gleich geachtet, obgleich auch einige Chinesen sich diese Würde, die etwa mit unserm Doctortitcl zu vergleichen ist, aus China holen, wofür sie freilich mehr, als wir Deutsche, nämlich etwa 30,000 Gulden zu bezahlen haben. Unter sich sind die Chinesen infolge der geheimen Gesellschaften, die hier, wie in ihrer Heimath, unter ihnen bestehen, fast stets im besten Ein¬ vernehmen, und helfen sich gegenseitig, wo sie können. Mit China stehen sie theils durch den lebhaften Handelsverkehr, den sie mit eignen Schiffen unter holländischer Flagge oder auch mit europäischen Schiffen dahin betreiben, so wie'durch die zahlreichen Auswandrerschiffe, welche von dorther kommen, in der innigsten Verbindung. Nachrichten erhalten sie daher durch Briefe ebenso schnell als die Europäer, und wissen stets sehr gut, was dort vorgeht. Der lebhafteste Verkehr besteht jedoch mit Singapore, wo die Chinesen sehr zahlreich sind, und die meisten Nachrichten aus der Heimath fließen ihnen auf diesem Wege zu. — Was den Verkehr der Chinesen mit den Europäern betrifft, so sind sie besonders bei den holländischen Offizieren beliebt, denen sie bereitwillig Geld ohne Zinsen leihen und dabei auch leicht einen Verlust verschmerzen. Einige von ihnen sino Mitglieder der Bürgersocietätcn. Von den Javanen werben sie als vornehmerer Stand betrachtet, und daher mit Tuan (Herr) angeredet. Uebrigens aber bekunden die häusig im Innern gefundenen Leichen von Chinesen nicht das beste Einvernehmen mit den letzteren, was besonders dem Umstände zuzuschreiben ist, daß die Chinesen die Pfandleiher der leicht¬ sinnigen und spielsüchtigen Javanen abgeben und ihre Forderungen rücksichts¬ los geltend zu machen suchen. Das Verhältniß der Chinesen zur Negierung ist äußerlich sehr gut, doch lastet auf ihnen ein furchtbarer Steuerdruck. Sie haben Steuer zu entrichten von den Fingernägeln, dem Zopf, der Fußbekleidung, den Strümpfen, wenn sic, wie die Mitglieder der Bürgergescllschaften, solche tragen u. s. w. DaS Jahr 1848 sah daher auch hier einen Aufruhr, der indeß rasch gedämpft wurde. Außerdem sind Geschenke an die hohen Beamten Sitte und tragen einem sol- 29*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/235
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/235>, abgerufen am 05.12.2024.